Sportreporter als Mundakrobaten: Kurios, furios und heiter
Autor: Heinz Scholz
Als kürzlich Eva und Walter Hess bei uns im schönen Südschwarzwald zu Gast waren, sagte Walter, ich solle doch einmal über Fussballerlebnisse berichten (er wusste, dass ich mir des Öfteren Fussballspiele im Fernsehen ansehe), weil der Sport im Blogatelier eher ein Schattendasein friste. Dies werde ich jetzt tun. Im 1. Teil nehme ich einmal die Sportberichterstatter unter die Lupe, und im 2. Teil bringe ich dann Erlebnisse aus meiner eigenen „fussballverrückten“ Zeit.
Dies vorneweg: In den 70er- und 80er-Jahren sammelte ich heitere und kuriose Sprüche, Schlagzeilen und lustige Berichte aus der Welt des Sports für die im Eigenverlag erschienene Broschüre „Reportersprüche“. Dieses Machwerk verkauften wir zugunsten der „Aktion Sorgenkind“ und der „Deutschen Sporthilfe“. Einige Sprüche werde ich daraus zitieren und auch auf neueste sprachakrobatische Äusserungen eingehen.
Die Rundfunk- und Fernsehreporter haben es, im Gegensatz zu den Kollegen der schreibenden Kunst, ungleich schwerer, denn sie müssen aus dem Stegreif sofort die richtigen Worte formulieren. Dabei gibt es zwangsläufig Versprecher und Wortschöpfungen, die noch nicht im Duden stehen. Aber auch in Zeitungsberichten entdeckte ich so manchen Lapsus. Dazu einige „Leckerbissen“ von früher:
Spieler pfiff Abseits!
Ein Reporter liess einen Spieler Abseits pfeifen, ein anderer erfand eine neue Krankheit, nämlich die „Netzeritis“ (benannt nach dem früher sehr erfolgreichen Nationalspieler Günther Netzer). Wieder ein anderer liess einen Italiener in der deutschen Nationalmannschaft mitspielen. Einer behauptete sogar bei einer Meisterschaft im Turmspringen, der Sportler X sei soeben Meister im Trampolinspringen geworden. Als „Kaiser“ Franz Beckenbauer quer in der Luft liegend klärte, meinte der Berichterstatter, dies wäre unkaiserlich.
In Zeitungsberichten sind so manche „Setzeier“, Stilblüten und erheiternde Ausdrücke zu finden. Ein Schreiber liess anstelle des Bundestrainers den Bundeskanzler das Training leiten. Man stelle sich vor, der (ehemalige) Deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (oder die Bundeskanzlerin Angela Merkel) leitet das Training der Nationalmannschaft, und der Trainer ordnet den Haushalt in Berlin. Vielleicht wäre der Tausch gar nicht so schlecht!
Ein „Setzei“ besonderer Art erntete grossen Lacherfolg. Ein Reporter empfahl vor einer wichtigen Begegnung, die Zuschauer sollten doch kräftig die Daumen drücken. Das „Setzfehlerteufelchen“ funkte dazwischen und machte aus Daumen Damen. Nun hatten die Zuschauer eine angenehme Drückerei vor sich.
Ein Journalist berichtete über einen Fussballkicker, der 3 Tage im selben Zimmer mit einem Stürmerstar schlief, Folgendes: „Dabei hat er das Toreschiessen gelernt.“ Was die so getrieben haben?
Ein Schreiber, der einen Bericht über den Wunderläufer Nurmi publizierte, liess ihn ohne Bewusstsein durchs Ziel laufen. Ein anderer wollte sogar einen Trainer für 1860 München in Oberammergau D schnitzen lassen.
Rodler in die Länge gezogen
Hier einige Höhepunkte aus der Berichterstattung:
„Er hat auf seine Frau geschossen, was auch in Amerika niemand ungestraft tut.“
(Aus einem Bericht über einen US-Boxer)
„Man hat die Köpfe der Rodler in die Länge gezogen, damit sie auf den Schlitten passen.“
(Aus einer Olympia-Reportage)
„Es steht unentwegt 0:0. Die Stadionbeleuchtung blendet die Torhüter manchmal, vor allem, wenn die Bälle von vorne kommen.“
(Aus einer Reportage vom Europacup-Finale Bayern–Leeds)
Ausspruch einer Hochspringerin: „Aber Hochsprung und Familie, das geht nicht. Da beneide ich die Männer. Die können alles gleichzeitig. Kinder kriegen und Rekorde springen.“
Prinzessin Anne und ihr Knie
„Schauen Sie mal auf die Beine von Prinzessin Anne! Immer sind die Knie da, wo sie hingehören.“
(Aus einer ZDF-Reportage über eine Reiterveranstaltung)
„Immer, wenn die Deutschen unbedingt gewinnen müssen, dann tun sies halt.“ Der bulgarische Kollege, der dies sagte, hat mit diesen paar Worten in eine Nussschale gepackt, was mit endlosen Sprachgirlanden durch Telefonmuscheln an Zeitungsredaktionen gepustet worden war.
„Er kann mit 3 Zehen am linken Fuss mehr als so manch anderer mit 2 Füssen.“
„Die Haitianer haben vorne nur einen.“
„Auf solche Chancen mussten die Polen warten, als sie mit 2 Bällen angriffen.“
„Nach der Pause wurde zu viel auf Sicherheit gespielt. Man hätte ruhig die Tore wegnehmen können, es wäre gar nicht aufgefallen.“
„Müller hat einen Pass von Beckenbauer zwischen den Füssen hängen.“
So wurde er klein: Scheibe um Scheibe abgeschnitten
„So habe ich mir das vorgestellt: Berti Vogts (ehemaliger deutscher Nationalspieler) schlug dem grossen Dzajic Scheibe um Scheibe ab, bis der genauso klein war wie Berti und schliesslich ganz verschwand.“
„Die Südamerikaner spielen ‚Valium-Fussball’ (heute wohl nicht mehr! Dafür oft die Deutsche Nationalmannschaft!). Zum Einschlafen. Aber das lernen sie ja schon im Training, wenn sie 3 Runden lang ausatmen und wieder nach Hause gehen.“
(Ausspruch eines Fussballtrainers)
„Und wieder Gadocha, der wie gesagt aus den Füssen von Berti Vogts kommen will ... Beckenbauer schaufelt zu Maier (dem früheren Nationaltorwart von D), damit er unterwegs nicht kleben bleibt.“
„Für Cruyff (ehemaliger holländischer Nationalspieler) braucht man nur einen Terrier (so wurde wegen seiner Verbissenheit Berti Vogts genannt). Der muss ihm aber bis auf den Lokus folgen.“
(Trainerausspruch)
„Er dreht Cruyff das Wasser ab, und alle Tulpen neigten die Köpfe.“
(„Tuttosport“ über Berti Vogts)
„Wenn sich die Jugoslawen jetzt hinten entblössen, werden es unsere schnellen Leute leichter haben.“
„Wir haben ein System, das so gut ist, dass ich es selbst nicht kenne.“
(Äusserung eines Präsidenten auf die Frage, welches Prämiensystem sein Verein bevorzugt)
„Ein Fussballspiel dauert 90 Minuten. Dabei entscheidet das eine oder andere Tor. Vor allem das andere.“
Beate Uhse des Fussballs
„Es ist einfacher, grosse Kerle beweglich zu machen, als kleine Kerle zum Wachsen zu bringen.“
(Der ehemalige Handball-Bundestrainer Vlado Stenzel auf die Frage, warum er nur Spieler ab 1,86 m Körpergrösse in der Nationalmannschaft einsetzte.)
„Ich komme mir vor wie die Beate Uhse des Fussballs. Viele lassen sich von mir helfen, aber keiner will es zugeben.“
(Ausspruch des Spielervermittlers, der seinerzeit Netzer zu Real Madrid vermittelte)
„Das gemischte Doppel ist schon mancher Ehe Grab geworden.“
(Peter von Zahn über Tennis)
„Bernd Hölzenbein (ehemaliger Nationalspieler) löst auf dem Rasen Fussballmathematik: Bahn und Geschwindigkeit des Balles multipliziert mit dem Lauf des Gegners und eigener Absicht unter Berücksichtigung des freien Raumes und der Position des Mitspielers. Ergebnis: Hölzenbein steht plötzlich im Schnittpunkt aller Kurven.“
(Karl Adolf Scherer im Sportinformationsdienst „sid“).
„Unser Medizinmann ist so fromm, dass er beim Duschen die Augen schliesst.“
(Sepp Maier über den ehemaligen ärztlichen Berater von Bayern München)
„Prinz Philipp erschien sehr sportlich: Offenes Hemd und ebensolche Hose.“
(Aus einer englischen Tageszeitung)
Sie sanken schluchzend auf ihre Bänke
„In der spanischen Kabine sanken die Spieler schluchzend auf ihre Bänke. Den Sieg vor Augen war ihnen Schwarzenbecks Ausgleichstor in letzter Minute wie ein Dolch ins Fleisch gefahren.“
(Aus einem Bericht über das Europacupspiel Bayern München gegen Atletico Madrid)
Nach 2 verpassten Chancen im Länderspiel Deutschland gegen Schweden (8.5.1975, 2:0) schrieb ein Reporter Folgendes: „ 2mal stand Müller so frei, dass die 55 000 Zuschauer Müller-gewohnt Tor schrieen, und der Schiedsrichter sich bereits zum Abstoss umgedreht hatte.“ Solche gute Chancen hatten ja die Schweizer am 12. Oktober 2005 im Länderspiel gegen Irland in Dublin, das Unentschieden endete. Die Stürmer „versiebten“ 100%ige Chancen.
Der „Daily Mirror“ über die Schwierigkeit den (ehemaligen) „Nationalbomber“ Gerd Müller zu stoppen: „Das ist so, als wollte man mit blossen Händen einen Autobus anhalten.“
Und noch etwas für Freunde des Pferdesports: „Wo ist ein Reiter mit Pferd, der fest im Sattel sitzt, mit beiden Füssen auf der Erde?“
(Anzeige aus einer Reiter-Zeitung)
Aus einer Reportage über ein Pferderennen in Hongkong: „Der aufgwirbelte Boden von den Hufen der Pferde kostet soviel wie ein Volkswagen.“
Und für Eishockeyfans: „Der Ausgleich fiel im 2. Drittel. Dem Torwart war entweder die Sicht verdeckt oder er war gedanklich ganz wo anders.“
(Bericht über ein Eishockeyspiel im Schweizer Fernsehen)
Aus einem Spielbericht über die Begegnung Bayern München gegen Fortuna Köln (12. 1. 1974). Reporter war damals der unvergessene und von mir sehr geschätzte Oskar Klose vom Bayerischen Rundfunk (Frau Klose gab mir 1983 spontan die Einwilligung zum Abdruck einiger Zitate ihres verstorbenen Manns):
„4 Tore haben die Bayern geschossen, eins die Münchner ...
Ich nehme diese Ecke nicht mehr mit, meine Zeit ist abgelaufen, ich gebe zurück ins Funkhaus.“
„Für den Bruchteil einer Sekunde hat er sein Schussvermögen aufleuchten lassen.“
(Schweizer TV-Kommentator berichtete über das Handball-Länderspiel Schweiz gegen Holland.)
„Das Tor wurde absichtlich verschoben. Hier hätte man 2 Minuten Strafzeit geben müssen. Der Schiedsrichter hatte offensichtlich die Augen auf der Scheibe.“
(Aus einem Bericht über ein Eishockeyspiel)
„Sieben Minuten vor Schluss – und das Stadium bleibt noch immer ausverkauft.“
„Den Jubel, meine verehrten Hörer, werden sie nicht mehr hören, denn das Spiel ist schon 12 Minuten aus.“
Und so könnte man weiter fortfahren. Auch aus neuerer Zeit gibt es immer wieder köstliche Versprecher und Bemerkungen. Hier einige Beispiele:
Schuss ins Glück
Als am 12. 10. 2005 die Deutsche Nationalmannschaft gegen China wiederum kein begeistertes Spiel zeigte, schaltete ich auf SF 2 um und verfolgte das rassige Spiel Nordirland gegen die Schweiz. Reporter war, wie immer, Bernard („Beni“) Thurnheer. Es war ein wichtiges Spiel, ging es doch um die Teilnahme der Schweizer an der Fussball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006. Als der Mittelstürmer Frei eine Riesenchance vergab, rief der Reporter aus: „Die wäre das Flugticket gewesen. Noch ist das Gate nicht geschlossen, noch kann man einchecken.“ Nach einer weiteren vergebenen Grosschance der Schweizer Kicker meinte Thurnheer: „Das hätte ein Schuss ins Glück werden können.“
Am 18. 10. 2005 kommentierte Erich Laaser das Europacupspiel Bayern München gegen Juventus Turin (2:1). Nach dem 2:0 wurde auch der Münchner Trainer Felix Magath gezeigt, der am Spielfeldrand seine Nase putzte. Bemerkung des Reporters: „Dem läuft die Nase vor Freude.“
„FC Friedlingen versohlt dem FC Wehr mit 5:2 den Hintern.“
(Der ehemalige Tabellenführer und Bezirksligist FC Wehr wurde vom FC Friedlingen überraschend geschlagen. Schlagzeile in der „Badischen Zeitung“ vom 29. 05. 2005.)
Ich hoffe, dass Ihnen beim Lesen dieser Aussprüche nicht die Nase lief, sondern dass Sie wieder einmal so richtig schmunzeln oder sogar lachen konnten. Dies war schliesslich meine Absicht.
Hinweis auf weitere Sport-Blogs
25. 08. 2005: „Der mit Bush radelte: Der Mythos Armstrong ist am Ende“
23. 05. 2005: „,Hopp Gigi Oeri!' Der Fussball und die nationale Identität"
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