BLOG vom: 19.02.2006
Deutscher Bauer: Ohne Agro-Gentechnik kommt man weiter
Autor: Heinz Scholz
„Die Zeichen stehen auf Sturm“, betitelte Der Sonntag in seiner Ausgabe vom 12. Februar 2006 einen Bericht über die mögliche Aufweichung der bisherigen Verbote für Gen-Produkte durch Politiker und der mächtigen WTO. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) empfiehlt seinen Mitgliedern erneut, auf den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu verzichten. Guido Nischwitz vom Institut Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen und Projektleiter „Gentechnikfreie Regionen in Deutschland“ ist jedoch besorgt. Er brachte in einem Interview mit dem Redakteur Alexander Huber in der genannten Sonntagszeitung zum Ausdruck, dass Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Frage, ob die grüne Gentechnik etabliert wird, zukomme. „Wenn Deutschland fällt, dann fällt Europa“, meinte der Projektleiter.
Zunächst sieht es jedoch noch einigermassen gut aus. Zurzeit gibt es in Deutschland 85 gentechnikfreie Regionen auf einer Gesamtfläche von 728 000 Hektar, die von 22 000 Landwirten bewirtschaftet werden. In Baden-Württemberg gibt es allerdings 1500 Hektar Versuchsfelder mit Bt-Mais.
Ein Grund, weshalb die grüne Gentechnik bei uns noch nicht Fuss gefasst hat, sind wohl die strengen Haftungsregeln, die noch von Rot-Grün eingeführt wurden. Bis jetzt haftet nämlich jeder Gen-Bauer für Schäden auf den Feldern der Nachbarn. Aus diesem Grund baut fast niemand genveränderte Pflanzen an. Aber hier droht Ungemach! Die Agro-Industrie und einige unbelehrbare oder unter Druck gesetzte Politiker arbeiten daran und streben eine Änderung an. Sie wollen Haftungsfonds einführen, die den Gen-Bauern entlasten sollen. Bauern und Saatgutfirmen wollen ja gern, dass der Staat die Haftung übernimmt. Da kein übriges Geld in den Kassen ist und keine Versicherung eine Haftung übernehmen möchte, sollen die beteiligten Wirtschaftszweige den Ausgleichsfonds einrichten. Die Verhandlungen stehen jedoch erst am Anfang.
Die mächtige Agro-Industrie, die tatkräftig von den USA unterstützt wird, lauert in den Startlöchern. Sie versucht jetzt schon, Landwirte mit ausgeklügelten PR-Aktionen mürbe zu machen. Dasselbe passierte ja bereits vor Jahren mit den indischen Baumwollbauern. Viele, die auf die Versprechungen und Lügen der Agro-Industrie hereinfielen (es liefen u. a. sehr verführerische Werbefilme im indischen Fernsehen), sind jetzt von der Existenz bedroht. Es gab viele Selbstmorde, da diese Landwirte das teure Saatgut und die Pestizide nicht mehr bezahlen konnten. Ausserdem hatten sie trotz GVO-Pflanzen riesige Verluste durch Schädlingsbefall. Sehr eindrucksvoll wurden diese „Wildwestmethoden“ der Agro-Industrie und die Folgen für die Bauern in dem Doku-Film „Leben ausser Kontrolle“ gezeigt.
Gentechnik bedroht die Biobranche
BHLV-Pressesprecher Richard Bruskowski betonte, dass sich der Verband auch noch in 5 oder 10 Jahren gegen den Einsatz von GVO aussprechen werde. Hauptgründe für die Ablehnung: Es lässt sich derzeit mit GVO-Kulturen kein Geld verdienen, und es gibt eine hohe Dichte von Bio-Betrieben in Südbaden. Es dürften jedoch auch gravierende andere Nachteile eine Rolle spielen (Ausbildung von Resistenzen, Bildung von Superunkräutern, Ablehnung von Gen-Produkten durch den Verbraucher). Sobald GVO-Kulturen in der Nähe von herkömmlichen Kulturen heranwachsen, gibt es unweigerlich eine „Verunreinigung“. Letzten Endes gibt es keine GVO-freien Kulturen mehr. Dann sind die Bio-Betriebe am Ende. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern könnte bald Realität werden.
Die Gentechnik könnte sich auch als Jobkiller erweisen. Bio-Lebensmittelhersteller drohen mit Abwanderung, sollten sich gentechisch veränderte Pflanzen auf deutschen Feldern ausbreiten. Der Babykosthersteller Claus Hipp, der in Deutschland 1000 Menschen beschäftigt und von 3000 Bio-Betrieben in Bayern und im Ausland seine Produkte bezieht, sagte unmissverständlich auf der letzten Grünen Woche in Berlin, er werde dann seine Bio-Produkte aus dem Ausland beziehen.
Gentechnik in der Landwirtschaft
Am 15. Februar 2006 hörte ich einen interessanten Vortrag zum Thema Gentechnik in der Landwirtschaft bei der VHS in Rheinfelden D. Der Vortrag wurde von Hermann Ritter, der im Vorstand des BHLV ist, in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gehalten.
Nach den einleitenden Worten von Thomas Lindenthal vom BUND über die möglichen Gefahren der Gentechnik schilderte Ritter diese Technik aus der Sicht eines Landwirts. Er ist in Buggingen (Markgräflerland) Landwirt und betreibt Futtermaisanbau und eine Saatmaisvermehrung. Er muss 200 Meter zu einem Feld mit anderen Maissorten (z. B. Zuckermais) einhalten. Dies ist notwendig, um die Saatenreinheit zu erhalten. Er findet es sonderbar, dass bei Versuchsfeldern mit Bt-Mais in den neuen Bundesländer nur ein Abstand von 20 Metern gefordert wird.
Er spricht nicht von der grünen Gentechnik, sondern von Agro-Gentechnik. In seinem Vortrag betonte er, dass viele Landwirte sagen würden: „Wir brauchen Gentechnik.“ Aber die Gentechnik kann die üblichen Probleme nicht lösen. „Wir brauchen keine Gentechnik“, betonte der Redner mit Überzeugung und führte weiter aus, dass man durch natürliche Züchtung weiter kommt. Er begründete dies in seinem Vortrag sehr anschaulich. So behauptete der Agro-Konzern Monsanto, mit dem Bt-Mais könnte man weltweit 40 Millionen Tonnen Mais mehr produzieren. Aber wir brauchen dieses Mehr an Mais gar nicht, da der Markt schon gesättigt ist. Die EU produzierte 2003 etwa 41 Millionen Tonnen und ein Jahr später bereits 52 Millionen Tonnen Mais und das ohne Gentechnik! Wir brauchen auch nicht mehr Milch. „Wir haben schon heute einen Milch-Überschuss von 20 %“, so Hermann Ritter. Und der Bauer erhält immer weniger für seine Milch (heute etwa 24 Cent/Liter).
Dann brachte der Referent Zahlen auf den Tisch, dass es einem Angst und Bange wurde: Auf 81 Millionen Hektar werden bereits weltweit GVO-Pflanzen angebaut. Spitzenreiter ist die USA mit 66 %. An 2. Stelle steht Argentinien mit 23 %, gefolgt von Brasilien und China. Die beliebtesten GVO-Pflanzen aus der Sicht der Agro-Konzerne sind heute Soja (62 %), Mais (21 %) und Baumwolle (12 %). Dann bemerkte der Redner, dass in Deutschland auch ohne Gentechnik der Pestizidabsatz ständig zurückgeht. Gründe dafür sind verbesserte Wirkstoffe und schonender Einsatz.
GVO-Anbau abgebrochen
Auf einigen Versuchsfeldern in Deutschland wurden einige Anbauversuche bereits abgebrochen. Als Beispiele nannte der Referent den Anbau von Gen-Riesling und Gen-Erbsen. Beim Riesling fanden sich nicht nur artfremde Gene in der Pflanze, sondern auch im Wein. Bei den Gen-Erbsen wurde nach Verfütterung an Mäusen vermehrt Lungenentzündung gesehen.
Auch der Anbau von Golden Rice erwies sich als Flop. Die Biotechniker veränderten die Reispflanze so, dass sie Beta-Karotin (Provitamin A) herstellte. Damit könne man, so behauptete Syngenta, Millionen Kinder vor der Erblindung retten. Als der Golden Rice untersucht wurde, stellte man fest, dass viel zu wenig Beta-Karotin in den Reiskörnern war. So müsste ein Kind 7 Pfund und ein Erwachsener 20 Pfund Reis essen, um seinen täglichen Vitamin-A-Bedarf zu decken.
Abschliessend bemerkte der Referent, dass der Verbraucher die Macht habe, gentechnikfreie Lebensmittel zu fordern. „Dann haben auch Anbauer schlechte Karten, da sie ja die Gen-Produkte nicht loswerden“, betonte Ritter.
Thomas Lindenthal schilderte dazu einen besonderen Fall aus den USA. Als die Japaner Gen-Soja aus Kalifornien nicht mehr abnahmen, blieben die Bauern auf ihren riesigen Halden von Soja sitzen. Sie waren gezwungen, ihre Sojabestände billig an andere Länder zu verkaufen.
Die Farmer stehen dort vor einem Dilemma. Auch wenn sie wieder GVO-freie Pflanzen anbauen wollen, geht das nicht ohne weiteres. Sie bekommen kaum noch oder gar keine gentechnikfreie Saaten mehr. Und das sollten unsere Landwirte bedenken. Aus den Fehlern, die in diesen Ländern gemacht wurden und jetzt zutage treten, können wir nur lernen, so Lindenthal.
In der anschliessenden lebhaften Diskussion wurde u. a. gefordert, dass die lückenlose Kennzeichnung der Gen-Nahrung erhalten bleiben sollte. Dann kann der Verbraucher selbst entscheiden, was er kaufen möchte oder nicht. Es wurde jedoch die Befürchtung geäussert, dass der Verbraucher nach Einführung von Gen-Produkten, wie es die WTO fordert, die eventuell billigeren Gen-Produkte bevorzugt. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Aufklärung des Verbrauchers weiterhin so intensiv durch Wort, Schrift und Bild fortgeführt wird, wie es bisher der Fall war.
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Anhang: Machenschaften des Agrar-Konzerns Monsanto
Der Landtagsabgeordnete Alfred Winkler aus Rheinfelden, der auch beim Vortrag anwesend war, schilderte sehr eindrücklich das Verhalten des Agrar-Konzerns Monsanto (auch unter www.gruene-beute.de und in dem Buch „Trojanische Saaten“ geschildert).
Detektive des Konzerns entdeckten auf den Feldern des kanadischen Rapsbauern Percy Schmeiser den von Monsanto patentierten Roundup Ready-Raps. Der Bauer wurde beschuldigt, illegal den Gen-Raps angebaut zu haben. Er versicherte, er baue schon seit Jahren konventionellen Raps an und habe noch nie den Gen-Raps von Monsanto bezogen. Sein Raps müsse entweder von Pollen oder von vorbeifahrenden LkWs verunreinigt worden sein. Monsanto gewann den 1. Prozess. Daraufhin zog der Farmer bis vor den Obersten Gerichtshof. Dieses Gericht entschied jedoch zuungunsten des Farmers. Er wurde der Patentverletzung beschuldigt. Der Richter war gnädig, denn er sah von einer Geldstrafe und den Gerichtskosten von Monsanto ab. Grund: Der Farmer hatte keine Vorteile aus der Patentverletzung. Schmeiser ist natürlich enttäuscht. Er forderte die Politik auf, hier zu reagieren und die bäuerlichen Rechte zu sichern.
Dieses Beispiel zeigt auf, dass die Rechte der Bauern hinter den Rechten der mächtigen Bio-Tech-Firmen zurückstehen müssen. Ich finde, dies ist der eigentliche Skandal.
Quellen
Smith, Jeffrey M.: „Trojanische Saaten“, Riemann Verlag, München 2004 (ISBN: 3-570-50060-8).
Rainer, Fritz: „Gentechnik bedroht die Biobranche“, „Badische Zeitung“ vom 18. Februar 2006.
Rath, Christian: „Seehofer: Haftungsfonds soll Genbauern entlasten“, „Badische Zeitung“ vom 18. Februar 2006.
Künzle, Marianne: „Machen Sie nicht denselben Fehler wie wir“, Greenpeace, 2005-04.
„Wildwestmethoden und Nadelstreifen“, siehe unter www.gruene-beute.de
Hinweise auf Bücher
Bitte beachten Sie zum Thema Gentech-Nahrung auch die Bücher „Richtig gut einkaufen" von Heinz Scholz und „Kontrapunkte zur Einheitswelt" von Walter Hess, Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein, beide 2005 erschienen.
Hinweise auf Blogs zum Thema Gentech-Nahrung
11. 02. 2006: „Bemerkenswert: Selbst schlaue Tiere lehnen Genfood ab“
09. 02. 2006: „Die Zwangsverfütterung von Gentech-Schrott aus den USA“
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