BLOG vom: 11.11.2005
IQ und EI: Die Intelligenz, vom Herzen an aufwärts
Autor: Emil Baschnonga
Der IQ ist bei weitem nicht alles. Hinzu kommt die erlernbare „Emotional Intelligence (EI)“. Sehr oft wiegt diese eine geringere Intelligenz mehr als auf.
3 sehr unterschiedliche Naturen, ich selbst mit dabei, mussten im Jahre 1996 gemeinsam ein Projekt abwickeln. Wir trafen uns in Porrentruy im Jura zur 2. Arbeitssitzung. An der 1. Sitzung, irgendwo in Belgien, hatte ich bemerkt, dass wir die Aufgabe ganz unterschiedlich anpackten.
Einer war Chemiker. Seine Vorgehensweise war trocken wissenschaftlich. Seiner Denkwelt fehlte jeder Gefühlsanteil. Der andere Kollege konnte sich wütend wie eine Bulldogge in die Fachliteratur und Statistiken verbeissen. Fand er nicht, was er suchte, oder verstand er die Texte und Zahlen nicht ganz, konnte er impulsiv aufbrausen. Er hatte wirklich ein überschäumendes Temperament, das mich oft aus der Bahn warf. Ich selbst werde eher von der Intuition geleitet, wenn das Köpfchen nicht mehr will. Ich hatte den „Riecher“, dass der Projektfortschritt durch unsere gegensätzlichen Naturen gehemmt werden könnte.
Vor diesem 2. Treffen ist mir ein Buch in die Hände gefallen, 1996 unter dem Titel „Emotional Intelligence“ veröffentlicht und von Daniel Goleman geschrieben. Gern hätte ich ihn als Vierten ins Gespann aufgenommen, damit er unsere Gegensätzlichkeiten zum Vorteil des Projekts bereichere. Um es vorwegzunehmen. Wir fanden am Ende den Rank unter Zeitdruck.
Die IQ ist naturgegeben. Hingegen kann die EI – also die „einfühlsame Intelligenz“ – erlernt und geschult werden, besonders während der aufnahmefähigen Kindheit. Die mandelförmige Amygdala, wovon wir 2 im Hirn haben, regulieren unsere Emotionen und bestimmen, wie wir uns gegenüber Gefahren verhalten und auch, wie wir die Freude erfahren oder Ängste und Ärger beschwichtigen.
Der Mangel an EI verleitet uns zu Wutausbrüchen und zu Taten, die wir nachträglich bitter bereuen. Sie unterbindet unser Verständnis für die Gefühle anderer Menschen.
Heute genügt der kleinste Anlass, um die Leute in Rage zu versetzen, die blutig enden kann, etwa wegen eines geringfügigen Schnitzers im Strassenverkehr. Der Krawall hingegen, wie er sich gegenwärtig in Frankreich abspielt, brauchte einen stärkeren Anstoss und ist tiefgründiger.
Der Zuspruch „Mensch ärgere dich nicht“ verpufft wirkungslos, wenn sich in uns eine heillose Wut angestaut hat. Besser verschlucken wir den Ärger im Keim und gehen spazieren, bis er abflaut. So haben wir uns nachher nichts vorzuwerfen. Es gibt viele ähnliche bewährte Hausmittelchen gegen missliche Emotionen aller Art.
Das ist alles gut und recht, aber hilft den Kindern nichts, die von den Eltern bedroht oder missbraucht werden, die fortwährend Streit im Elternhaus miterleben müssen oder als „Schlüsselkinder“ – und jetzt auch mehr und mehr als „Scheidungskinder“ – vernachlässigt werden. Emotionell geschädigt, kommen viele Kinder auf Abwege: Der Weg zur Droge ist kurz, ihre Rachelust sucht Opfer, der Rassenhass entflammt.
Das kam früher alles auch vor, aber nie so gehäuft wie heute, wo die Grundwerte unserer Gesellschaft zerfallen. Nur mit viel Einfühlungsvermögen kann diesem Zerfall entgegen gesteuert werden.
„Bin ich froh“, schrieb gestern Donnerstag, 10. November 2005, Yasmin Alibhai-Brown, Kolumnist im Evening Standard, „dass ich in England und nicht in Frankreich gelandet bin.“ Gewiss ist auch England kein Paradebeispiel, doch die Integration von Leuten aus aller Welt ist möglich, wie geschichtlich nachweisbar. In Frankreich und auch Deutschland jedoch bleiben die „Türken“ (gleichbedeutend mit „fremdem Pack“), selbst in der 2. oder 3. Generation im Getto verlocht und werden nicht als vollwertige Bürger anerkannt.
Der hehre Slogan „Liberté, égalité, fraternité“ klingt schal und ausgehöhlt und umarmt nur jene, die mit Stammbaum und Geld ins Land kommen. Kein Wunder, dass die von der Gesellschaft Geächteten zu „rebels with a cause“ werden. Sie einfach wegwerfend als „Anarchisten“ abzutun, schürt die Misere zum Terror.
Wie klein und unbedeutend sich das eingangs erwähnte Projekt ausnimmt im Vergleich mit der Riesenaufgabe, um den von der Gesellschaft Vertriebenen eine echte Heimstätte zu bieten. Dazu braucht es viel Intelligenz, aus dem Herzen aufsteigend.
Hinweis auf Blogs zu den Unruhen in Frankreich
09. 11. 2005: „Globalisierungsaussicht: Brennt es nach Paris bald überall?“
07. 11. 2005: „Die Integration ist gescheitert: Elendsleben in Gettos“
Hinweis auf Blogs zum Thema Intelligenz
03. 09. 2005: „Weisse, schwarze, intelligente Schafe, nur keine dummen“
24. 03. 2005: „Flausen: Fragmente aus dem Lebensfrühling“
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