Textatelier
BLOG vom: 08.01.2005

Wetter und Wettermädchen in England

Autor: Emil Baschnonga

Es macht einen Heidenspass, übers englische Wetter zu schimpfen, besonders wenn man im Trockenen sitzt, etwa im Pub bei einem Bier vor dem Kaminfeuer. Heute Freitagabend, 7. Januar 2005, regnet es in Nordengland heftig. Ein Brausewind herrscht in Südostengland und treibt graue, tief hängende Wolken (ohne Regen) hier über London, die am Tage noch von kurzen Sonnendurchblicken aufgelockert waren. Tagsüber war das Thermometer auf 13 °C geklettert, dank des Südwestwinds.

Die Engländer sind sich einig: Das Dreckwetter kommt vom Ausland her, ganz besonders von Nordfrankreich. Zugegeben: Die Depressionen über dem Atlantik haben schon einen gewissen Einfluss.

Im Fernsehen hat sich der Wetterbericht zur Kunstform entwickelt. Warum bloss sagen „Regen, gefolgt von kurzfristigen Aufhellungen“? Das entbehrte der Dramatik und entspräche nicht der Wetterdynamik. Besser man macht eine Komödie daraus: Die Wettermädchen stehen im Winter vermummt draussen, meistens unter einem aufgespannten Regenschirm, ganz der Unbill des Wetters preisgegeben (ähnlich wie im SF DRS die charmanten Wetterfeen Jolanda Eggenberger und Sandra Boner). Der englische Zuschauer sieht seine Mädchen am liebsten auf dem Flachdach einer Wetterstation oder an anderen exponierten Orten, eine Reality-Soap. Immerhin verdienen sie gut, und niemand braucht sie zu beklagen. Die englischen Wettermänner, sei hinzugefügt, bleiben warm im Studio und gestikulieren vor ihren Wetterkarten.

Im Winter ist die Nation arg verschnupft. Die Grippe treibt ihr Unwesen, vom heftigen Wind und den Wolken, die sich weit nach unten wagen, flächendeckend angetrieben. Das hilft den Viren aus Asien voran. Die Drogisten und Apotheker kommen zum Zug. Am liebsten werden Ärzte aufgesucht. Arbeitsdispensationen sind nach wie vor hoch beliebt. Es ist den Unentwegten zuzuschreiben, dass die ganze Nation, von ihnen angesteckt, hustet. Solches Pflichtbewusstsein ist höchst ungesund und gehört verboten.

Es muss gesagt sein, dass auch England das Doppelfenster und die Zentralheizung entdeckt hat. Aber es besteht noch immer ein gewaltiger Nachholbedarf. Es zieht noch immer viel zu viel kalte und feuchte Luft durch Tür- und Fensterritzen herein, und die Raumluft schlängelt sich durchs Dach davon. Tagtäglich, hauptsächlich abends um die Essenszeit, erhalte ich Anrufe von hartnäckigen Vertretern dieser nützlichen Einrichtungen des Schutzes vor Wettereinflüssen aus der Isolationsbranche. Am leichtesten werde ich sie mit dem Hinweis los, dass wir soeben in einen Neubau eingezogen seien.

Weil die Britischen Inseln da und dort jährlich um mehr als einen Zentimeter ins Meer absackt, muss der Thames Barrierals Schutzwall bald aufgestockt und verdoppelt werden. Auch die Küste wird vom Wetter arg zernagt und bröckelt ab. Die Versicherungen schrauben ihre Prämien hinauf und versichern bald nur noch Gebäude auf Hügeln.

Was aber sind die Wetteraussichten für dieses 2005? Eines ist sicher: Ab April wird sich das Wetter verbessern. Die Insel wird wieder grün, dank des Regens. Es folgt eine Hitzeperiode. Das Gras verdorrt und die Zierpflanzen verwelken. Kein Wasser darf dann mehr aus Gartenschläuchen fliessen. Der Engländer sehnt sich dann nach Regen. Sein Wunsch wird reichlich erfüllt. Es kommt zu Überschwemmungen.

Wenn der Engländer nur wüsste, wie es uns im Winter in der Schweiz ergeht! Regen oder Schnee bis in die Niederungen. Glatteis und saukalt. Sonne nur im Gebirge. Ich habe guten Grund, das englische Wetter zu loben, zumal dieses hier in London.

Statistisch belegbar: Das Wetter in England ist viel besser als sein Ruf.

Inzwischen warte ich auf einen ‚glimpse of sunshine’ – auf ein paar Sonnenstrahlen...

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