Platzspitz Zürich: Wo sich auch Limmat und Sihl treffen
Autorin: Rita Lorenzetti
Durch den Platzspitz spazieren heisst, dem hektischen Zürich den Rücken kehren. Das Gebiet hinter dem Landesmuseum wurde von den beiden Flüssen Limmat und Sihl in jahrhundertelanger Arbeit zu einem Dreieck geformt. Der Platz, heute ein Park, mündet in einen Spitz. Dort treffen die beiden Flüsse aufeinander und vereinigen sich.
Hier wurde 1883 die erste schweizerische Landesausstellung abgehalten. Den Park erlebte ich als Kind als einen Ort zum Flanieren. Die Rasenflächen gehörten dem Auge, die Wege den Füssen. „Rasen betreten verboten“ war damals eine respektierte Weisung. Niemand lag auf öffentlichen Wiesen herum. Das schickte sich nicht. Manchmal erklang romantische Musik oder Belcanto-Gesang vom Pavillon herab. Für die Kinder aus dem angrenzenden Industriequartier war der Park etwas Sonntägliches und das Grün der Flächen und alten Bäume ein Kontrast zum Schulweg und Alltag in der Umgebung von Fabriken.
Dieser Ort erlangte mit der offenen Drogenszene als „Needlepark“ dann traurige Berühmtheit. Seit 1993 steht der Park aber wieder allen offen. Er ist gereinigt, saniert. Die alten Bäume formen sich gegen den Spitz hin zu einem beeindruckend weiten Raum. Draussen, vor dem Gitter, plätschert kühles Wasser. Die Brunnenfiguren – eine Seejungfrau und ihr männlicher Partner – tanzen zur Vereinigung der beiden Flüsse. Seit Jahrzehnten steht der schöne Brunnen an diesem Ort. Hier gehen viele Menschen vorüber. Es sind Wege, die der Alltag bestimmt. Touristen kommen seltener bis hierher.
Nun ist das Drogenelend im Park erneut sichtbar, in Form einer Fotoausstellung im Freien. 30 Panoramafotografien von Michael von Graffenried säumen den Hauptweg und führen uns das von Drogen bestimmte, elende Leben vor Augen. Ein Gegenstück zu den hier lebenden Bäumen. Was sagt wohl der Ginkgo dazu, wenn er das erneut ansehen muss? Er, der Lebensfreude und Lebenskraft verkörpert und von uns als Lebensbaum verehrt wird.
Und im Landesmuseum selber wurden Heiligenfiguren aus dem Schlaf geweckt. In der Mittelalterabteilung stehen jetzt Fotos von Michael von Graffenried mit ihnen „im Gespräch“. Und eine der Rahmenveranstaltungen weist auf die Sehn-Süchte beider Gruppen hin. Das Thema des Vortrags von Prof. Jakob Tanner: „Von religiöser Ekstase zu Ecstasy.“
Jetzt nochmals zurück zum Brunnen am Spitz: Gehen wir über die Limmatbrücke, treffen wir am andern Ufer auf die 1928 erbauten Rotach-Häuser, die neuerdings auf der Pro-Patria-Briefmarke (85 Rp.) abgebildet sind. Hinter ihrem Grün-Versteck auf der schmalen Insel, die einen Kanal abtrennt, musste auch ich sie suchen, als ich von ihrer Auszeichnung las.
Zum Sihlquai zurückgekehrt, finden wir einen grossen Fliegenpilz, der aus dem Strunk eines abgeholzten Baumes geschnitten und farbig angemalt worden ist. Nochmals eine Markierung der einstigen offenen Drogenhölle. Das Sihlquai, früher sicher ein Ort zum Promenieren, gehört heute nur noch dem Autoverkehr. Hier fahre ich trotzdem gern mit dem Velo heimwärts. Die Luft ist durch den Wasserraum frischer. Ich mag auch die Rosskastanienbäume, die das Trottoir überdachen.
Im Juli entdeckte ich im Flussbett, das wenig Wasser führte, aus Steinen gestaltete Figuren, vermutlich Werke von Ueli Grass. Seit Jahren überrascht er uns mit seinen Steinsetzungen am See. Nun erstmals in der Limmat? Ich weiss es nicht. Fest standen sie da, wie Wächter eines Reviers und mir schien, in freundlichem Austausch untereinander. Wie kommt es, dass sich aufgeschichtete Steine aneinander festhalten, dem Wind trotzen, ohne dass ein Hilfsmittel verwendet worden ist?
Alles was es dazu brauche, seien schwere Steine, ruhige Hände und Zeit, lese ich auf Grass‘ Homepage.
3 Tage waren die Steinsetzungen für mich sichtbar. Dann kam der grosse Regen, und die Wassermassen zerstörten sie.
Ein Spiel, ohne traurig zu werden, wenn es aus ist.
Hinweise
Infos zur 1. Landesausstellung 1883:
http://www.g26.ch/berninfo_landesausstellung_01.html
Homepage Ueli Grass:
http://www.zigeuner-schweiz.ch/uebersicht.htm
Rotach-Häuser:
http://www.propatria.ch/bibliothek-deutsch/aktuell/rotach_zuerich.htm
Platzspitz:
http://www3.stzh.ch/internet/gsz/home/naturraeume/parkanlagen/highlights/platzspitz.html
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