BLOG vom: 06.01.2006
Glückliche Jugendzeit mit archäologischem Einschlag
Autor: Emil Baschnonga
1) Über Glucker, Bötschli, Stahli
Damit sind die Murmeln gemeint, mit denen wir Buben oft und gern am Strassenrand bei den kreisrunden oder rechteckigen gusseisernen Dohlendeckeln spielten. Heinz hatte die meisten Glucker im eigens dafür von seiner Mutter gelismeten Säcklein verstaut. Ich selbst klimperte mit meinen in der Hosentasche, wenn immer ich einige hatte und es mich gelüstete, mitzuspielen.
Die wertvollsten Glucker waren die grossen Bötschli und Stahli, also die Glasmurmeln mit gewunden-farbigen Einschlüssen und die glänzenden Stahlkugeln. Letztere hatten einen Tauschwert von je 3 bis 4 kleineren Bötschli.
Jeder Spieler reihte eine Glucker, sei es ein Bötschli oder Stahli, an die äussere Rille des Dohlendeckels. Abwechselnd wurden die Murmeln gegen das Loch mit dem gekrümmten Zeigefinger gegen das Ziel geschnippt. Wer die Murmel ins Loch stiess, gewann einen Freischuss. Wer die letzte Murmel ins Loch brachte, hatte das Spiel gewonnen und durfte seine und die Murmeln seiner Mitspieler einsacken. So ungefähr erinnere ich mich an die bei uns in Basel üblichen Spielregeln.
Das Murmelspiel hat viele Spielvarianten (siehe unter „Murmelspiel“ – Wikipedia). Der Dohlendeckel machte das Spiel besonders spannend, dank der vielen Dohlenrillen kreuz und quer. Wie beim Roulette wusste man nie im Voraus, wo die Murmel endete. Wie Häftlimacher passten wir auf, dass keiner mogelte und die Glucker mit dem Zeigefinger schob. Wer dabei erwischt wurde, verlor seinen Einsatz.
Bis auf den heutigen Tag weiss ich nicht, wie es kam, dass Heinz immer die meisten Murmeln hatte, obwohl er meistens verlor. Vielleicht sorgte seine Mutter für Nachschub. Ich selbst war auf „Findlinge“ angewiesen, die manchmal nach dem Regen zwischen dem Dreck beim Rinnstein eingebettet lagen. Ich glaube, das hat früh meine Augen für Fundstücke auf den Flohmärkten geschult.
Gibt es heute noch Kinder, die so vergnügt wie wir mit Murmeln spielen? Oder drücken sie jetzt alle an stereotypen elektronischen Spielknöpfen?
2) Römermünzen im Vorgarten
Felix verriet meinem Kameraden und mir, dass in seinem Garten römische Münzen vergraben seien. So gingen wir der Sache nach und gruben im dürftigen Beet beim Eingang auf der Schattenseite des Hauses nach dem Schatz und wurden bald fündig. Leider waren es nur Ein- und Zweiräppler – bei uns auch „Batzen“ oder „Centimes“ genannt –, die wir enttäuscht liegen liessen.
Die Zwillinge von nebenan hatten uns dabei zugeschaut. Sie verpfiffen Felix prompt bei seiner Mutter. Jetzt wusste sie, dass Felix einen bescheidenen Anteil des Wechselgelds für ein Laib Brot oder l00 g Butter aus dem Konsumladen geklaut und vergraben hatte. Sein Vater verprügelte ihn deswegen. Felix tat mir Leid.
Diese Zwillingsbuben waren gross und blöd. Als ich sie das nächste Mal sah, fasste ich sie beim Haar und schwang ihre Köpfe aneinander. Plärrend rannten sie ins Haus. Am gleichen Abend meldeten sich ihre Eltern bei uns und beklagten sich bitterlich über mein schlechtes Benehmen. Gottlob wurde ich nie für meine Untaten geprügelt; doch zur Strafe musste ich mehrere Wochen ohne Taschengeld auskommen.
Jahre später erst erfuhr ich, dass Felix auf Abwege geraten war. Wegen Ladendiebstählen wurde er als Zögling in die Erziehungsanstalt bei der „Milchsuppe“ eingewiesen. Ich sah ihn einmal, als er dort im Gemüsegarten spatete.
3) Mein Hang zur Archäologie
Hat sich dieser Hang aus der obigen Geschichte in mir entwickelt? Bunte Steine lese ich heute noch als Erwachsener gern aus Bergbächen. Schliesslich sind sie so alt wie die Welt.
Bei einem Schulausflug merkte ich mir die Stelle bei Frick im Aargau, wo es viele Versteinerungen gibt. Oft bin ich auf dem Velo zu dieser Ton- beziehungsweise Fundgrube zurückgeradelt, wo ich allerlei Muscheln und Haizähne sammelte. Leider habe ich dort keinen Ammoniten gefunden.
Auch bei „Augusta Raurica" (Kaiseraugst) hielt ich mit Sperberaugen öfters nach Scherben aus der Römerzeit Ausschau. Selbst als ich meinen heranwachsenden Söhnen diese Sehenswürdigkeit zeigte, musste ich mich zurückhalten, denn das Herumwühlen ist heute nicht mehr erlaubt.
Während der Ferien in Kreta langweilte ich mich bald am Strand. Vor – und gewiss nicht hinter – einer archäologischen Abschrankung ging ich auf dem Fussweg in die Knie und fand eine Stelle, die mit vielen zertrümmerten Tonscherben übersät war. Daraus kittete ich einen ganzen Vasenhenkel zusammen und bildete mir ein, dass er aus der griechischen Antike stammte. Immerhin langweilte ich mich nicht länger am heissen Strand, wo ich es meistens nicht länger als eine Stunde täglich aushielt, ehe ich meine Frau zum Besuch des Archäologischen Museums in Iraklion oder zum minoischen Palast in Knossos einlud.
Dazu kann ich bloss sagen, dass man auf die eine oder andere Weise seiner unvergesslichen Jugendzeit mit ihren inzwischen vergoldeten Erinnerungen treu bleibt.
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08. 11. 2005: „British Museum London: Das vergessene Perserreich“
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