BLOG vom: 13.12.2005
Rauchqualm über London, aber nicht mehr in den SBB
Autor: Walter Hess
Das vergangene Wochenende und der Wochenanfang standen im Zeichen des Rauchs, auch des Rauchens: Über Südostengland hing eine schwarze Rauchwolke, nachdem das riesige Treibstofflager bei Hemel Hempstead in der Nähe des Flughafens Luton in Brand geraten und explodiert war; es handelt sich um das fünftgrösste Treibstofflager von Grossbritannien (Inhalt: 16 Millionen Liter Benzin, Diesel und Kerosin). Die Leiterin des Gesundheitsamts der betroffenen Grafschaft Hertfordshire, Jane Halpin, sagte laut Medienberichten, der Rauch bestehe wahrscheinlich aus Kohlenmonoxid und Kohlendioxid ... Gesundheitliche Beeinträchtigungen grösseren Ausmasses seien nicht bekannt geworden. Die Rauchgase wurden von den britischen Behörden sogar als ungefährlich erklärt. Alles im Griff.
Da Kohlenmonoxid und Kohlendioxid aber farblose Gase sind, ist die Feststellung der Gesundheitsexpertin eindeutig unvollständig: Die intensive Schwarzfärbung der Luft stammt nicht von den genannten unsichtbaren Gasen, sondern vom Russ (englisch: soot), der bei einer unvollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen wie eben Erdöl-Derivaten entstehen kann, das heisst er bildet sich immer dann, wenn die Sauerstoffversorgung ungenügend ist. Und wenn riesige Mengen von Kerosin oder Benzin sozusagen schlag- oder explosionsartig in Flammen aufgehen, ist die Sauerstoffversorgung an Ort und Stelle selbstverständlich ungenügend. Und dieser Russ (C) habe ein krebsauslösendes Potenzial, sagt man ... vor allem, wenn es um Zigarettenrauch geht. Die Schweiz will die Feinstaubbelastung deutlich verbessern. Gestern ist das Protokoll von Göteborg in Kraft getreten, das den Sommersmog bis 2010 verringern will.
Als eben das Treibstofflager in der Nähe von London in Flammen aufging (11. Dezember 2005), trat bei den SBB, der BLS (Bern–Lötschberg–Simplon-Bahn), der Südostbahn und 16 weiteren Schweizer Bahnunternehmen ein Rauchverbot in Kraft. Wer beim Bahnfahren rauchen will, zahlt seither 25 CHF Busse. Selbst in den Bahnhöfen wird dem Rauchervergnügen ein allmähliches Ende bereitet: Zuerst wird es auf den 7 grössten Bahnhöfen eingeführt, und innert eines Jahres soll es auf alle anderen Bahnhöfe ausgedehnt werden.
Für diese Massnahmen habe ich Verständnis; denn beim Rauchen fallen nicht nur Rauch, sondern auch Asche und manchmal auch Brandflecken an; der Reinigungsaufwand ist erhöht. Zudem werden Bahnwagen (auch Busse) auch sonst oft noch vandalisch malträtiert.
Auch beim Rauchen geht es um eine unvollständige Verbrennung, und deshalb muss der Tabak eine gewisse Feuchtigkeit haben, damit Rauch entsteht; das ist bei Zigaretten, Zigarren und beim Pfeifentabak so. Weil ich selber gelegentlich gern eine Zigarre geniesse, haben mir meine fachkundigen Nachkommen einmal 2 Humidors geschenkt, luftdichte Behälter, in denen die Zigarren bei etwa 70 bis 75 % Feuchtigkeit aufbewahrt werden können, weil darin ein Befeuchtungssystem ist, das gern destilliertes Wasser trinkt. Zigarren in Aluminiumhülsen (Tubos) packe ich aus und disloziere sie in den Humidor. Die handgerollten Zigarren meist kubanischer Provenienz rauche ich in den raren Stunden der Musse mit Vergnügen an der frischen Luft, ein entspannendes Ritual, das ich mir nicht nehmen lasse.
Meines Erachtens sollte das Rauchen kultiviert statt breitwürfig bekämpft werden, wobei ich durchaus einräumen will, dass sich eine Zigarette aus parfümiertem Billigtabak, der von Papier umhüllt ist, kaum dazu eignet; Zigaretten dienen vor allem als Fiskalobjekt. Dasselbe gilt für edle alkoholische Getränke. Es ginge um den Umgang, um die Kultur, um die Kultiviertheit.
Der Anti-Raucher-Kampf wird unter dem Titel „Gesundheitsschutz“ geführt. Wohlan. Aber wieso kämpft man amtlicherseits denn nicht gegen das Industriefood mit seinen Chemiegiften und kaum gegen die Ankunft von Genfood, warum nicht gegen die Fleischübermast und den Industriezucker? Auch diesbezüglich wäre Aufklärung im Hinblick auf etwas mehr gastronomische Kultur nötig.
Raucher sind ebenso wenig Kriminelle wie Chemiecocktail-Liebhaber, Zuckerlecker und Biertrinker. Der Unterschied besteht einfach darin, dass die einen zu ihrem Glück gezwungen werden, die anderen nicht.
Doch sorgt das Geschehen rund um die Erdölfront dafür, dass wir alle zu unseren Rauchschwaden kommen, auch als Nichtraucher. Man bittet, Fenster und Türen zu schliessen.
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02. 11. 2005: „Emailschildchen: Verbote, Gebote, Vorschriften, Bitten“
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