Textatelier
BLOG vom: 04.09.2005

Bitte verirren Sie sich nicht: Unterwegs zur Lebensfreude

Autor: Emil Baschnonga

Das kann ein langer und steiniger Weg sein, wie ich oft selbst erfahre: Sorgen sind vonnöten, damit wir sie zur Lebensfreude umkrempeln und ihre Falten glätten.

Hier lasse ich die grossen Sorgen, den tiefen Kummer und die Schmerzensqualen beiseite, denn dagegen vermag ich wenig. Auch beabsichtige ich kein Traktat zu schreiben – einfach einige Kunstgriffe, die mir immer wieder helfen, erwähne ich hier. Diese müssen geübt werden wie ein Instrument oder ein Handwerk. Absichtlich halte ich mich in diesem Blog soweit als möglich abseits aller Philosophie, so sehr ich auch − ganz besonders jener von Arthur Schopenhauer −zugetan bin.

Ein Kniff ist, die Sorgen zu Hause zu lassen. Auf der Fahrt ins Grüne über den Sonntag sollten wir sie, die Sorgen, nicht mitschleppen. Als Kind sorgte ich mich bei solchen Ausflügen wegen der immer wieder aufgeschobenen Hausaufgaben, die am Montag fällig waren … Noch immer schiebe ich unangenehme Dinge gerne auf die lange Bank. Aber diese ist inzwischen um etliches kürzer geworden. Ich erledige sie nicht mehr so knapp vor Torschluss. Manchmal gehe ich sie etappenweise an, obschon es mir am wohlsten ist, wenn ich mich auf Anhieb von ihnen befreie.

Sind Sie glücklich? Diese Frage stellt man sich lieber nicht, einfach weil wir immer etwas finden, das unser Glück schmälert. Im Englischen haben wir 2 Wörter für Glück: ,happy’ und ‚lucky’. Also muss man auch eine Dosis Glück haben, um glücklich zu sein. Das Glück aber lässt sich nicht erzwingen. Ein König verlor seine Glücksperle: Weder die Weisen noch die Sucher mit Wünschelruten fanden sie. Ein absichtsloser Wanderer entdeckte sie.

Von der Kunst, Kleinigkeiten zu schätzen. Selbst eine halbe Stunde Musse steigert unser Glücksempfinden: Sie ist eine Atempause unterwegs zur Lebensfreude. 3 Tage ununterbrochene Musse bescheren uns Langeweile, verbunden mit wachsendem Verdruss.

Dem Schicksal geringe Angriffsfläche bieten oder die Kunst, sich zu bescheiden. Das gelingt teilweise, indem man Erwartungen und Ansprüche klein schraubt. Mässiger Wohlstand ist bekömmlicher als Schätze anzuhäufen, die man kaum geniessen kann und die Diebe und Neider herbeilocken. Lieber trinke ich aus einer gewöhnlichen Tasse als aus einer zierlichen und leicht zerbrechlichen Porzellantasse – ausser bei festlichen Anlässen. Nichts stumpft die Gaumenfreude mehr ab, als tagtäglich Schlemmergerichte in sich zu stopfen. Ein knackiger Apfel, eine Handvoll Walderdbeeren sind dem Hummer ebenbürtig. Jemand aus dem Textatelier hat mir den Mund wässerig gemacht mit der Beschreibung einer Käseschnitte, aus Bauernbrot gebacken, das zuvor in Weisswein getunkt wurde.

Es ist ein Unglück, nie Unglück zu haben. Damit meine ich die vielen kleinen Übel oder Widerwärtigkeiten, die es braucht, um das Glück zu schätzen. Ein bisschen darben zu müssen, erweckt die Lebensgeister. Als Bursche machte ich mit einem Freund einen Ausflug, irgendwo im südlichen Schwarzwald. Es dunkelte schon, als wir den Hang hoch kraxelten, abseits der Pfade. Der Steilhang nahm kein Ende. Ich kriegte Blasen in meinem ungeeigneten Schuhwerk. Ein feuchter Nebel verschleierte die Sicht. Endlich sahen wir einen Lichtschimmer und erreichten die Kuppe und das Gasthaus. Wir waren erleichtert und wunschlos glücklich. Wunschlos glücklich? Nicht für lange. „Ein jeder Wunsch“, sagte Wilhelm Busch, „wenn er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge.“

Zufluchtsstätte zur Lebensfreude. Zu diesen gehören gewiss Natur, Kunst und Wissenschaft, in denen wir uns abseits und abgelöst von uns selbst tummeln können. Immer wieder erweist sich die Heilkraft der Natur – „die Diätetik der Seele“ (gemäss Ernst Freiherr von Feuchtersleben) – als eine bekömmliche Zufluchtsstätte. Ich selbst fühle mich am engsten mit der Kunst verbunden, da ich von der Wissenschaft wenig weiss und verstehe.

Aber es gibt eine Unmenge anderer Zufluchtsstätten, die allen zugänglich sind, worunter Hunderte von Liebhabereien und Steckenpferden, Sammlerfreuden, Reisen. Sie verhelfen besonders jenen, die vom Beruf arg eingespannt sind, zur Lebensfreude.

Ach ja, ehe ich es vergesse, gehört auch erholsamer Schlaf zu ihnen. Also denn: „Guet Nacht!“

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