Textatelier
BLOG vom: 01.05.2006

„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus ...“

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus / da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“, sangen wir als Kinder immer wieder zu Beginn des Wonnemonats. Erst später erfuhr ich, dass diese die ersten Zeilen des bekanntesten deutschen Mailieds sind. Die Melodie ist übrigens eine Böhmische Volksweise, und der Text stammt von Emanuel Geibel (1815−1884).
 
Jeder freut sich, wenn nach einem tristen und kühlen April der Mai ins Land zieht. Überall kommt es zu einer blütenreichen Entfaltung. Die Natur zeigt sich von der besten Seite. Erst am letzten Freitag, 28. April 2006, konnte ich im Markgräflerland anlässlich einer Wanderung die frischen grünen Blätter der Buchen und Birken und die weisse Blütenpracht der Kirschbäume bewundern. Wald und Flur sind an diesen Tagen von neuem Leben erfüllt. Überall jubilieren die Vögel, dass es einem warm ums Herz wird. Kein Wunder, dass sich viele Dichter und Komponisten vor überschäumender Freude dieser herrlichen Zeit annahmen und ihre Gedanken zu Papier brachten. In einem Lied von Christian Ad. Overbeck, das 1776 von Mozart komponiert wurde, ist folgende Passage enthalten: „Komm, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün.“
 
Bei Heinrich Heine (1797−1856) können wir in seinem „Lyrischen Intermezzo“ die schönen Zeilen lesen: „Im wunderschönen Monat Mai, / Als alle Knospen sprangen, / Da ist in meinem Herzen / Die Liebe aufgegangen / Im wunderschönen Monat Mai / Als alle Vögel sangen, / Da hab` ich ihr gestanden / Mein Sehnen und Verlangen.“
 
Zudem es gibt auch einige Volksweisheiten und Bauernregeln, die auf den Mai zugeschnitten sind. Hier einige Beispiele: 
„Regen auf Walpurgisnacht hat nie ein gutes Jahr gebracht.“
„Ist die Hexennacht voll Regen, wirds ein Jahr mit reichlich Segen.“
„Es ist kein Mai so gut. Er schneit dem Schäfer auf den Hut.“
„Wenn im Mai die Bienen schwärmen, kann der Bauer vor Freude lärmen.“
„Kühler Mai, gibt guten Wein und vieles Heu.“
„Auf nassen Mai, kommt trockner Juni herbei.“
„Mai trocken, so ist ein dürres Jahr zu erwarten.“ 
In der Walpurgisnacht ist der Teufel los
Bevor ich näher auf die Bräuche zum 1. Mai eingehe, einige Gedanken zur Walpurgisnacht, die auch bei uns im südlichen Schwarzwald mit aller Macht hereinbricht. In der Nacht zum 1. Mai wird nämlich allerlei Schabernack getrieben. So hievten vor einigen Jahren in einem Dorf in der Nähe von Schopfheim D einige kräftige Burschen einen mit Mist gefüllten Leiterwagen auf das Dach eines missliebigen Bauern. In Österreich ist es Brauch, unliebsamen Personen allerlei Gerümpel vor die Tür zu stellen. Da kommt dann beim Wegräumen des Mülls Freude auf, wie man sich vorstellen kann!
 
Im deutschen Rheinfelden malten vor einigen Jahren Unbekannte auf vielen Strassen der Stadt Zebrastreifen auf den Asphalt. Die Gemeinde Altglashütten wurde zu einer riesigen Skiliftstation umgewandelt. Relativ harmlose Streiche sind immer noch das Aushängen von Gartentürchen oder Fensterläden, das Bestreichen von Türgriffen mit Senf oder das über die Strassen gespannte Klopapier. In Elzach wurde ein Brunnen christomässig verhüllt.
 
Immer häufiger kommt es jedoch durch alkoholumsäuselte und grölende Zeitgenossen zu Sachbeschädigungen. Dafür habe ich kein Verständnis. Von einer Schopfheimerin erfuhr ich einen Streich, der wirklich nicht lustig war. Freche Jungs hängten bei ihr im Erdgeschoss einige Fensterläden aus, transportierten diese zu einem Müllcontainer und warfen sie hinein. Zum Glück fand die Hausbesitzerin nach intensivem Suchen in der Nähe ihres Wohnhauses die Fensterläden, die leicht beschädigt waren.
 
Als wir noch in Bayern wohnten, wunderte ich mich immer wieder, wenn in der Nacht zum 1. Mai ein junges Birkenbäumchen am Gartenzaun vor diesem oder jenem Haus angebracht war. Erst später erfuhr ich, dass dies ein Liebesbeweis für eine Angebetete war. Manchmal wurde sogar ein Kinderwagen aufs Dach der Liebsten gestellt. War dies ein Wink mit dem beräderten Zaunpfahl? Sollte das weibliche Wesen ans Heiraten und ans Kinderkriegen denken oder war dies das eindrückliche Zeichen einer bereits bestehenden Schwangerschaft? Die Angebetete bedankte sich oft nach Erspähung des Bäumchens mit einem Kuss beim Aufsteller. Manchmal blieb jedoch der Kuss aus, weil der Verliebte ein stiller Verehrer war.
 
Ein heute nicht mehr praktizierter Brauch war das Legen von Kalkspuren zu den Häusern. Dann wusste jedermann, dass hier ein leichtes Mädchen wohnte. Fand in Weilimdorf ein Mädchen einen Dornbüschel oder einen dürren Besen am Haus, dann war dies ein Zeichen der Verachtung oder Rache für eine verschmähte Zuneigung. Auch das Spreuer-Streuen war Brauch, wie Heinrich Schmidt in seinen „Weilimdorfer Bilder und Geschichten“ erwähnt. „Fühlte sich ein Bursch von seinem Mädchen einem anderen Liebhaber gegenüber zurückgesetzt, dann streute er eine breite Spur aus Spreu vom Haus des Mädchens zum Haus des Konkurrenten und sollte es durch den halben Ort gehen. Jedermann sollte wissen, mit welchem Bursch sie es heimlich treibe“, so Schmidt.
 
Es gab auch so genannte Schandmaien, das waren dürre Bäume, die voller Blechbüchsen behängt waren. „Das waren Rügebräuche, die der Sozialkontrolle dienten“, äusserte Werner Mezger, Professor für Volkskunde an der Freiburger Uni zu einer Redakteurin der „Badischen Zeitung“ vom 29. April 2006.
 
Der Name Walpurgisnacht leitet sich von der heiligen Walpurga (auch Walburga, die Beschützerin der Hexen) ab. Der Aberglaube trieb hier besondere Blüten. Viele waren überzeugt, dass in dieser Nacht die Hexen ihr Fest abhalten und ihr Unwesen treiben. Traditionell wurden Feste an erhöhten Orten (wie auf dem Brocken im Harz) abgehalten und auf die Ankunft des „gehörten Gottes“ gewartet. Nach der Christianisierung wurden die Hexen-Bräuche verteufelt. Aus dem „gehörnten Gott“ wurde der Teufel.
 
Der Maibaum als Fruchtbarkeitssymbol
Bei uns im Schwarzwald ist das Maibaumstellen ein beliebter Brauch. Der Maibaum galt als Fruchtbarkeitssymbol und Repräsentant des Weltenbaums. Die Bäume wurden zu Walpurgis aus dem Wald in den Ort geholt und vor dem Aufstellen streng bewacht. In der Vergangenheit kam es nämlich des öfteren vor, dass Burschen aus den Nachbarorten Maibäume klauten.
 
Historische Vorläufer des Maibaums waren „Schmuckmaien“. Es handelte sich hier um grüne Zweige und Maien (Bäumchen), die als Ehren- oder Liebesmaien verschenkt wurden. Ursprünglich war der Maibaum eine Birke, die ja als Symbol für Kraft und Anmut, Lebenswillen, Trost, Licht und Heiterkeit galt. Später wurde die Fichte als Maibaum auserkoren.
 
In Bayern wird der Brauch seit dem 16. Jahrhundert praktiziert. Der Maibaum wurde mit Kränzen und bunten Bändern behängt. In Franken (Bayern) galt der Maibaum als Orts-, Wirts- und Tanzbaum oder Rechtsbaum. Seit dem 18. Jahrhundert wird der bis zu 40 m hohe Maibaum mit Bildzeichen der Gewerbe oder Baulichkeiten des Dorfes geschmückt.
 
Die Rinde des Baumes musste immer abgeschält werden. Laut einem alten Volksglauben können sich dann nicht Hexen und böse Geister in Form von Käfern darin verstecken.
 
Ich kann mich noch gut an Bräuche zum 1. Mai erinnern, als wir in Harburg (Bayern) unser Domizil aufschlugen. Dort spielte eine Kapelle, und es wurde unter dem Maibaum getanzt. Alle waren fröhlich; es floss reichlich Maibowle oder Bier. Aber niemand fiel aus der Rolle.
 
Das Aufstellen eines Maibaums war immer ein Ereignis der besonderen Art. Die stärksten Männer des Orts liessen ihre Muskeln spielen. Mit Hilfe von Stangen und massiven Balken und Seilen zum Sichern und Stützen wurde der mächtige Baum mit Muskelkraft angehoben. Beim Anheben hatte einer das Kommando und dieser rief dann immer „Hau ruck, hau ruck.“
 
Und noch ein Brauch aus Muggensturm. In diesem Ort hatten die Mädchen ein probates Mittel, um ihre Sommersprossen zu entfernen. Sie schlichen in der Nacht zum 1. Mai unbeobachtet in ein Weizenfeld und wuschen sich mit dem Tau ihr Gesicht.
 
Der 1. Mai, ein sozialer Feiertag
Der internationale Gedenktag stammt aus Amerika. Am 1. Mai 1886 rief nämlich die amerikanische Arbeiterbewegung zum Generalstreik auf, um einen sozialen Ruhetag durchzusetzen. 1933 machten übrigens die Nationalsozialisten in Deutschland den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag.
 
Am Tag der Arbeit werden bei uns immer die Arbeiterkundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgehalten. Viele jedoch verspüren einen unbändigen Drang, eine Wanderung zu machen, Festivitäten der Vereine aufzusuchen und sich anderweitig zu vergnügen. Aber den Vergnügungssüchtigen droht Ungemach. Wirtschaftsverbände plädieren jetzt dafür, den 1. Mai als Feiertag abzuschaffen, da er zu einem Theken- und Ausflugstag verkommen ist. Danach soll der Tag der Arbeit an einem Sonntag gefeiert werden.
 
Aber lassen wir uns den Feiertag nicht vermiesen. Wir sollten uns an der aufblühenden Natur mit ihren Schönheiten berauschen und uns an den letzen Vers des Liedes von Emanuel Geibel erinnern. Dieser lautet wie folgt: 
„O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust!
Da wehet Gottes Odem so frisch in der Brust;
Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt:
Wie bis du doch so schön, o du weite, weite Welt!“
Informationen im Internet
(hier ist u. a. der Text des Mai-Lieds von Geibel abgedruckt).
 
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