Textatelier
BLOG vom: 25.07.2005

Andalusische Reise: Oh, wir hatten prächtige Ferien ...!

Autor: Emil Baschnonga

Mitten in der Ferienzeit möchte ich kein Spielverderber sein und den Spass an Ferien nicht schmälern. Aber etwas, dem ich Mutwille sagen möchte, treibt mich, Ihnen einige aufgestöberte Seiten, zum Blog umgemünzt, aufzutischen. Hoffentlich werden Sie sich darüber nicht ärgern, sondern Ihren Spass daran haben.

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Durch die aufgerissene Cartüre zwängt sich die erschöpfte, reisemüde Fracht. Die eingeschlafenen Beine tragen schwankend des Körpers Last in die sengende, südliche Sonne des Küstenörtchens Villanueva y Geltrù. Sprachgewandt führt der Reiseleiter seine Gruppe ins Strandhotel. Sein Versprechen, es gebe kühle Tranksame, erweckt in den noch krampfverzerrten Gesichtern verzweifelte Ferienstimmung. 

Ermattet ruht kurz darauf die Reiseschar im abgeschirmten Garten. Nur 2 Damen am ausgesucht schattigsten Tisch scheinen unverdrossen „Kriegsrat“ zu halten. Ab und zu werfen sie einen unwilligen Blick auf das weinende Mädchen am nächsten Tisch. Die Mitreisenden wissen, dass dies besagter Damen 2. Reise zum gleichen Ziel ist, deren Gebaren allerdigs eher auf die 10. schliessen liesse. 

Anderntags sitzt die Gesellschaft bereits zu geselligen Grüppchen geschart am Frühstückstisch, entspannt und ferienfroh. Man plaudert angeregt und findet einander charmant. Die ersten gemeinsamen Ausflüge werden geplant. Auch die Kinder bezeugen gleich herzlichen Anteil aneinander. 

Von der ungewohnten Hitze ermattet, versammeln sich alle vorzeitig zum Mittagessen. Die erste Brandröte zeichnet, Schmerz versprechend, Schultern, Nacken und Glatzen. Die beiden Seniorinnen haben sich ebenfalls eingefunden. 2 bunte Sonnenschirme haben sie sich erstanden und schäkern, in knallroten Strandblusen, mit Carlos, dem Kellner, wobei gelegentlich ihre missbilligenden Blicke die spielenden Kinder, diesmal auch die solches duldenden Eltern, treffen. 

Zur ungewohnten Hitze gesellt sich ungewohntes Essen: Fischgericht mit viel Olivenöl. Lustlos stochert Herr Klein in seinem Teller, während Herr Meister vorgibt, sich aufs Zerlegen zu verstehen, bis sein geschickt gelöster Fischkopf seiner Angetrauten auf den Schoss fällt. Natürlich mache das nichts, lacht sie gezwungen heiter in die Tafelrunde, doch ihr messerscharfer Blick sticht durch seinen Weinschleier, so etwas wie Tölpel besagend. Am schattigsten Tisch wird es immer munterer: Die hochbusigen Freundinnen haben keinen Tropfen ihres „vino común“ übrig gelassen. Bedeutungsvolle Blicke werden ausgetauscht, wie sie schwerfällig mit ihren Schirmen durch die Tischreihe zu einer nachmittäglichen Siesta abmarschieren. Ihr „Hasta la vista!“ gelingt, doch dafür prallen sie an die gläserne Ausgangstüre. 

Mama hat Migräne, und so muss Papa allein zum Strand, wohin ihn die lieben Kleinen ziehen, um an ihren Sandburgen weiterzubauen. Er kämpft eine halbe Stunde gegen seinen Magenaufstoss und verwünscht die Oliven. Eine weitere halbe Stunde döst er und träumt von einem Strandflirt. Dann aber wird die Glut mehr als sengend. Entschlossen schleppt er seine zeternden Kleinen mit sich ins Hotel zurück. Erquickt wacht Mama auf, erpicht auf einen kleinen Imbiss und Spaziergang durchs Örtchen, und er muss sich fügen, sonst wird das Thema „Fischkopf“ hervorgekramt. 

Keine 10 Schritte vom Hotel stösst die Familie auf ihre Tischnachbarn. Freudig schliesst man sich einander an. Bald haben sie genug Sandalen-, Sombrero- und Strandkleiderpreise umgerechnet und miteinander verglichen. In den Korbsesseln eines Restaurants warten sie verzweifelt auf das gnädige Erscheinen des Kellners, an dem fremdsprachige Anrufe wirkungslos abprallen. Endlich notiert er scheinbar versiert die Bestellung und bringt jedem etwas anderes, was infolge Sprachschwierigkeiten und stechenden Dursts hingenommen wird. Nach traditionellem Hin und Her begleicht der glückliche Sieger die Rechnung, deren willkürliche Höhe ihn verstimmt. 

Das Nachtessen beschert wieder eine einheimische Fischspezialität. Abendliche Kühle und Tischwein vermögen hingegen die Stimmung aufzulockern. Ein älterer, strammer Engländer gesellt sich zu den beiden trinkfesten Damen, die ihn familiär und unüberhörbar mit „General“ begrüssen. 

Noch immer sitzen einige Herren nordisch steif und bieder, bis sie der offenherzigen Überredungskunst der über sie gebeugten Frau Klein nicht länger widerstehen können und ihre Stühle zum Nachbarstisch verschieben. Auch ein schüchternes Ehepaar wird aufgefordert, sich der Tischrunde anzuschliessen. Im gelben Leibchen zeigt sich der muskulöse Herr Klein und macht sich bei den Frauen bald jovial beliebt, und ansteckende Heiterkeit macht sich breit. 

1 oder 2 Tage mag es so weitergehen, dann finden plötzlich diese jene albern. Kleine, häusliche Zwiste entflammen und erheitern zumindest die Zaungäste. Der Tag wird zwischen Mahlzeiten und tatenlosem Umherlungern aufgeteilt. Die kleinen Übel häufen sich und verdriessen sehr. Das unsorgfältige Zimmermädchen wird bemängelt, auch die schmutzigen Toiletten. Kurzum, die Feriengruppe sehnt sich nach Hause und Wurstsalat. 

„Ach ja, wir hatten prächtige Ferien, herrliches Wetter, gutes Essen und viel Spass“, erfahren die Bekannten. Zum Beweis werden strahlende Fotogesichter herumgereicht. 

Seltsam, vor 14 Tagen wären 2 Ferienbekanntschaften auf der Strasse beinahe aufeinander gestossen, hätten die rechtzeitig abgewendeten Köpfe dies nicht verhindert.

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