BLOG vom: 02.06.2006
Süffiges Mittel gegen den Kälteschock: Glühwein im Juni
Autor: Heinz Scholz
Nach einem langen und harten Winter ist die Kältewelle Anfang Juni 2006 immer noch nicht vorbei. Die Eisheiligen gingen nahtlos in die Schafskälte über. Alle Lebewesen bibbern und schlottern nur so um die Wette. Bei 6 °C am frühen Morgen und 10 °C am Mittag des heutigen 2. Juni 2006 hört der Spass auf. Alle sind frustriert, und immer wieder höre ich markige Aussprüche wie: „So ein Mistwetter, jetzt reichts.“ − „Ich habe die Schnauze voll, ich verreise“ oder „Dieses schreckliche Wetter macht mich ganz verrückt“. Als ich den letzten Spruch hörte, musste ich an ein Zitat von Gotthold Ephraim Lessing denken, der so lautet: „Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.“
Die Depressiven werden bei einem solchen Wetter noch depressiver, während die Gesunden endlich kapieren, was eine Depression ist. Als kürzlich eine Zahnarzthelferin zu meinem Zahnarzt sagte, er solle sich trösten, denn nach dem 100-jährigen Kalender kämen noch heisse Monate, entgegnete er spontan: „Da habe ich nichts davon, denn dann bin ich bereits in tiefste Depressionen versunken.“
Wir vermissen zurzeit eine Köstlichkeit ohnegleichen. Wo sind die herrlich duftenden Freiland-Erdbeeren aus unserer Region geblieben? Nur zweimal konnten wir je ein Schälchen zu einem horrenden Preis kaufen. Die billigeren Erdbeeren aus Spanien, die verführerisch im satten Rot den Käufern in den Geschäften entgegenstrahlen, liessen wir links liegen. Man weiss ja nie, ob man dann nicht auch eine Portion Pestizide mitbekommt. Geduldig warten wir nun auf die grosse Ernte. Und dann beginnt das grosse Schmatzen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Kälte und der Regen machten auch den Spargel zum Luxusgut. Bei 5 °C in der Nacht spriesst er nur langsam aus dem dunklen Verlies in die Höhe. Bruno Bohrer, der Inhaber des Bohrerhofs in Hartheim-Feldkirch, kann zurzeit nur 1/4 der sonst üblichen Menge an seine Händler liefern. Nun hoffen auch die Spargelanbauer auf wärmeres Wetter in den nächsten 14 Tagen; danach ist nämlich die Spargelernte vorbei. Der Preis für 1 Kilo Spargel beträgt zurzeit 8 Euro, bei einem grösseren Angebot wären sie zu 5 Euro zu haben. Die Anbauer begründen den höheren Preis damit, dass der Aufwand genau so gross sei wie bei grösseren Spargelmengen.
Meine Nachbarin, die in den vergangenen Jahren schon im sonnigen Wonnemonat Mai immer wieder ihren „Lido“ am Altrhein aufsuchte, muss jetzt in ihrer beheizten Wohnung davon träumen. Eine andere Nachbarin hält nichts von schönen Tagträumen. Sie nutzte ein Last-Minute-Angebot und fliegt in den nächsten Tagen für eine Woche mit ihrem Sohn nach Mallorca, um dort Sonne zu tanken.
Auch die lieben Kinder, die jetzt ihre Pfingstferien verbringen, sind sauer. Sind sie bei Regen immer wieder in ihren Zimmern gefangen und blicken traurig aus den Fenstern. Sobald sich jedoch ein Silberstreif am Horizont, sprich blauer Himmel, zeigt, gehts hinaus ins Freie. Dann wird gespielt, was das Zeug hält, denn sie wissen ja nie, ob der nächste Regenguss bald wieder kommt.
Kalte Hände, erfrorene Ziege
Als wir letzte Woche in der Nähe von Schlechtnau über Gisiboden zum Hasenhorn wanderten – wir überwanden einen Höhenunterschied von 600 Metern – froren wir in einer Höhe von 1200 Metern dermassen an den Händen, dass wir unsere Wanderstöcke einpackten und die Hände tief in unsere Hosentaschen vergruben, um sie anzuwärmen. So etwas habe ich sonst nur im Januar oder Februar erlebt. In der Raststätte am Hasenhorn mussten wir unweigerlich ein warmes Getränk und einen Kräuterschnaps zu uns nehmen. Innerlich und äusserlich gewärmt konnten wir ohne klamme Finger den Rückweg antreten.
Heute erinnere ich mich wieder an eine Geschichte, die unser Hauptfeldwebel anlässlich einer Wehrübung auf der Schwäbischen Alb (bei Stetten am Kalten Markt) uns Rekruten erzählte: „Zieht euch warm an, die Gegend ist ziemlich rau. Es ist dort sogar einmal eine Ziege im Sommer erfroren.“ Ich war damals felsenfest überzeugt, der Bursche habe geflunkert. Heute würde ich ihm glauben, zumal es Ende Mai in manchen Gegenden von Deutschland Graupelschauer und Schneefall gegeben hat.
Auch die Bienen leiden
Wie eine Studie der Landesanstalt an der Universität Hohenheim ergab, haben 1 Zehntel der Bienenvölker den langen und harten Winter nicht überstanden. In Baden betrugen die Verluste sogar 18 Prozent. Auch die anhaltenden niedrigen Temperaturen und der viele Regen bekamen den Bienen nicht gut. Aber auch bestimmte Pestizide, wie beispielsweise das Imidacloprid, könnte beim Sterben eine wichtige Rolle spielen, da dieses Mittel die Bienen auf Dauer schwächt. Die Lebensbedingungen der Bienen haben sich durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft verschlechtert, wie der Institutsleiter Peter Rosenkranz betont. Es gibt nämlich immer weniger Trachten (Nektarsammelplätze) für die Bienen. So wurden beispielsweise in der Rheinebene 70 Prozent der Ackerfläche mit Mais bepflanzt. Auch mähen die Landwirte ihre Wiesen schon vor der Blüte der Wiesenblumen ab. Blühende Wildkräuter sind heute leider schon eine Rarität, nicht nur für Bienen. Dazu kommt noch, dass die Bienen durch die Varroa-Milbe geschwächt sind. Die Milbe wurde übrigens Anfang der 1980er-Jahre aus Asien eingeschleppt.
Christoph Koch aus Oppenau, Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsimkerverband, sieht ebenfalls eine zunehmend schwächere Vitalität bei den Bienen. Früher konnte er im Sommer von einem Volk 3 abspalten, heute ist er froh, wenn er seinen Bestand halten kann (Quelle: „Badische Zeitung“ vom 1 .Juni 2006).
Originelle Idee eines Geschäftsmannes
Als ich am Sommeranfang der Meteorologen vom 1. Juni 2006 (Sonnenhöchststand am 21. Juni) mit meinem Enkel Manuele durch die Scheffelstrasse in Schopfheim wanderte, entdeckte ich vor dem Reisebüro Grether einen Glühweinstand. Der Inhaber des Reisebüros schenkte persönlich Glühwein an die Vorbeigehenden aus. Über dem Glühweinfass prangte das Schild „Zum Winteranfang“. Diese 2 Worte passen sehr gut zur jetzigen kühlen Jahreszeit, und es ist wohl ein gelungener Scherz des Reiseunternehmers, dachte ich mir. Während ich mir eine Portion Glühwein einverleibte, erklärte mir der Geschäftsmann schelmisch grinsend, was diese Aktion zu bedeuten hatte. Seine Aktion solle den verbilligten Vorverkauf für Winterreisen in den sonnigen Süden ankurbeln. Auf seinen Reiseprospekten war Folgendes zu lesen: „Gültig nur für Buchungen bis 20. Juli 2006.“ So gab es Angebote für 1 Woche Ägypten, Kanaren, Madeira, Mallorca und Marokko schon ab 199 Euro.
Abnorme Witterung
Auch in früheren Zeiten gab es abnorme Witterungen. So wechselten sich warme Winter mit kühlen Sommern ab. Damals gab es sogar wegen dieser unmöglichen Witterung (kaltes Frühjahr, nasser Sommer) Hungerkrisen auf Grund von Missernten.
Die „Lahrer Zeitung“, die über den bisherigen Verlauf der Witterung im Januar 1902 berichtete, erinnert die Leser an den milden Winter 1852/53. Damals konnten die Bauern um Weihnachten Gras und Klee mähen, und um Neujahr standen die Kirschbäume in Blüte. Die warme Witterung hielt bis zum 20. Februar an, dann folgte eine nasskalte Witterung, und Anfang März fiel der erste Schnee.
Trösten wir uns, denn nach einem Regenschauer kommt bestimmt bald wieder Sonnenschein und damit auch Wärme. Vielleicht sind dann wieder Tage mit Temperaturen von 30 °C und mehr üblich. Dann ist wieder Schwitzen beim Wandern und Blogschreiben angesagt. Und dann ist es uns auch wieder nicht recht.
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24.04.2005: „Frühlingsfest im Tessin: Amore e Nostalgia“
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