Streiche von damals: Die Würze des Schülerlebens (I)
Autor: Heinz Scholz
Wer kennt ihn nicht, den mit Klebstoff bestrichenen Stuhl für den Lehrer? In einer Schule in Schopfheim D wollten Schüler just diesen Streich mit ihrem Pädagogen spielen. Sie wussten, dass dies sehr schwierig war, da sich dieser während des Unterrichts nur äusserst selten hinsetzte. Sie versuchten es trotzdem. Sie bestrichen den Stuhl mit Klebstoff und warteten geduldig. Die Geduld wurde belohnt, der Lehrer kam und setzte sich sofort auf den Stuhl. Er bemerkte die Bescherung natürlich, als er wieder aufstehen wollte. „Heute bleibe ich sitzen“, meinte der Pädagoge und fuhr fort: „Ich habe Rückenschmerzen.“
Auch ich erinnerte mich noch an Schulstreiche. So wurde einmal der Stuhl des Lehrers mit Wasser benetzt. Der Pädagoge, ein wohl etwas unempfindlicher Zeitgenosse, bemerkte dies nicht. Er lief jedoch mit einem grossen feuchten Flecken auf seinem Hinterteil herum. Es sah aus, als habe er in die Hosen gemacht. Ein anderes Mal platzierte ein Schulkamerad einen Reissnagel auf des Lehrers Stuhl. Soweit ich mich erinnern konnte, sprang er wie von der Tarantel gestochen auf und verhängte eine Strafarbeit für alle, da sich der Übeltäter nicht meldete.
In der Maikäfer-Zeit brachten wir oft Maikäfer in einer Zigarettenschachtel in die Schule mit. Dann ärgerten wir die Mädchen, indem wir die Käfer auf ihre Kleider platzierten. Die Käfer krabbelten nach oben in die Kleiderausschnitte und verursachten ein Kribbeln. Die ahnungslosen Mädchen schrieen vor Schreck auf. Ein anderes Mal brachte ein Kamerad Niespulver mit, das er dann ausstreute. Die Folge war, dass wir alle herzhaft niesen mussten – und das nicht nur einmal. Auch der ahnungslose Lehrer schloss sich unserer Nieserei an.
Auch das Juckpulver wurde fleissig benutzt. Wiederum mussten die armen Mädchen daran glauben, die dann um die Wette kratzten.
Als ich meinem 5-jährigen Enkel von dem Reissnagelstreich erzählte, hatte er nichts anderes im Sinn als einen Reissnagel auf den Bürostuhl seines Vaters zu legen. Der Vater war jedoch nicht so unvorsichtig und vertrauensvoll wie der Lehrer. Er bemerkte den spitzen Gegenstand, bevor er sich hineinsetzte. Nun ist der Knabe dabei, selber Streiche auszuhecken. Erst vor wenigen Tagen drehte der das Wasser im WC ab, dann stellte er den Wecker zur nachtschlafenen Zeit. Nun möchte er als Nächstes einen Gegenstand unter dem Kopfkissen seiner Mutter verstecken.
Als ich kürzlich am Computer vom Stuhl aufstand, zog er mir den Stuhl weg. Ich konnte mich gerade noch abfangen, sonst wäre ich hart auf dem Boden gelandet. Nun lag es an mir, ihm klar zu machen, dass er niemals bei Streichen einen anderen weh tun soll oder Sachen beschädigen darf.
Aber nun zurück zu den Schulstreichen.
Lehrerin jagte Schülerin
Eine Schülerin der Schopfheimer Hauptschule fand die Handarbeitsstunde langweilig. Sie nahm anstelle von Nadel und Faden lieber ein Lineal, eine Schnur und ein Stück Papier. Daraus fertigte sie eine Angel und spielte Fische-Fangen. Wutentbrannt rannte die Lehrerin mit einem Lineal auf die Schülerin zu. Diese ergriff die Flucht und fegte zwischen den Bänken durchs Klassenzimmer, die Lehrerin immer hinterher. Das Mädchen war jedoch unheimlich flink; die Lehrerin konnte sie nicht einholen. Bald geriet die Lehrerin ausser Puste und liess sich am Pult erschöpft nieder. Kurz darauf beendete die Schülerin ihren Spurt, sank auf einen Stuhl nieder und meinte: „Gott sei Dank, lange hätte ich auch nicht mehr durchgehalten.“
Papierflieger traf Lehrerin
In der Knabenmittelschule (entsprechend einer Realschule) in Donauwörth (Bayern) packte mich seinerzeit der Schalk. Ich wollte den langweiligen Unterricht einer unbeliebten Lehrerin etwas aufmotzen. Ich faltete einen Papierflieger und liess ihn in Richtung Lehrerin fliegen. Unglücklicherweise traf der Flieger den Rücken der Pädagogin. Wutentbrannt drehte sie sich um und schrie: „Wer war das?“ Keiner meldete sich, und eine Petzerei war uns fremd. Dann wurden wir alle zu einer Strafarbeit verdonnert.
„Der Knabe im Moor“
Mein Wanderfreund Toni konnte in der Schule hervorragend Gedichte vortragen. „Jedesmal bekam der Lehrer feuchte Augen“, erzählte er. Die Mitschüler waren ebenfalls ergriffen. Als er die Ballade „Der Knabe im Moor“ von Anette Freiin von Droste-Hülshoff (1797–1848) vortrug, war es nicht anders. Die Zuhörer lauschten, waren so in Gedanken versunken, dass sie einen gravierenden Versprecher nicht bemerkten. Anstelle von „...bringt mir den Hochzeitsheller...“, sagte er, „bringt mir den Hochzeitsteller...“.
Den Liebesbrief durfte die Lehrerin nicht lesen
Die folgende Geschichte habe ich selbst erlebt: In der Grundschule in Buchdorf (Bayern) verliebte sich ein Jüngling in eine schöne Maid. Während des Unterrichts schrieb der Romeo einen Liebesbrief. Sein Tun blieb nicht unbemerkt. Die Lehrerin beobachtete den Burschen schon seit einiger Zeit. Sie schlich sich heran und verlangte den Zettel. Der ertappte Sünder wurde gehörig verlegen. Aber was tun, dachte sich der Junge, denn die Lehrerin sollte diesen Brief auf keinen Fall bekommen. Da hatte er eine glorreiche Idee. Er nahm den Zettel, steckte ihn in den Mund und verspeiste ihn. Die Lehrerin war so verdattert, dass sie den Jüngling nicht bestrafte und ihm nur eine Rüge erteilte.
Er heizte, bis der Ofen glühte
Anfang der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts standen in den Klassenzimmern noch Kohleöfen. Schon vor Unterrichtsbeginn musste ein Schüler Feuer machen und Kohlen nachlegen. Eines Tages hatte ein witziger Schulkollege von mir Dienst. Er feuerte so viel Kohle nach, dass die Herdplatte und das Ofenrohr zu glühen anfingen. Es wurde mächtig warm im Klassenzimmer. Er wollte, dass der Lehrer gehörig ins Schwitzen kommen sollte. Aber wir machten die Rechnung ohne den Wirt. Der Lehrer tat so, als bemerkte er nichts. Er liess uns in der Hitze schmoren. Kein Fenster durfte geöffnet werden.
Chef einer unmöglichen Klasse
Vor Unterrichtsbeginn hat man immer viel zu erzählen. Das ging uns früher genauso wie den heutigen Schülern. Die Mutter von einem Schüler erzählte mir folgende Begebenheit, die ich in meine Anekdotensammlung einreihte:
In der Klasse der 4 b der Grundschule Schopfheim ging es an einem Tag besonders laut zu. Der Klassenlehrer hörte den Lärm schon im Treppenhaus. Als er in das Klassenzimmer trat, legte er los: „Ihr seid eine unmögliche Klasse, der lauteste Verein in der ganzen Firma!“ Darauf antwortete ein Junge: „Und wer ist der Chef?“ Ein anderer machte die Bemerkung: „Ich kündige!“
Verfärbte bigotte Frauen
Frau Karin Greiner, eine Nachbarin, erzählte mir einen besonderen Streich. Schüler der Grundschule in Schopfheim beobachteten immer wieder, wie bigotte, ältere Frauen am Morgen in die gegenüber liegende katholische Kirche strömten. Eines Tages schütteten sie eine Portion Tinte in das Weihwasserbecken. Die Kirchgängerinnen tauchten beim Betreten und Verlassen der Kirche ihre Finger in das Becken und bekreuzigten sich. Mit blau verschmierten Gesichtern machten sie sich auf den Heimweg. Vielleicht haben sie erst zu Hause ihr verunstaltetes Antlitz entdeckt.
„Getauft“ im Brunnen
Karin Greiner hat einen 2 Jahre jüngeren Bruder. In der Schule in Schopfheim beschützte sie ihn auf ihre Weise. Als nämlich ein grösserer Schüler ihn immer piesackte, lauerte sie dem Burschen in der Altstadt hinter einem Brunnen auf. Als er vorbeiging, sprang sie aus dem Versteck und tauchte ihn mit dem Kopf ins Wasser. Dabei flog der Schulranzen über seinen Kopf ins Wasser. Die Bücher und Hefte wurden pitschnass. Das hatte Folgen. Am Nachmittag kam der Vater des „Getauften“ zu den Eltern der Übeltäterin und beschwerte sich. Danach bekam die Beschützerin ihres Bruders von der Mutter einige gewaltige Hiebe aufs Hinterteil.
Nach der Mutprobe gab es Hiebe
Ein anderes Mal sollte ein Mädchen in eine Gruppe aufgenommen werden. Karin veranlasste eine besonders eklige Mutprobe. Die Neue musste einen Regenwurm verschlingen. Auch hier kam die Geschichte den Eltern der neu Aufgenommenen zu Ohren. Dann sauste der Vater zur Mutter der Unerschrockenen und sagte: „Wie kommt Ihre Tochter eigentlich dazu, dass meine Tochter einen Regenwurm essen musste?“ Dann gab es wieder Hiebe, nicht etwa für den Beschwerdeführer, sondern für die ungezogene Tochter.
Als ich Frau Greiner fragte, ob ich ihren Namen nennen könnte, meinte sie: „Auf jeden Fall. Ich stehe zu meinen Schandtaten.“
Hinweis
In der nächsten Folge werden Sie Näheres von Streichen unserer Blogger erfahren.
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