Textatelier
BLOG vom: 22.05.2006

Ein Beitrag zur Lesekultur: 10 Jahre KrimiTHEK in Zürich

Autorin: Rita Lorenzetti
 
Am 19. Mai 1996 legten Renate Bösch Hess und Verena Jacot ihre eigenen Krimis zusammen und gründeten mit ihren 830 Büchern die KrimiTHEK, eine Bibliothek für Kriminalromane. Das geeignete Lokal fanden sie im Gemeinschaftszentrum Schindlergut an der Kronenstrasse in Zürich. 240 Mitglieder, mehrheitlich Frauen, sind heute eingeschriebene Mitglieder. Davon zählen gut 100 zu den aktiven Benützerinnen, die sich durchschnittlich ein- bis zweimal im Monat mit Neuerscheinungen oder Krimis ihrer Lieblingsautoren eindecken. Heute engagieren sich neben den Gründerinnen weitere vier Frauen und ein Mann in dieser Bibliothek.
 
Wie aus ihrer Homepage ersichtlich, ist die Begeisterung aller Beteiligten ungebrochen. Die Mitarbeit ist Bedürfnis und Ehrensache. Das erklärt, dass diese völlig unabhängige Klein-Bibliothek gross dasteht und sich feiern lassen kann.
 
Wie an vorangegangenen Veranstaltungen mit Lesungen prominenter Krimi-Autoren, empfingen die Feiernden alle Gäste wieder mit einem fürstlichen Apéro unter Linden, bevor die Lesung auf dem Heuboden im ehemaligen Gesindehaus, das zum Gut der Familie Schindler-Escher gehörte, anfing. Villa und dazugehörige Gebäude entstanden 1871 und sind umgeben von einer idyllischen Parklandschaft. Im Sommer können hier Liegestühle gemietet und Bücher aus der KrimiTHEK gleich vor Ort verschlungen werden.
 
Am Abend der Jubiläumsfeier las Petra Ivanov aus ihrem Roman „Tote Träume“. Diese Autorin thematisiert aktuelle Tagespolitik, unter anderem die Verschärfung im Asylbereich in der Schweiz. Sie arbeitet als Redaktorin bei HEKS, dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz. In Zürich sind ihre Bücher vermutlich beliebt, weil die Schauplätze bekannt sind und Leserinnen und Leser ganz nahe an der Geschichte mitfiebern können.
 
Auf die Frage: „Was fasziniert am Kriminalroman?“, sagte eine Mitarbeiterin spontan: Die Spannung. Renate Bösch schätzt diese auch, betont aber, dass sie die Auseinandersetzung von Gut und Böse und dem Graubereich dazwischen fasziniert.
 
Umrahmt war die Feier von Klängen der Frauen, die das Ensemble „Vocaholics“ ausmachen. „Mörderischer Klangteppich“ nannten sie an diesem Abend ihren Beitrag. Versteckt hinter Mafia-Brillen sangen sie unheimliche Lieder und Töne und bereiteten so das Ambiente für die Lesung vor.
 
Als etwas Einmaliges erlebe ich jeweils die Atmosphäre auf diesem Heuboden. Der ganze Komplex des Gesindehauses ist eine architektonische Perle. Aus Brettern und mit ornamentalen Öffnungen gestaltet, dürfen Wände und Front nicht nur nützlich, sondern auch ausgesprochen schön sein. Der Anblick erinnert an Scherenschnitte oder an Loch-Strickmuster. Luft und Licht können die Räume durchfluten. Das war wichtig für das Heu, damit es trocken blieb. Jalousien und Lukarnen spielen hier oben zusätzlich mit den Farben der Bäume aus dem Hof. Die Ausschnitte im Holz werden mit ihrem Grün hinterlegt.
 
Nach den letzten Klängen der Vocaholics-Frauen kehrten wir alle wieder in unsere Alltagswelt zurück, vorbei am runden Mittelpunkt mit den Linden in diesem Hof zwischen Villa und Gesindehaus. Hier lachte und scherzte die Gesellschaft, ass und trank und feierte die 10-jährige KrimiTHEK.
 
Lindenbäume sind Symbole des Friedens. Unter Linden wurden auch in alter Zeit Feste gefeiert, Versammlungen gehalten und Gerichtsverhandlungen geführt. Von Paul Guggenbühl, dem Baum- und Holzforscher, weiss ich zudem, dass zu Zeiten der Germanen „weithin sichtbare Linden auf Hügelkuppen als Freibäume galten und wer ihr schützendes Laubdach erreichte, durfte nicht gefasst und gerichtet werden.“
 
Ganz im Sinne von Renate Böschs Einsichten aus ihrer immensen Kriminalgeschichten-Erfahrung.
 
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