Ein sehr gefährlicher Sturm, ein sehr gefährlicher Präsident
Autor: Walter Hess
„Dies ist ein sehr gefährlicher Sturm.“ Also sprach der grosse US-Präsident George W. Bush zu seinem Volk am Montag, 29. August 2005, mit zum Bush-Gruss ausgestrecktem, erhobenem Arm, als der Hurrikan „Katrina“ im Raume New Orleans zu wüten begann (vor allem betroffene Bundesstaaten: Louisiana, Mississippi und Alabama). Und Bush ist ein noch viel gefährlicherer Präsident, ist man beizufügen genötigt. In seiner grenzenlosen Einfalt und Einsichtslosigkeit torpediert er seit Jahren vernünftige klimapolitische Massnahmen, unterzeichnete das Kyoto-Protokoll bis heute nicht – und beim weltweiten stupiden amerika-hörigen Mitläufer- und Nachahmertum hat das katastrophale, globalisierte Folgen. Der Naturschutz wird vernachlässigt; er wird zur unbeachteten Grösse.
Man könnte sich im Prinzip freuen, wenn es wenigstens die mit meilenweitem Abstand allergrösste Energieverschwender-Nation trifft und nicht irgend welche karibischen Armutsgebiete, die heuer unter einer überdurchschnittlichen Hitze litten. Man dürfte dann vielleicht auf eine langsam erwachende Einsicht hoffen. Eine Diskussion über die Zusammenhänge zwischen Kohlendioxidproduktion durch die Erdölverheizung und Klima hat dort wegen des tiefen US-Bildungsstands allerdings noch immer nicht begonnen, höchstens in kleinen elitären Kreisen.
Aber Schadenfreude kommt nicht auf: Die Wohlhabenden konnten in ihren Benzin fressenden Riesenkarossen flüchten. Den Armen war es unmöglich, sich eine Flucht zu leisten. Und ausgerechnet New Orleans führt die US-Armutsstatistik an – eine traurige Number One. Über ein Drittel der Menschen sind dort bettelarm. Wer da aus existenzieller Not plündert, für den muss man Verständnis haben.
Dann brachen noch Dämme an 2 Stellen, wohl eine Folge der in den USA üblichen Schlampereien; Millionen Liter von Wasser fluteten aus dem See Pontchartrain durch die Strassen der armen tief unten liegenden Stadt New Orleans. Das ist die eigentliche Katastrophe, auf die zuerst einmal überhaupt nicht reagiert wurde; Massnahmen für solche folgenschweren Brüche schienen nicht geplant zu sein. Unglaublich. Es schien, als wolle man die arme Stadt ertrinken lassen.
Auch Ölplattformen und petrochemische Anlagen erfuhren via „Katrina“ die Wirkungen sozusagen ihres eigenen Tuns ... Sie waren offenbar liederlich gesichert, verschwanden einfach. Den damit verbundenen Umweltverseuchungen kann man nur mit jenem Entsetzen begegnen, das wir uns für die ständigen Ölkatastrophen inzwischen antrainiert haben. Dazu passt die schmutzige „Ölfleckenstrategie“, welche die USA in Bezug auf den Irak diskutieren: Ausgesuchte Gebiete (mit Erdölvorkommen) zu sichern, mit Geld vollzupumpen und in militärisch sichere Wohlstandszonen umzuwandeln, die sich dann wie die Ölflecken (im Wasser bei New Orleans) ausbreiten – diesmal aber im Erdölland Irak. Diese bezeichnende Okkupations- und Plünderungsstrategie stammt von Andrew Krepinevic, US-Oberstleutnant und Verfasser der Buchs „Die Armee und Vietnam“. Er weiss seit Vietnam, wie man einen Krieg gegen eine Bevölkerung, die für ihre Heimat kämpft, verliert.
Als sich die Ölflecken im Golf von Mexiko ausweiteten, versprach Bush eine grosszügige Hilfe an die in jeder Beziehung Zurückgebliebenen, an jene also, die nicht ertrunken oder im Hurrikan umgekommen sind – Hilfe, wahrscheinlich vor allem in Form von Gebeten verbalem Mitgefühl. Das Geld braucht er ja für Erdöleroberungskriege im Nahen Osten und zur weiteren militärischen Aufrüstung (laut „Die Welt“ vom 31. 8. 2005 fliegen die USA im Irak gerade wieder heftige Angriffe). Und bisher wurde den Menschen in den Slums ja auch nicht geholfen.
Wenn noch ein Beweis nötig gewesen wäre, „Katrina“ hätte ihn geliefert: Es gibt keine Gerechtigkeit (Justice), welche die grossmaulige US-Kriegsherren immer mit sich führen. Umweltkriminelle werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Warum eigentlich nicht? Sind sie edler als Kriegsverbrecher (manchmal sind die Übergänge fliessend)? Aber auch bei diesen funktioniert die Justice nicht, wenn sie bloss auf der richtigen Seite (im Lager der Guten) stehen und von dort aus ihre Untaten und Raubzüge aushecken.
Die Vermutung wird allmählich zur Tatsache: Die Naturkatastrophen nehmen zu; vor wenigen Tagen war die Schweiz dran. Wahrscheinlich war dies alles nur der Anfang. Ich würde den nächsten Hurrikan „Georgette“ nennen. Inzwischen sollte Bush sein demonstratives Beten einstellen, seine Erdölgeschäfte vergessen und stattdessen für eine vernünftige Klimapolitik sorgen. Damit wäre den Menschen mehr geholfen. Und dann hätten die Mitläufer im Schatten rabenschwarzer Gewitterwolken kein Vorbild mehr, hinter dem sie sich elegant verstecken können, wenn ihnen neoliberale Geschäfte weit vor dem Schutz unseres Lebensraums kommen.
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