Miethunde
Soeben hatten wir angestossen zum weiteren Gedeihen unseres Freundes Albert, ein frisch entpuppter Unternehmer. Sein Doppelkinn wabbelt bereits, von Wohlstand strotzend. Kurt wollte schon immer gewusst haben, dass etwas in ihm stecke, ein ausgeprägter Hang zum „geschäfteln“. Habe Albert nicht schon damals mit den meisten Murmeln in der Hosentasche geklimpert und seine „Bötschli“ stundenweise und gegen hohe Sicherstellung ausgeliehen?
Zur Überraschung aller hatte er vor 2 Monaten den Pultschlüssel eines Steuerbeamten dem Staat zurückgegeben und sich selbstständig gemacht. Wir im Vorurteil Befangenen glaubten, sein Steckenpferd sei unfruchtbar und einzig zur persönlichen Kurzweil und Erbauung tauglich.
Albert war seit jeher ein Hundenarr. Er wusste es besser als wir und beutet heute seine Hundenarrheit geschäftlich aus. In seinem Garten wachsen Hundezwinger wie anderswo Sträucher. Dort kläfft sein Stolz durcheinander: Die obere Stimmlage vom Spitz beherrscht, die 4 Pudel eine Quart tiefer, die trägen Bassisten von Möpsen gestellt, während unerlöster Stuhldrang sich bei den Dackeln winselnd kundgibt. Hier herrschte und befahl Albert, lehrte Manieren und bestrafte Unarten.
Eines Abends klopfte ich an seine Türe, wobei mein Blick auf ein blank poliertes Messingtäfelchen fiel: „Miethunde für alle Anlässe“ stand zierlich darauf eingraviert. Noch bevor ich Einlass gewann, öffnete er einer älteren Dame zuvorkommend die Tür. Einer seiner Möpse zerrte die Strauchelnde an der Leine mit sich fort. Hände reibend entschuldigte sich Albert für einen Augenblick, sagte, er müsse noch einen Posten ins Journal eintragen.
An jenem Abend erfuhr ich die Gründungsgeschichte seiner Firma, die ich getreulich wiedergeben will.
„Mein Geschäftsprinzip“, begann er, „habe ich der ‚Eskort-Agentur' abgeschaut. Ein Bekannter von mir arbeitet dort als ‚Gesellschafter'. Wie du weisst, vermittelt diese Agentur Partner für allerlei Anlässe.“ Gewiss hatte ich von diesem Unding gehört. Ich kann mir nichts Entwürdigenderes ausmalen als einen Partner für einen Abend zu heuern; zu wissen, dass jede Minute des Gesprächs bezahlt und kein Lächeln umsonst ist. Sogar das ritterliche Herbeiwinken eines Taxis ist im Dienstvertrag eingeschlossen und anderes mehr da errötet selbst das Papier, worauf ich dieses Übel nenne.
Dieser Schacher kann auch mit Hunden nicht misslingen. Sein erzieherisches Wirken fand ein ungepflügtes Feld. Die Hundejungen verschiedener Stammbäume durchliefen gemeinsam die Elementarschule, bis sie stubenrein und willens waren, einfachen Befehlen zu gehorchen. Die frühreifen Pudel kamen ins Gymnasium, denn sie waren für Höheres vorbestimmt.
Alberts Inserate erschienen in der Tagespresse, diskret und unaufdringlich. Bald begannen noch in die jugendliche Kategorie einzureihende Damen, diese Hunde zu mieten. Den Herren wurde das Brückenschlagen erleichtert, die Eselsleiter zur pikanten Konversation war gefunden, und sie durften den anzüglich zwinkernden Pudeln die Löckchen kraulen. „Weisse Pudel sind besonders gefragt“, gestand er mir vertraulich. „Für sie verlange ich bis zu 30 Franken mehr pro Stunde. Vorgestern verlor ich meinen meistgefragten Königspudel. Dank ihm entstand eine dauernde Herzensverbindung, und die zarten Bande zur Gnädigen dürfen keineswegs gefährdet werden: sie darf nie erfahren, dass sie auf einen Leihpudel hereingefallen war. Für den Preis hätte sie zwanzig Pudel mit doppelt so langem Stammbaum kaufen können ...“
Seine 6 Möpse bilden gewissermassen den gesunden Mittelstand, oder, wie er sich ausdrückte, „mein garantiertes Einkommen“. Manche Dame, die sich wegen des Mietvertrags keinen Hund halten darf oder deren wankelmütige Laune der Tierhaltung abträglich wäre, kann ihr schweres Herz trotzdem hin und wieder dem robusten Mopsrücken aufbürden. „Leider bringen sie mir die Hunde jedes Mal überfüttert zurück“, klagte Albert, „und ohne Klistier kann ich sie nicht weitervermieten.“
Er begann über den Spitz zu berichten die für Sonderaufgaben geschulte Elite. Diese kläffenden Viecher werden als Abschreckungsmittel ausgeliehen. Wer noch spät abends unbehelligt durch die Strassen gehen will, sei dieser Begleiter anempfohlen. Taucht ein beharrlicher Schatten hinter dem Fräulein auf, kläfft das nervöse Unding pausenlos, und gar von der Leine gelassen, umkreiselt es den Verfolger, ohne an Lautstärke einzubüssen und springt womöglich an ihm hoch, bis er Reissaus nimmt.
Hier liest Albert von seiner Werbebroschüre: „Einmal mehr fragt er Sie inständig, ob er noch rasch zum Kaffee kommen dürfe. Nicken Sie für dieses Mal ganz unbesorgt, denn sein Glück ist von kurzer Dauer. Während Sie mit dem Geschirr hantieren, legt sich der Spitz schon unheilvoll knurrend zu seinen Füssen. Wehe, wenn er ungebührlich von seiner Sofaecke wegrutschen willl ...! Der Krawall lässt nicht nach, bis er sich hastig empfiehlt.“
Noch viel mehr wollte Albert mir erzählen: von sonderbaren Anfragen, die er erhielt; wie er seinen Service auszubauen gedenkt. Doch ich floh, wie von einer Hundemeute aufgescheucht.
Fortan konnte ich meines Lebens nicht mehr froh werden. Jede Dame mit Hund beäuge ich argwöhnisch und meide beide, indem ich um sie einen grossen Bogen mache. Sollte ich eine Bulldogge auf die kleinen Dinger und Spielverderber abrichten oder den Wohnort wechseln? Ein Junggeselle muss sich doch unbeschwert etwas umsehen können! So beschloss ich eine Luftveränderung.
Wir hatten das Glas auf Alberts Wohl noch nicht geleert, als ich meinem Freundeskreis meinen Entschluss beiläufig mitteilte. Sofort wurde nachgefüllt und die Gläser klirrten diesmal auf mein Gedeihen, und ich bitte den Leser, mitzuhalten.
Emil Baschnonga
(16. Dezember 1964)
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