Textatelier
BLOG vom: 20.10.2005

USA: Wo Berufs-Abzocker auch Arzt-Bestecher ausnehmen

Autor: Walter Hess

Immer mehr Schweizer Unternehmen, die ihr Glück in den USA suchen, laufen voll in den Abzocker-Hammer hinein, ebenfalls eine Randerscheinung der neoliberalen Globalisierungsmanie, bei der es um Geschäftemachereien um jeden Preis geht – um die Beschaffung von Kapital, das Arbeit eliminiert, Arbeitsplätze liquidiert.

Laut glaubwürdigen Angaben von www.swissinfo.org haben Schweizer Firmen in den letzten 7 Jahren rund 10 Milliarden CHF in den USA für Rechtsstreitigkeiten, aussergerichtliche Vergleiche und Bussen herausgeworfen. Die dortigen Gerichte sind frei, bei der Ansetzung von Bussen ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Astronomische Zahlen kommen heraus. Das offizielle Amerika macht ohnehin in jeder Beziehung einen höchst geldgierigen Eindruck, und beim Beschaffen von Rohstoffen geht es über Leichen.

Das neueste Opfer der professionellen Abzocker ist der Genfer Biotechnologiek-Konzern Serono, der in den USA 704 Mio. USD (910 Mio. CHF) abliefern muss, laut dem geschäftstüchtigen US-Justizministerium „die drittgrösste Rückerstattung für Betrug im öffentlichen Gesundheitswesen“. Der nächste Rekord wird nicht lang auf sich warten lassen.

Verschiedene Pharmafirmen, die immer wieder Ärzte zu bestechen versuchen und es wenn immer möglich auch tun, die ferner Preisabsprachen treffen und am Schluss noch in endlose Prozesse wegen Medikamentenschäden hineinlaufen, sind für die unermüdlichen Bussenjäger ein Freiwild, dessen Ausweidung sich geradezu aufdrängt. Sulzer Medica kam wegen verunreinigter Implantate für Hüft- und Kniegelenke (Herstellungsland: USA) mit über 1 Milliarde CHF zur Kasse.

Auch andere Branchen werden in den USA um Milliarden erleichtert. Das hat selbst die ABB erfahren, die bereits über 3 Milliarden CHF an Asbestgeschädigte zahlen musste, weil sie 1990 damals unter Percy Barneviks Leitung die unverzeihliche Dummheit beging, für 1,6 Milliarden USD die US-amerikanische Firma Combustion Engineering (CE) zu erwerben, die bis in die 1970er-Jahre Heizkessel hergestellt hatte, in welche die „Wunderfaser“ Asbest eingebaut war – sie führte zu blauen Wundern. Barneviks ungestüme Fusions-Philosophie Richtung Untergang: „Mir sind 10 Entscheidungen lieber, von denen sich 3 als falsch erweisen, als Perfektion im Schneckentempo.“ Kurzfristiges Denken, wenn das überhaupt noch mit Denken zu tun hat. Die Schweizer Grossbank UBS ihrerseits musste den US-Schurken 120 Mio. CHF hinblättern, weil sie 2004 Dollarnoten-Transaktionen mit „Schurkenstaaten“ wie Libyen, Iran, Kuba und Jugoslawien abgewickelt hatte.

Zu den Hässlichkeiten des Neoliberalismus gehört das Serono-Vorgehen zweifellos. Das seit 1996 eingesetzte Wachstumshormon Serostim wurde bei Aids-Patienten gegen die Auszehrung eingesetzt. Da an Wachstumshormonen, die auch zur Nutztier-Aufblähung eingesetzt werden (auch menschliche Fleischlawinen entstehen daraus, wenn sie Hormonfleisch gegessen haben), in den USA keinerlei Mangel besteht, musste das überflüssig gewordene Serostim vor der Vergessenheit bewahrt werden. Ärzten wurden von Serono Luxusreisen und eine Konferenz im schönen Cannes offeriert. Sie mussten dann bloss das teure Medikament verschreiben ... Serono gab das zu. Und die unterwürfigen Patienten schlucken, was man ihnen zu schlucken empfiehlt.

In den USA sind weitere rund 150 Untersuchungen gegen Pharmafirmen im Gange. Es geht um die Methoden der Markteinführung, Verkaufsförderung und Vermarktung von Medikamenten. Das Fernsehen DRS mit seinen ständigen propagandistischen Medizinsendungen müsste in solche Untersuchungen einbezogen werden – aber bitte durch die einheimische Justiz.

Man mag sich aus Gründen der Patientensicherheit über juristische Aktivitäten gegen das schädigende Vollstopfen der Menschen mit Medikamenten aus Profitgründen freuen. Denn es gibt im medizinischen Bereich tatsächlich zu viel pekuniär motivierten Schabernack zulasten der Patienten, der unbedingt abgestellt werden muss. Anderseits ist es störend, dass sich damit ausgerechnet eine Nation masslos bereichern kann, die sich alles erlauben darf und auch erlaubt – und ihrerseits dabei ungeschoren davon kommt und sogar die Kriegskassen äufnen kann, um für neue Raubzüge bereit zu sein.

Hinweis auf weitere Blogs zu Medikamenten-Skandalen

05. 09. 2005: „Reaktionen auf Blogs (19): Pharmahörige Abwracker am Werk“

09. 08. 2005: „Reaktionen auf Blogs (16). Ärzte, die nicht heilen wollen“

31. 07. 2005: „Das süsse Milliardengeschäft mit den Zuckerkranken“

25. 07. 2005: „Nicht die Gewinne von Big Pharma sind unethisch ...“

05. 07. 2005: „Kranksein als Bürgerpflicht: Therapieren statt heilen“

02. 06. 2005: „Pfizer-Werbung: ‚Ein Fall für den Arzt’ und den Juristen“

10. 05. 2005: „Wie Pfizer das Lachen lehrt und gleich wieder vertreibt“

25. 04. 2005: „Flop auf Flop: Tierversuche als nutzlose Perpetua mobilia“

23. 04. 2005: „Tödliche Medikamente in Serie: Nach Bextra nun Trileptan“

09. 04. 2005: „Risiko-Vermarktung: Zuerst Vioxx, dann Celebrex“

25. 02. 2005: „Pralle Pipeline: Generika oder neue Medikamente?“

Hinweis auf weitere Blogs von Faber Elisabeth
Gebänderte Prachtlibelle
Neuntöter – ein Spießer unter den Vögeln
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Marienkäfer als Mittel gegen Läuse
Der Kleiber – ein Hausbesetzer
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