Textatelier
BLOG vom: 07.12.2005

Rebensaft kaputt gemacht: US-Industriewein für EU-Länder

Autor: Walter Hess, Biberstein
 
„Ein Tag der Trauer und des globalen Kulturzerfalls, ein Tag des Triumphes für die neoliberalen globalen Plattmacher“, schrieb treffend H. Hunzinger am 25. November 2005 in einem Leserkommentar zu einem Weblog der „Welt am Sonntag“ zu Ergebnissen des EU-US-Weinabkommens. Die Industrieweine aus dem Bush-Land sollen zukünftig in Europa ohne besondere Kennzeichnung verkauft werden können. Somit wurden die EU-Kommissare über den Tisch gezogen. Oder anders ausgedrückt: Die haben uns ein faules Ei ins Nest gelegt. Die amerikanische Weinindustrie frohlockt, können sie doch ihre Produktion erhöhen und ihre Produkte an die durstigen Europäer verkaufen.
 
Auch die Presse konnte sich mit Schlagzeilen nicht zurückhalten, in dem sie das Abkommen, das noch vor Weihnachten unterschrieben werden soll, entsprechend kommentierte. Hier eine kleine Auswahl: „USA Sieger im Weinstreit mit der EU“, „Badische Winzer im Globalisierungsstrudel“ (Untertitel), „Die Globalisierung des ‚Coca-Cola’-Geschmacks.“
 
Der kostengünstige US-Industrie-Wein hat mit den köstlichen Tropfen, die wir kennen, nichts mehr zu tun. Sehr verwunderlich ist für mich die Tatsache, warum die Europäer kuschten. Schon die US-Herstellungsmethoden sind bei uns verboten. Da wird bei der Fraktionierung der Wein in seine Bestandteile zerlegt und dann wieder zusammengemixt. Was dabei herauskommt ist ein Gesöff, das immer gleich schmeckt (man könnte von einer McDonaldisierung des Weins sprechen!).
 
Ferner sind in den USA Zutaten wie Aromen und Antischaummittel erlaubt, die bei uns noch kein Winzer in seinem Keller gesehen hat. Hat der US-Wein zu viel Alkohol, darf bis 35 % Wasser zugesetzt werden. Im alten Europa hat man früher Weinpanscher kräftig bestraft. Die damaligen Betrüger würden sich heute verwundert die Augen reiben, dass im Land der unbegrenzten „Unmöglichkeiten“ dies erlaubt ist. Auch wird zur „Weinverbesserung“ kräftig mit Zuckerwasser nachgeholfen. Zum Standardrepertoire in Übersee gehören auch Eichenholzchips, die dem Wein eine begehrte Holznote verleihen. Die Weine reifen nicht mehr in Eichenholzfässern, sondern in Stahltanks. Solche Chips-Weine aus den USA, Chile und Südafrika finden sich bereits in europäischen Supermarktregalen.
 
Am Freiburger Weinbauinstitut wird zurzeit das Verfahren getestet. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch bei uns die Herstellung von „Chip-Weinen“ erlaubt ist.
 
„Am Schluss ist der Schritt vom Weinmachen zum Coca-Cola-Herstellen nicht mehr weit“, prognostiziert Michael Prinz zu Salm-Salm, Präsident der Prädikatsweingüter Deutschlands (VDP) mit vollem Recht.
 
Der Präsident des Deutschen Weinbauverbands, Norbert Weber, meinte in dem Weblog der „Welt am Sonntag“ dazu: „Wir sind uns darin einig, dass die EU-Kommission schlecht verhandelt hat. Das geben führende Kommissionsbeamte sogar öffentlich zu. Das Abkommen würde dazu führen, dass es keine internationale Norm für Wein mehr gibt. Jedes Land könnte nach seinem Gusto bestimmen, was Wein ist und wie er hergestellt wird. Einer industriellen Produktion wird die Tür geöffnet ... Mit diesem Abkommen werden elementare Interessen der Konsumenten und Erzeuger mit Füssen getreten.“
 
Der Gipfel der Unverfrorenheit: Die Amerikaner wollen auf den Weinetiketten keine Hinweise auf die Produktionsweise angeben (die wissen genau, dass dann kein vernünftiger Mensch solchen Wein kaufen würde, vielleicht nur die umnebelten Bush-Freunde in Europa). Normalerweise müsste auf dem Etikett „Aromatisierter Wein“ stehen. Wer die Wünsche der Amerikaner nicht akzeptiert, der wird gnadenlos boykottiert. „Freien Welthandel gibt es dort, wo er dem Bush-Land nutzt“, schreibt Klaus Rütschlin im Tagesspiegel der „Badischen Zeitung“ vom 3. Dezember 2005. Wer nicht mitzieht, kann seinen Wein in den USA nicht verkaufen. Da werden Hemmnisse aufgebaut, dass den europäischen Winzern das Lachen vergeht. Das bürokratische Zertifizierungssystem für Weinimporte kommt dann gnadenlos zur Anwendung. Und das kann in jedem US-Bundesstaat anders sein.
 
Man stelle sich einmal Folgendes vor: Das Bush-Land würde unseren Qualitäts-Wein produzieren und die europäischen Winzer würden aromatisierten Wein dort absetzten wollen. Die hätten wohl kaum den Hauch einer Chance. „Dieses grauslige Zeug kommt nicht in meinen Einkaufskorb“, würde wohl so mancher US-Bürger denken (wenn sie noch nachdenken können). Sie würden ihren Wein als den besten der Welt ansehen.
 
Ich persönlich würde diesen Billigsaft niemals durch meine Kehle rinnen lassen. Ich bin überzeugt, dass sich der Verbraucher nicht vorschreiben lässt, woher er seinen Wein bezieht und was er trinken soll. Aber er muss sich im Klaren sein, dass Qualität seinen Preis hat. Das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern im besonderen Masse auch für den Wein.
 
Was jetzt mit dem Wein passiert, haben die Bierproduzenten schon hinter sich. Als nach einem Urteil vom 12. Mai 1987 europäische Biere mit Zusatzstoffen in Deutschland verkauft werden durften, schüttelten sich die Bierfreunde vor Entsetzen. Die Billigbiere hatten jedoch bei uns keine Chance. Die ausländischen Bierproduzenten fürchteten um ihre Umsätze. Und es geschah ein Wunder: Inzwischen brauen viele davon nach den Grundsätzen des deutschen Reinheitsgebotes (weitere Fakten dazu in meinem Buch „Richtig gut einkaufen“).
 
Ich bin überzeugt, dass der Verbraucher hierzulande mit den Kunstweinen (Coca-Cola-Weinen) wenig am Hut haben wird. Da müssen halt Bush und Co. ihre Industrie-Weine selber trinken. (Un-)Wohl bekomms!
 
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