Textatelier
BLOG vom: 20.07.2005

Sirenengeheul: Londoner Polizisten rasen gefährlich

Autor: Emil Baschnonga

Ganztags heulen die Sirenen und blitzen die Blaulichter der Polizei-Streifenwagen und Ambulanzen, wenn sie bei Tempo Teufel durch London flitzen. Sie sind mehr und mehr in Strassenunfälle verwickelt, die Verletzte und Todesopfer fordern. Seit 1977 hat sich die entsprechende Anzahl Tote in England vervierfacht, allein auf Streifenwagen bezogen: 38 Tote im letzten Jahr 2004. Die Zahl der Verletzten hat sich innerhalb von 2 Jahren sogar um 60 % auf 2025 Verletzte erhöht.

 

Ich weiss von Reisen her, dass die Polizei-Streifen, worunter auch unmarkierte Polizeiautos, überall wie die Wilden umherfahren. Auch in der Schweiz. Jetzt, nach dem Terrorakt in London, ist anzunehmen, dass die Polizei noch härter aufs Gaspedal drücken wird.

 

Viel blinder und böswilliger Alarm − die Engländer haben dafür das treffende Wort „hoax“ – wird über den Notfalldienst ausgelöst. Hinzu kommen unendlich viele Bagatellfälle. Jetzt schon wieder, um 9 Uhr morgens, saust heulend die Polizei oder die Ambulanz an der „Parkside“ in Wimbledon entlang. Vielleicht handelt es sich nur um einen Autounfall mit Blechschaden. Der Fahrer wird wohl wissen, worum es geht. Wird er in diesem Fall sein Tempo drosseln? Ich bezweifle es. Im Hochgefühl seiner Macht missachtet er Ampeln und schleust sich durch Verkehr. Noch immer heult die Sirene. Die Uhr ist inzwischen auf 9 Uhr 15 vorgerückt. Fährt er im Kreis? Sucht er die Strasse? Ist ein Banküberfall im Gang, der eine Horde von Streifenwagen zum Einsatz bringt? Ich weiss es nicht.

 

Fussgänger, besonders ältere Leute und Kinder, sind am meisten gefährdet, wenn sie die Strasse überqueren. In Schreck und Panik bleiben sie wie angewurzelt stehen oder straucheln, rennen direkt dem Auto vor die Stossstange. So verlor der 83-jährige David Lloyd sein Leben. Die „Independent Police Complaints Commission“ (Unabhängige Kommission für Beschwerden gegen die Polizei) untersucht gegenwärtig, wie weit der Polizist, der das Auto fuhr, am Tod diesen alten Mannes schuldig ist.

 

In England sind die Polizisten sehr unterschiedlich für ihre Rennfahrten qualifiziert. Ihr Training schwankt zwischen 13 Tagen und 5 Wochen.

 

Das Publikum hat das Recht, über das Ergebnis – ich höre gerade wieder eine Sirene, 9 Uhr 45 ist es geworden – dieser Raserei zu erfahren. Wie viele Verbrechen wurden damit verhindert, wie viele Verbrecher gefasst?

 

Draussen höre ich jetzt die Warnlaute einer Amsel. Sie hat die Katze gesichtet und will ihre Brut schützen. Viel mehr Polizisten sollten wieder zu Fuss ihre Runden abklopfen, wie ehemals die „Bobbies“. Sie würden dann ihre Lokalität besser kennen lernen, so gut wie die Amsel ihr Revier, statt anonym und blindlings in ihren Autos zu rasen. Die Leute würden sie dann wieder mehr als ihre Beschützer sehen. Damit könnten sie ihrem angeschlagenen Ruf im wahrsten Sinne des Worts wieder auf die Beine helfen.

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