Textatelier
BLOG vom: 28.01.2006

Hamas-Sieg: Wie im Reich der Guten das Böse aufkeimt

Autor: Walter Hess
 
Es gibt die Reiche des Guten und die Reiche des Bösen, seit dem die Welt in der undifferenzierten kindisch-märchenhaften Art schwarz-weiss gemalt worden ist. Bei diesem Vorgang, der die Weltpolitik bestimmt, hat jenes Reich die besten Karten, welches die Einteilung vornimmt: die guten USA. Dieses Land, das sich die Rolle des Weltpolizisten mit der Lizenz zum Foltern, zum Töten und Führen von Angriffskriegen unter erfundenen Vorwänden anmasst, gilt als das Beste unter den Guten, die einzige Differenzierung, die in diesem simplen Schema noch erlaubt ist.
 
Die Guten sprechen viel von der Notwendigkeit der Demokratisierung, insbesondere wenn sie Länder im Visier haben, welche eine andere Staatsform haben, wie etwa den Islam, der Religion und Staatsform zugleich ist; der Koran ist das Grundgesetz. Unter Demokratie wird, etwas vereinfachend gesagt, im Reich der/des Guten die Möglichkeit verstanden, eine Staatsspitze zu wählen, die sich der Weltregierung unterordnet. Wenn dann ausnahmsweise Islamisten oder irgendwelche Unangepasste gewinnen (wie im Irak, in Iran, Chile, Ecuador, Bolivien, Venezuela, Argentinien), passt das nicht ins Konzept. Dann waren das schlechte Wahlen. Und in Zukunft wird die Wertegemeinschaft solche Pannen präventiv verhindern oder mit Notfallplanungen ändern müssen. Die Demokratien müssen gelenkt werden, nach dem Vorbild von Ägypten, wo der US-gelenkten Diktatur ein demokratischer Anstrich gegeben wurde und alles wie geschmiert läuft. Die USA lassen sich dies einiges kosten. Zur Wahl standen nur vom Regime ausgesuchte Kandidaten. Ich verweise dazu auf das Blog vom 28. Dezember 2005: „Globalisierungsfolge: Gelenkte statt direkte Demokratie").
 
Und was passiert, wenn nach demokratischer Manier etwa in Palästina gar eine bewaffnete, radikalislamische Terroristenorganisation wie die Hamas, der viele Verdienste im sozialen Bereich nicht abzusprechen sind (sie baute Kindergärten, Schulen und Spitäler), die Parlamentswahlen (Legislativrat) gewinnt? Die Hamas ist allein seit dem Herbst 2000 (2. Intifada = offener Volksaufstand) für etwa 60 Selbstmordattentate verantwortlich. Ein Musterbeispiel: Als im Februar 1994 ein Siedler in Hebron 29 betende Muslime tötete, antwortete die Hamas mit Selbstmordanschlägen auf israelische Zivilisten.
 
Wird eine solche terroristische Organisation demokratisch massgeblich in die Staatsverantwortung eingebunden, wird das verständlicherweise als Erdbeben, als ein Schock empfunden, der in Israel Krisensitzungen ausgelöst hat. Denn die Hamas anerkennt das Recht Israels auf eine staatliche Existenz nicht; die so genannte Hamas-Charta von 1988, die den „Heiligen Krieg“ gegen den „zionistischen Feind“ (Israel) fordert, gilt unverändert. Noch 2004 hatte unter solchen Vorbedingungen die israelische Armee die Hamas-Führer Scheich Ahmed Yassin (Mitbegründer der Hamas) und Abdelaziz Rantisi sowie weitere radikale Palästinenser getötet. Doch solche gezielte Tötungen zeitigten das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung: Sie stärkten die Hamas. Der Westen hat ohnehin ein ausserordentliches Talent zur Terrorismusförderung.
 
Die Hamas hat nun die aus der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO herausgewachsene Fatah, die 12 Jahre lang an der Macht war, mit der „wuchernden Korruption“ (FAZ, 27. 1. 2006) und Vetternwirtschaft bei deren Führung hinweggefegt. Dabei ging es auch um politische Korruption, genährt von israelischen und amerikanischen Vorgaben und Finanzspritzen. Deshalb wurde verpasst, die Hamas in die palästinensische Politik einzubeziehen, eben unter westlichem Druck – über Finanzquellen und Sanktions-Werkzeuge. Bereits haben deutsche (EU-)Politiker gefordert, der Hamas den Geldhahn zuzudrehen. Die palästinensische Bevölkerung fühlte verständlicherweise sich von der eigenen Führung verraten.
 
Die Militär- und Atommacht Israel hat sich bei der fortgesetzten illegalen Besetzung und Verteidigung besetzter palästinensischer Gebiete nicht eben zimperlich verhalten. Und diese Härte war natürlich das ideale Substrat für die Aufzucht von Terrorismus. Es geht hier nicht um Schuldverteilungen, die Feststellung, dass die Härte und Unnachgiebigkeit auf beiden Seiten die explosive Lage ständig aufgeschaukelt haben, mag genügen. Und diese Aufschaukelung hatte selbstredend auch politische Folgen. Und so kann es auch weitergehen, indem der betont nationalistisch ausgerichtete israelische Likud-Block gestärkt werden könnte.
 
Und was sagte die Wertegemeinschaft (wichtigste Grundwerte: Erdöl und Dollars) zu den Geschehnissen in Palästina? Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Haltung der Weltführung; da diese ja von den Globalisierten übernommen wird. Die US-Aussenministerin Condoleezza Rice forderte im einem CBS-Radiointerview die Palästinenser zur Abkehr von Gewalt und Terrorismus auf. Zudem müssten die Milizen aufgelöst werden. Auch US-Präsident George W. Bush und die EU forderten die Hamas zur Abkehr von der Gewalt auf. Bush forderte die Hamas auf, dem Ziel einer Vernichtung Israels abzuschwören. Niemand könne sich an einem Friedensprozess beteiligen, der seinen Partner zerstören wolle, sagte Bush in Washington. „Man kann auch nicht ein Partner für den Frieden sein, wenn man als Partei einen bewaffneten Flügel hat.“
 
Das ist Musik vonseiten der moralischen Autorität USA. Dort gibt es keine Atomwaffen, auch keine anderen Waffen und schon gar keinen bewaffneten Flügel. Die USA hat noch nie einen Angriffskrieg ausgelöst, noch keinen einzigen. In den USA ist Gewalt ein absolutes Fremdwort; in den Videospielen und Filmen aus den USA ist Gewalt vollständig ausgeklammert. Es gibt keine friedlichere, friedfertigere Nation, die deshalb berechtigt ist, Friedensforderungen zu stellen ... Sie hat jeder Form von Gewalt schon längst abgeschworen und das eigene Land entwaffnet, auch die mehreren tausend atomaren Sprengköpfe sind nicht mehr .... Bushs tägliches Morgengebet zeigt Wirkungen.
 
Schön wärs. Weil es nicht ganz so schön ist, dürfte die Hamasierung weltweit Fortschritte machen.
 
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