Streiche von damals: Die Würze des Schülerlebens (II)
Autor: Heinz Scholz
Einige Blogger, die ich nach ihren Streichen befragte, konnten sich noch gut an die Streiche in der Schule oder auf dem Weg zur Schule erinnern. Hier eine kleine Auswahl:
Sali Tante Frieda!
Rita Lorenzetti aus Zürich: Meine Freundinnen und ich machten uns einen Spass daraus, fremde Leute ganz herzlich anzusprechen, sie zu duzen und den Eindruck zu vermitteln, dass wir uns doch kennen würden. Wir grüssten z. B. mit „Sali Tante Frieda!“ oder ähnlich, obschon keine Verbindung zur echten Tante Frieda bestand. Wir hängten uns bei der betreffenden Person einfach ein und spielten einen Ernst vor, der die betreffenden Personen verwirrte.
Für den Weg in die Sekundarschule (in die Innenstadt) benützten meine Freundin und ich die Eisenbahn (1 Station von Zürich-Wipkingen zum Hauptbahnhof). Auf dem Heimweg holten wir im WC Toilettenpapier und klemmten Stücke davon in die Fenster. So fuhr der Zug öfters auf diese Weise beflaggt nach Oerlikon. Wir wurden nie erwischt.
Lob für den Verkäufer
Rita Lorenzetti: In der Migros-Filiale nahe beim Bahnhof Wipkingen arbeitete ein junger Verkäufer, der uns gut gefiel. So schrieben wir einmal einen Brief an die Filialleitung, in dem wir diesen jungen Mann lobten. Im Geschäft hing eben ein Briefkasten für „Wünsche und Anregungen“. Ich schrieb den Brief, und meine Freundin rüttelte immer am Tischblatt, damit die Schrift wacklig wurde. Ich schrieb nämlich, ich sei eine betagte Kundin, und dieser junge Mann erfreue mit seiner Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit mein Herz in diesen alten Tagen so sehr, dass ich es begrüssen würde, wenn dieser vermehrt an der Kasse tätig sein dürfte. Wir konnten nie herausfinden, ob wir beide mit diesem Brief in Verbindung gebracht worden sind. Wir hatten nur das Gefühl, dass der Mann noch mehr schmunzelte, wenn er uns sah.
Eine Mitschülerin, deren Vater Clown war, besass ebenfalls ein komödiantisches Naturell. Mit ihr besuchten wir 2 Mal eine kleine Zoohandlung, wo wir Kanarienvögel kaufen wollten. Diese Mitschülerin konnte so gut schauspielern, dass der Verkäufer anfänglich glaubte, dass wir wirklich Kundinnen wären. Sie liess sich alles zeigen, baute herzzerbrechende Szenen auf, spielte Mitleid, war von der Schönheit des Vogels bezaubert, beklagte die kleinen Käfige usw.
Als wir ein andermal erschienen, rannte uns der Besitzer der Zoohandlung mit einem erhobenen Besen durch die Altstadtgasse nach.
Mein Mann Primo weiss noch, dass ein Mitschüler einen Limburger-Käse (starkes Aroma) hinter der Wandtafel befestigte. Der Geruch entfaltete sich nach einigen Tagen nach Wunsch der Schüler und konnte durch normales Lüften nicht eliminiert werden.
Die Buben aus der Klasse von Primo wollten oberhalb der Eingangstür ein Gefäss mit Wasser befestigen. Dieses sollte sich entleeren, wenn der Lehrer hier durch käme. Es blieb aber beim Projekt.
So wurde der Lehrer überlistet
Rita Lorenzetti: Die Tochter wusste noch zu berichten, dass der Lehrer einmal überlistet worden sei, als eine Französisch-Prüfung anstand. Die neuen Wörter wurden auf Kartonkärtchen aufgeschrieben und oberhalb der Wandtafel, also leicht zurückversetzt und für den Lehrer nicht sichtbar, aufgehängt. Die Prüfung verlief tadellos. Der Lehrer soll sich gewundert haben.
Fazit: Wir gehörten zu jenen, die nicht den Lehrer angreifen, wohl aber das Schulleben etwas lustiger gestalten wollten.
Flugtag der Maikäfer in der Kirche
Emil Baschnonga schrieb mir aus London bezüglich Streiche: Ich habe mir damals einiges geleistet, worunter solche, die ich Deinem Enkel nicht empfehle. Fürs erste muss er ein Weilchen warten, am besten auf ein Flugjahr der Maikäfer.
Der Gang zur Kirche war mir beschwerlich. Unterwegs zur Messe sammelte ich Maikäfer und versorgte sie säuberlich in mein Taschentuch. Ich wollte sie nach der Messe zu Hause in eine Schuhschachtel kribbeln lassen.
Dies war wirklich ein unbeabsichtigter Streich. Mitten in der Messe krabbelten die Maikäfer allesamt aus meiner Hosentasche, und einer nach dem anderen begann in der Kirche herumzuschwirren, als der Pfarrer auf der Kanzel predigte. Zuerst war ich sehr verlegen, bis ich sah, welchen Spektakel sie anrichteten. Dann hatte ich meinen Spass, wie die ganze Kongregation die Köpfe nach den Maikäfern verdrehte und viele Gläubige ihr Lachen nicht länger unterdrücken konnten. Der Pfarrer, wiewohl ebenfalls abgelenkt, liess von seiner Predigt nicht ab ... Ich kam heiter und ungeschoren davon. Der Vorfall spielte sich in der St.-Antonius-Kirche in Basel ab.
Für den 2. Streich muss Dein Enkel noch länger warten. Er hängt wiederum mit der Kirche zusammen:
Als angehende Konfirmanden mussten wir unseren Kirchgang in einem Heft beim Eingang eintragen. Das missbehagte mir sehr. Denn ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, statt der Kirche den Botanischen Garten aufzusuchen, wo es mir ganz besonders zwischen den Kaktussen im warmen „Treibhaus“ behagte, besonders bei schlechtem Wetter. Ich konnte einen meiner Kameraden dazu bewegen, genauer: bestechen, meinen Namen in der Präsensliste einzutragen.
Das ist zwar ein zahmer, doch äusserst nützlicher Streich, der meiner Botanik zugute kam.
Soweit der Bericht aus London, wo bekanntlich auch im öffentlichen Leben die Streiche und Kuriositäten noch nicht ausgestorben sind, wie wir von Emil Baschnonga immer wieder schmunzelnd erfahren dürfen.
Das lebendige Portemonnaie
In der Kindheit von Walter Hess im Toggenburg (Lichtensteig) war es üblich, ein altes Portemonnaie aufs Trottoir zu legen, an dem ein möglichst schwer zu entdeckender Faden angebracht war. Die Kinder versteckten sich dann zum Beispiel hinter einem Busch. Und wenn sich ein Passant nach dem Portemonnaie bückte, lief der Geldbeutel davon ... Da der Streich allzu oft angewandt wurde, kam es oft vor, dass ein Passant sich nichts anmerken liess, dann schnell aufs Portemonnaie trat – und dann war der Spass auf der anderen Seite.
Als die Knallerbsen flogen
Und noch ein Streich von mir, der mir beim Zusammenstellen dieser Erinnerungen in den Sinn kam: Mit 13 oder 14 Jahren hatte ich gerade die Liebe zur Botanik und Chemie entdeckt und machte so manche Streiche. Ich besorgte mir einige Brocken Kalziumkarbid (Verbindung zwischen Kalzium und Kohlenstoff). Diese steckte ich in eine Dose, füllte Wasser hinein, drückte den Deckel drauf und liess die Dose in der Wörnitz schwimmen. Zu jener Zeit wohnte ich in Harburg (Bayern), einem reizenden Städtchen an der Romantischen Strasse. Und die an unserem Haus vorbeifliessende Wörnitz eignete sich hervorragend für solche Experimente. Aus dem Chemieunterricht wusste ich, dass aus Kalziumkarbid (Kalziumazetylid) Kalklauge und Ethin (Acetylen) entstehen, und dabei wird durch den Druck der Deckel der Dose abgesprengt. Auch hier war dies der Fall. Nach einer kurzen Schwimmzeit der Dose gab es einen lauten Knall, und die nun geöffnete Dose flog einige Meter in die Luft.
Ein anderes Mal warf ich metallisches Natrium, das in Spiritus gelagert war, in den Fluss. Es gab eine mächtige Verpuffung (es entwickelte sich Natronlauge und Wasserstoff, der sich entzündete).
Aber damit noch nicht genug. Meine Experimentierfreudigkeit kannte keine Grenzen. So fabrizierte ich eines Tages Knallerbsen. Diese warf ich dann vom 2. Stock unseres Wohnhauses auf die mit Kopfsteinen gepflasterte Strasse. Auch hier gab es einen Knall, der jedoch glücklicherweise ohne Folgen blieb.
Damals konnte man sich noch so manchen Streich leisten. Heute würden experimentierfreudige und lernwillige Schüler von Nachbarn oder Passanten gnadenlos angezeigt werden.
Von solchen Streichen, die manchmal nicht über jeden Zweifel erhaben waren, darf ich meinem eigenen Enkel nichts erzählen. Aber ich konnte mich nicht zurückhalten und schilderte ihm die Knallerbsenepisode. Er strahlte übers ganze Gesicht, dann wollte er die Zusammensetzung einer solchen Knallerbse wissen. Die habe ich ihm wohlweislich nicht verraten.
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