Brustgitter, Wirbelsäule, vierfach gestelzt: Amtshunde
Autor: Emil Baschnonga
Am Fernsehen bewunderte ich kürzlich die tüchtigen vierbeinigen Drogen- und Bombenschnüffler: Ganz und gar von ihrer Aufgabe durchdrungen, verrichten sie ihre Aufgabe – und kein Baumstamm und Autorad kann sie von ihrer offiziellen Pflicht ablenken.
Thomas Mann hat im Prosawerk „Herr und Hund“ (1919) sein Verhältnis mit Bauschan, „ein Brustgitter nebst Wirbelsäule, mit ruppigem Fell überzogen und vierfach gestelzt“, wunderherrlich und unübertrefflich geschildert.
Zwar habe ich selber keinen Hund, doch lassen mich Hunde nicht gleichgültig. Wem Tiere gleichgültig sind, für den ist Hund Hund, und man darf annehmen, dass für den auch der Mensch nur Mensch ist – kein Einzelwesen, sondern eine Art Apparat, tückisch und unberechenbar, dessen Mechanik u. a. bald mit Lob oder verbindlichem Lächeln, bald mit Arroganz oder Herablassung bedient werden muss, damit der Lump wie ein Hund schuftet und Wohlstand für den Meister abwirft.
Zum Glück gibt sich diese Art von „Apparatschik-Handhaber“ nicht mit Hunden ab, sonst hätten wir alle Bisswunden – auch ich, der sich am liebsten mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt, ausser den hierarchisch Höhergestellten, denn es bestehen merkwürdige Verwandtschaften zwischen Hunden und Menschen, und ich kann nicht sagen, wer sie von wem aufschnappt, ausser dass sich die Vierbeiner ungehemmter und offener äussern.
Am letzten Samstagnachmittag hielt ich in Morden (einem Londoner Vorort) plötzlich inne. Auf der Bank neben einer etwas verwahrlosten alten Frau sass ihr Hund. Beide schauten zu einem ebenfalls alten Mann hoch. Ich war verblüfft, wie sich die Ausdrücke der nebeneinander Sitzenden glichen: Beide hielten den Kopf leicht geneigt, beide waren grauschopfig, beide hatten den Mund, im Falle des Hundes die Schnauze, genau gleich weit offen. Die Augen beider waren gleicher Farbe und blinkten tränenfeucht und aufmerksam zum Mann empor.
Solche Ähnlichkeit findet sich ab und zu bei bejahrten, nach manchen Kampfesjahren endlich aufeinander eingespielten Ehepaaren. Hund und Besitzer teilen die gleichen Gedankengänge, teilen die gleichen Zu- und Abneigungen.
Auf den amtlichen Hund zurückkommend, ist mir einer, dem ich vor mehr als 20 Jahren begegnet bin, in Erinnerung geblieben und er lebt jetzt aus meinem alten Text in diesem brandfrischen Blog erneut auf.
Der Schäferhund des Parkwärters ist so einer, ein hochoffiziell amtlicher Hund. Während der sonnigen Mittagspausen pflegte ich mich damals im Stanmore Park (in Ealing) ein Weilchen auf dem Rasen auszustrecken. Ich wusste, dass in einer Viertelstunde der untersetzte, ältliche, in dunkelblauer Uniform gekleidete Wächter gemessenen Schrittes seine Überwachungsrunde abgehen würde, zusammen mit seinem Gehilfen und Mitarbeiter an der kurz gehaltenen Leine. Der wachsame Blick des Wächters wie des Hunds streift auch mich, gleitet aber rasch weiter, weil ich nicht von beruflichem Interesse für sie bin.
Auf dem gleichen Rasenabschnitt ruht ein Pärchen so selig wie gewagt ineinander verstrickt, nicht ahnend, dass 2 öffentliche, fast empörte Augenpaare sie erfasst haben. Wütendes Gekläff und die ausgewachsene Kraft des Schäfers zerrt den mit seinem Stock um Gleichgewicht ringenden Parkwächter eine Schnauzenlänge vor die erschrocken auseinander fahrenden Frevler. Verlegen rückt sie den Rock zurecht, während er den tief gerutschten Knopf der Krawatte hochschiebt.
Nachdem die sittliche Ordnung wieder hergestellt ist, gehen die 2 Beamten weiter, mit dem sichtbaren Bewusstsein, fürs Gemeinwohl eingetreten zu sein.
Ein Teil dieses Gemeinwohls bestand aus 2 hageren Damen zweifelhaften Alters, die, nicht unweit auf einer Bank sitzend, den Sittenhütern beipflichtend zunickten.
Ich konnte nicht hören, was der Oberbeamte sagte, nur vom wedelnden Schwanz des Unterbeamten ablesen, dass er wohl etwas über die Moral der Geschichte zu sagen hatte.
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