Diäten, die mehr schaden als nützen
Von Heinz Scholz
Der Konsument wird täglich mit neuen Schlankheitskuren und Diätprodukten umworben. Der Erfindungsreichtum kennt hier keine Grenzen. Alle Diäten, die so marktschreierisch angeboten werden, versprechen ein rasches, angenehmes Abnehmen. So wurde vor einiger Zeit ein Apfelwirkstoff zur Fettgewebe-Entschlackung, eine Papaya-Diät, Kartoffel-Diät, Quark-Diät, Sauerkraut-Diät, Zitronensaftdiät und eine Anti-Blitz-Diät-Pille als Weltsensation angepriesen. Andere Anbieter offerieren ballaststoffreiche Getränke und Apfel-Essigkuren.
Bei manchen Diäten und Diätprodukten versprechen Buchautoren, Ernährungsfachleute und Hersteller eine wöchentliche Gewichtsabnahme zwischen 5 und 8 Kilogramm. Andere Vertreiber sind mit einer wöchentlich garantierten Abnahme vorsichtiger, sie geben die verlorenen Kilos pro Jahr an. Dazu ein Beispiel: In einem Buchprospekt wird eine Diät von Karl Lagerfeld so propagiert: „42 Kilo in einem Jahr mit der 3D-Diät in Rekordzeit sensationell abnehmen und dabei jederzeit gut aussehen.“
Zur anfänglichen „sensationellen“ Gewichtsabnahme einige Bemerkungen: In den ersten Tagen erfolgt eine Gewichtsreduktion durch Mobilisation von Glykogen (in Leber und im Muskel vorkommendes Polysaccharid, entspricht der Pflanzenstärke) und dem damit verbundenen Wasserverlust. Das Körperfett bleibt weitgehend erhalten. Um nämlich 1 Kilogramm Körperfett zu reduzieren, müssten 7300 kcal eingespart werden. Bei einer Reduzierung von 1000 kcal pro Tag könnte man höchstens 1 Kilogramm Körperfett pro Woche abbauen. Meistens ist es weniger, da der Energieverbrauch (Grundumsatz, Thermogenese, körperliche Aktivität) bei verminderter Kalorienzufuhr reduziert ist.
Vitalstoffmangel durch Diäten
Die meisten der angebotenen Mittel sind unwirksam und leeren nur den Geldbeutel der Anwender. Und die meisten Mittel sind harmlos; aber es gibt auch sehr einseitige Diäten, die gesundheitlich bedenklich sind. Mineralstoffe (Magnesium, Kalzium, Kalium), Spurenelemente (Eisen, Jod), wasserlösliche Vitamine ( B1 , B2 , B12 , C) werden häufig in zu geringem Umfang aufgenommen. Auch die Mengen an Eiweiss, Faserstoffen und essentiellen Fettsäuren, die durch die Kostformen zugeführt werden, sind oft zu gering. Wenn jemand unbedingt eine solche Kur machen will, dann nur unter Beratung und Beobachtung eines Therapeuten und unter ausreichender Mineralstoff- und Vitaminzufuhr. Ein Mangel an lebensnotwendigen Stoffen kann, um nur einige Störungen zu nennen, zu Muskelschwäche, Muskelkrämpfen, Blutdrucksenkung, Appetitlosigkeit, Herz- und Kreislaufstörungen, herabgesetzter Darmbewegung und Verstopfung führen.
Gefährlicher Cocktail
1995 wurde unter der Hand ein dubioses Wundermittel verkauft. Es bestand aus einem Cocktail verschreibungspflichtiger Wirkstoffe wie Aufputschmittel und Schilddrüsenhormonen. 7 Todesfälle waren zu beklagen. Dieser Fall zeigt auf, wie skrupellos manche Anbieter sind und wie blauäugig Abspeckwillige, die mit diesen Mitteln ihr Traumgewicht erreichen wollen. Hier wird oft kritiklos konsumiert. Schuld sind natürlich auch die falschen Berater, deren einziges Ziel ist, grossen Gewinn zu machen.
Wichtig ist: Verspricht ein Hersteller eine Reduzierung von krankhaftem Übergewicht (mit einem BMI von über 30) durch eine Substanz, handelt es sich laut Gesetz um ein Medikament. Und dieses muss zugelassen sein! Viele Arzneien zur Gewichtsreduzierung, wie Appetitzügler, sind apotheken- oder sogar rezeptpflichtig. Dies ist wichtig, denn die Mittel wirken auf das zentrale Nervensystem, machen abhängig und entfalten zum Teil beträchtliche Nebenwirkungen (Bluthochdruck, Depressionen). Auch abführende und entwässernde Mittel sind nicht frei von Nebenwirkungen. Dazu ein Beispiel:
Nebenwirkungen eines Abführmittels
Eine Frau, die ihre überflüssigen Pfunde schnell zum Schmelzen bringen wollte, stürzte sich auf eine Modediät. Zusätzlich nahm sie ein starkes Abführmittel ein. Tatsächlich verlor die Frau rasch an Gewicht. Was sie nicht wusste, war, dass sie hauptsächlich Gewebswasser verlor. Das Fett blieb ihr weitgehend erhalten. Über den regelmässigen Stuhlgang war sie hocherfreut. Eines Tages setzte sie die Diät ab, ass wieder ihre altgewohnte Kost und nahm weiterhin ihr Abführmittel ein. Als die Verstopfung zurückkam, erhöhte sie die Dosis des Mittels. Eines Tages zeigten sich Herzrhythmusstörungen, Muskellähmung, Apathie, Übelkeit und auch Konzentrationsstörungen. Eine Untersuchung des Blutserums ergab einen niedrigen Kaliumwert. Die Patientin erhielt sofort Kalium, und nach wenigen Tagen normalisierte sich ihr Zustand. Die Frau hatte Glück, dass der Mangel sofort erkannt wurde und keine bleibenden Schäden entstanden sind.
Tip: Alternativen zu Diäten und Abführmitteln sind Bewegung sowie eine ballaststoff-, vitamin- und mineralstoffreiche vollwertige Ernährung.
Crash-Diäten sind abzulehnen
Abzulehnen sind „Crash-Diäten“, also solche, die eine Kalorienreduzierung um 50 Prozent beinhalten. Amerikanische und englische Ernährungswissenschaftler fanden nämlich heraus, dass unter einer „Crash-Diät“ die Reaktionszeit, Konzentration und das Kurzzeitgedächtnis nachhaltig beeinflusst werden („Ärztliche Praxis“, Nr. 32, 1997).
Verbraucherschützer und Mediziner weisen immer wieder darauf hin, dass bei nicht krankhaftem Übergewicht nur folgende Punkte dauerhaft helfen: Umstellung der Ernährung, Verhaltenstraining, Steigerung der körperlichen Aktivität und Geduld. Jeder muss zunächst ein leicht zu erreichendes, realistisches niedrigeres Gewicht anstreben. Nur so bekommt man Mut zu weiteren Abnahmeversuchen.
Nicht empfehlenswerte Diäten
Der Verein für Konsumentenforschung (VKI) aus Österreich hat kürzlich 80 Diäten getestet. Darunter waren Fatburner-, Low-Fat-, Blutgruppen- und Mischkostdiäten, ferner Trennkost und Fastenkuren und Psycho-Diäten. Das Ergebnis war ernüchternd. Nur 22 % der Diäten wurden als positiv beurteilt. Die Sieger waren das Gruppenprogramm „Schlank ohne Diät“, dann die Diät der Weight-Watcher-Gruppe. Bei der „Schlank ohne Diät“, die in Österreich sehr populär ist und auch bei der „Stiftung Warentest“ gut beurteilt wurde, wird in kleinen Gruppen gearbeitet. Ziel des Programms ist, eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten (weniger Fett, weniger Zucker) und des Bewegungsverhaltens zu erreichen. 650 Ärzte, Ernährungswissenschaftler und Psychologen bieten Hilfe und Unterstützung an.
Im Mittelfeld rangierten diverse „Low-Fat-Diäten“. Untauglich bis gefährlich wurden die „Fatburner-Diäten“ eingestuft. Spektakulär aber abzulehnen sind die „Blutgruppendiät“ und die Zitronensaft-Kur.
Kohlenhydratarme Diäten, wie beispielsweise die Atkins-Diät und Hollywood-Diät, sind ebenfalls abzulehnen. Die Atkins-Diät gilt als Mangel- und Fehlernährung. Die Ballaststoffzufuhr ist zu knapp. Die Diät fördert auch eine Arteriosklerose.
Auch die Formuladiäten sind nur im Zusammenhang mit medizinisch betreuten, ganzheitlichen Programmen kurzfristig einsetzbar. Gut verträglich, aber einseitig und nur kurzfristig durchführbar ist die Kartoffel-Diät. Die Reis-Diät wirkt entwässernd, ist aber einseitig und nur für Schalttage geeignet.
Wege zum Wohlfühlgewicht
Empfehlenswert sind folgende Diäten mit energiereduzierter Mischkost, die auch als Langzeitdiät geeignet sind: Brigitte-Diät und Weight-Watchers. Auch die von der AOK unterstützte und von Prof. Dr. Volker Pudel, Göttingen, entwickelte „PfundsKur 2000“ ist von der Stiftung Warentest als „sehr sinnvoll“ beurteilt worden, und auch „Der Spiegel“ lobte die „positive Wucht“ der PfundsKur. Die empfehlenswerten Mischkost-Diäten sind in der Tabelle aufgeführt.
Fazit
Eine ausgewogene, energiereduzierte Mischkost bewirkt ein langsames Abnehmen. Die Kost ist reich an Kohlenhydraten (mindestens 50 %, bezogen auf die gesamte Kalorienmenge), moderat an Eiweiss (10 bis 15 %) und enthält nicht zuviel Fett (20 bis 30 %). Auf den Teller kommen Reis, Kartoffeln, Vollkornprodukte, Gemüse, Salat und Obst. Einmal pro Woche wird Seefisch und maximal zweimal Fleisch und Wurst empfohlen. Bevorzugt werden Pflanzenöle. Als Durstlöscher kommen Wasser, Mineralwasser, ungesüsste Kräuter- und Früchtetees und verdünnte Obstsäfte in Frage.
Die Mengen sind so kalkuliert, dass täglich zwischen 1200 und 1500 Kilokalorien aufgenommen werden. Der durchschnittliche Verlust an Körpermasse wird mit 0,5 bis 1 Kilogramm pro Woche angegeben. Mehr sollte es nicht sein.
Es gibt viele Wege zum Wohlfühlgewicht, und es gibt keine Diät, die für alle ideal ist. Wichtig ist, dass man aus der Fülle an Lebensmitteln die besonders reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, bioaktiven Stoffen und Ballaststoffen sind, aussucht. Verbote soll es nicht geben. Jeder, der eine Mischkost-Diät durchführt, muss nicht auf ein Eis, einen Festtagsbraten oder ein Stück Schokolade verzichten.
Zur ausgewogenen, vollwertigen Mischkost gehört eine gezielte Verhaltensänderung und ein sinnvolles Bewegungsprogramm. Wer nicht gern alleine turnt, der kann in Gesellschaft viel mehr erreichen, so beispielsweise in Kneipp-Vereinen. Manche wollen auf ihr gutes Essen nicht verzichten, dafür aber mehr Sport treiben. „Finden Sie heraus, was für Sie optimal ist. Die Vielfalt der Angebote und Modelle hält sicher auch für Sie etwas Passendes bereit“, schrieben die Autoren der Schrift „Schlank und fit“ der Stiftung Warentest. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Heinz Scholz
Tabelle: Einige wichtige empfehlenswerte Mischkost-Diäten
Diät |
Lebensmittelwahl |
Beurteilung |
Brigitte-Diät 2001 |
Vollwertige, ausgewogene Mischkost (1000 bis 1500 kcal); viele kombinierbare Rezepte |
Vollwertige Ernährung, Rezepte sind rundherum zu empfehlen; einfach, abwechslungsreich, langfristig. |
Die neue Fit for Fun-Diät (nach Dörte Helberg) |
Abwechslungsreiche, fettreduzierte Mischkost, viel Obst und Gemüse (1400 bis 2000 kcal) |
Rundherum zu empfehlen |
Pfunds-Kur 2000 |
Vollwertige, ausgewogene Mischkost, nach Lebensmittelgruppen aufgestellter Plan, ein Test ermittelt die persönliche Essmenge |
Vollwertige Ernährung, macht Lust zum Mitmachen. Ernährung ist abwechslungsreich, bürotauglich und langfristig. |
Schlank mit System (nach Werner Kappus) |
Gängige Mischkost (1200 kcal), aus jedem Segment der Ernährungspyramide wird täglich ein Lebensmittel ausgesucht (empfohlen von deutschen, österreichischen und schweizerischen Ernährungsgesellschaften) |
Ein rundum durchdachtes, praxisnahes Konzept. Abwechslungsreich, bürotauglich, langfristig.
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Schlank ohne Diät (n. Dr. Rudolf Schober-berger, Mag. Ingrid Kiefer, Dr. Michael Kunze) |
Mischkost (15 Tagespläne zu 1000 und 1500 kcal ) |
Keine Verbote, kein Gewichtsversprechen, Konzept bringt gute Aussichten, tatsächlich ohne Diät schlank zu werden. |
Wege zum Wunschgewicht (nach Herbert Jost) |
Aufnahme komplexer Kohlenhydrate (Brot, Kartoffeln, Reis, Nudeln), reichlich Rohkost, maximal 30 g Fett/Tag (max. 1500 kcal) |
Laut „Stiftung Warentest“ kann man dauerhaft zum Wunschgewicht kommen. Abwechslungsreich, bürotauglich und langfristig. |
Weight Watchers |
Vollwertige, ausgewogene Mischkost, viel Obst und Gemüse, verbindliche Diätpläne |
Vollwertige Ernährung, abwechslungsreich, bürotauglich, langfristig |
Quellen: DGE; „Schlank und fit“, Sonderheft der Stiftung Warentest (2002; im Internet ist ein Herunterladen gegen Gebühr möglich), „Ich nehme ab“ (Werner Kappus), „PfundsKur“ (Prof. Dr. Volker Pudel), „Wege zum Wunschgewicht“ (Herbert Jost), „Die neue Fit for Fun-Diät (Dörte Helberg), „Schlank ohne Diät“ (Dr. Rudolf Schoberger u.a., Kneipp Verlag).
Tips, die das Abnehmen erleichtern
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Quellen: Mag. Birgit Beck, VKI-Ernährungswissenschaftlerin, DGE und „Crash-Diäten unter der Lupe“ (Internet: www.1aabnehmen.de/diaeten2.htm )
Hinweis: Diese Arbeit ist bereits im „Kneipp-Journal“ 2004-03 erschienen
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