Abschied vom Londoner Routemaster
Autor: Emil Baschnonga
In diesem Jahr 2005 wird ein Londoner Veteran aus dem Verkehr entlassen: Der rote Doppeldecker. Eine Buslinie um die andere wird mit klobigen Vehikeln bestückt, die schwerfällig im Verkehrsgewühl stecken bleiben. In die neuen langgestreckten Bungalows, mobilen Kleiderschränken, kann man weder auf- noch aus ihnen abspringen. In diesen Blindschleichen ist der Spass futsch. Bis zu 140 Passagiere können in die Ungetüme eingeschleust werden – 60 mehr als im so menschenfreundlichen Routemaster.
Der Routemaster wurde 1956 eingeführt. Mitte 1990 zirkulierten 600 Routemasters in London. Ehe das „Pole Dancing“ aufkam konnte der Fahrgast an der Stange üben, bis ihn der Clippie (Kondukteur) ermahnte, von der offenen Veranda ins Gehäuse zu gehen.
Im Routemaster wurde der Passagier noch als Gast behandelt und vom Clippie bedient. Das rasselnde Geräusch, wie er den Fahrschein aus seinem vorgehängten Aluminium-Apparätchen kurbelte, ist mir ein unvergessliches Londoner Geräusch geblieben. Manche waren Spassvögel, die ihr wechselndes Publikum unterhielten und erst noch alten Damen, Müttern und Behinderten beim Ein- und Aussteigen halfen.
Dank des Routemasters gelang mir oft der Spurt, einen abfahrenden Bus im allerletzten Augenblick an der Haltestange zu erwischen, oder ihn bis zur nächsten Rotampel nachjagend zu kapern.
Natürlich hatte die Routemasters eine Unart: Entweder folgten sie einander zu dritt oder zu viert, oder man musste sich geduldig in die Warteschlange einreihen. Heute steht man gottverlassen an der Haltestelle und wartet eine Seligkeit auf den nächsten Bus.
Am besten lernte ich London von der erhöhten Warte der Vordersitze im Oberdeck kennen. Der Bus schaukelt, hüpft auf und ab, scheint bei scharfen Ecken umzukippen. Ich halte mich an der querliegenden Haltestange unter dem Panoramafenster und geniesse die Fahrt. Der Buschauffeur hat es aufs Auto vor ihm abgesehen. Hat er es verschluckt? Ich beuge mich vor und bin wieder beruhigt.
Es war ein Samstag im Frühling 1963, als ich meine erste Busfahrt auf der Nummer 14 Richtung Piccadilly Circus unternahm. Auf der gewundenen Treppe stieg ich hoch. Und wen traf ich dort? Ausgerechnet das nette Mädchen und ihre 2 Brüder, die ich auf der Fähre von Ostende nach Dover am Vortag kennen gelernt hatte. Schwerbeladen, wie ich war, hatte sie meinen Geigenkasten beim Umsteigen von der Fähre durch den Zoll bis zum Zug getragen. Gemeinsam besichtitgen wir an jenem Tag vergnügt das Wachsfigurenkabinett und durchwanderten den Hyde Park zur Bootsfahrt auf der Serpentine.
Die Londoner geben den Kampf um ihren Routemaster nicht auf. Wer sie dabei unterstützen möchte, melde sich beim http://www.savetheroutemaster.moonfruit.comHinweis auf weitere Blogs von Lang Günther
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