Textatelier
BLOG vom: 30.07.2006

Reaktionen auf Blogs (41): Bomben und Blumen in der Wüste

Präsentation der Leserpost: Walter Hess
 
Das Thema ist ebenso naheliegend wie delikat, das vielen Blogatelier-Nutzern zurzeit auf den Nägeln brennt: Das Verhalten der Israelis den Palästinensern und jüngst nun auch den Libanesen gegenüber. Die jüdische Bevölkerung profitiert überall auf der Welt noch immer vom so genannten Holocaust-Bonus. Kaum jemand wagt es deshalb, ihr Verhalten kritisch zu hinterfragen, wie das sonst im Rahmen der Meinungsfreiheit in Bezug auf alle Länder und Volksgruppen allgemein gestattet ist. Man macht grosse Bögen um diese Aspekte, um dem Verdacht auszuweichen, man sei ein Antisemit, ein Judenhasser. Das zu werden oder zu sein, ist bei Strafe untersagt.
 
Aber darum geht es hier nicht, und es wäre auch ein schäbiges Verhalten, ganze Völker kollektiv abzustrafen. Es geht schlicht und einfach nur um eine Beurteilung des heutigen Verhaltens des Staates Israel seinen Nachbarn gegenüber, der in den letzten Jahrzehnten ständig als Aggressor und Besatzungsmacht auftrat und sich auch über Uno-Resolutionen hinwegsetzte. Der US-Professor für Linguistik und Autor Noam Chomsky (geboren 1928), ein hervorragender Kenner der Zustände im Mittleren Osten, schrieb in seinem 2003 in einer aktualisierten Auflage erschienenen Buch „Offene Wunde Nahost“:
 
„Als US-Vasall geniesst Israel das Recht auf Aggression, so dass die von der libanesischen Regierung und den Vereinten Nationen erhobene Forderung des bedingungslosen Rückzugs als absurd verworfen oder gar nicht beachtet wird. Insbesondere hat Israel das Recht, die soziale Infrastruktur der Palästinenser und zum Teil auch der Libanesen zu zerstören, die Herrschaft der rechtsgerichteten christlichen Bündnispartner im Verein mit ‚privilegierten muslimischen Schichten’ zu errichten, und seine Macht zur Erzwingung eines Abkommens zu nutzen, das letztlich die Vereinnahmung des Westjordanlandes, des Gaza-Streifens und der Golanhöhen absegnet und zugleich Israels langfristige Vorherrschaft im Südlibanon sichert und den Weg für neue Massaker und die mögliche Massenvertreibung der Palästinenser ebnet, die jetzt im Libanon brutalen terroristischen Gruppen schutzlos ausgeliefert sind.“
 
Soweit das Zitat aus Chomskys Buch. Ich habe es herausgegriffen, um ein wenig Vorgeschichte aufzuzeigen, die zu den heutigen Zuständen geführt hat. Es wäre sträflich vereinfacht, die Entführung einzelner Soldaten dafür verantwortlich zu machen, was sich jetzt im Libanon abspielt. Sie war nur ein Einzelereignis innerhalb der jahrzehntelangen Abfolge von Attacken auf beiden Seiten. Jedenfalls war die Reaktion Israels auf die Entführung zweier Soldaten ein Musterbeispiel an Unverhältnismässigkeit. Heinz Scholz (E-Mail: heinscholz@tiscali.de) sandte mir dazu einen Kommentar aus seinem Leibblatt, der „Badischen Zeitung“ vom 27. Juli 2006, verfasst von Thomas Fricker:
 
„Zumindest die Israel-Freunde unter den Kritikern befürchten auch, dass Israel mit seiner unverhältnismässigen Militäroffensive völkerrechtlich übers Ziel hinausschiesst. Ob es legitim ist, für die Untaten der Hisbollah den Libanon als Ganzen in Haftung zu nehmen, gilt unter Experten in der Tat als fragwürdig ... In der Tat steckt Israel in Wahrheit in einem Dilemma: Wie anders als militärisch soll das Land seine Einwohner schützen, wenn diese aus dem Gazastreifen und dem Südlibanon heraus beschossen werden? ... Hinter beiden radikalislamischen Bewegungen stecken als Förderer Syrien und der Iran. Hier zeigt sich, wer am meisten an Terror und Krieg interessiert ist. Ohne massiven Druck auf die Regime beider Länder wird sich im Nahostkonflikt nichts bewegen. Das sollten Israels Kritiker beachten.“
 
Dies ist der übliche gemässigte Medien-Ton im Westen. Israels Haltung wird als „fragwürdig“ hingestellt, hinsichtlich der Araber-Nachbarn aber sieht man klarer. Scholz kommentierte dazu ergänzend:
 
„Israel hat durch seine aggressive Politik einen grossen Teil Schuld, dass Hass und Eskalationen an der Tagesordnung sind.“
 
Scholz im Weiteren zum Blog „Nahost-Kriegsopfer: Anklage mit roten Protestballons!“ von Emil Baschnonga vom 26. Juli 2006:
 
Emil Baschnonga machte in seinem Blog einen guten Vorschlag. Er befürwortet das Aufsteigenlassen so genannter roter Protestballons. Ich finde, es sollten so viele aufsteigen, dass die programmierten Raketen ihre Orientierung verlieren und die Kampfpiloten nur noch Rot sehen.
 
Ich habe aber auch einen Vorschlag zur Kriegsverhinderung: Die Kriegstreiber auf der Welt haben mit ihrer aggressiven Politik einen grossen Teil Schuld, dass Hass und Eskalationen an der Tagesordnung sind. Frieden wird es im Nahen Osten noch lange nicht geben. Am besten wäre es, wenn alle Zahlungen und Militärhilfen aus dem Ausland für diese kriegslüsternen Länder eingestellt würden. Erst bei Frieden wird gezahlt. Das wäre doch ein Anreiz. Aber leider macht da keiner mit.
 
Nach Beendigung der Kampfhandlungen, da bin ich mir hundertprozentig sicher, werden wieder von neutralen Staaten Aufbauhilfen gefordert. Auch die Krieg führenden Staaten bekommen dann einen Teil der Hilfen ab. Ich bin der Meinung, die Verursacher von Kriegen (allen voran die Kriegstreiber USA und Israel oder auch vom Westen finanzierte Militärs in bestimmten afrikanischen Staaten) sollten zur Rechenschaft gezogen werden und zusammen mit ihren Hintermännern den Schaden begleichen. Aber in der Politik ist es ja so, dass der Krieg von bestimmten Staaten als ein Verteidigungskrieg hingestellt wird. Ein solcher Krieg ist dann immer entschuldbar. Die vielen toten Zivilisten spielen hier keine Rolle.
 
Luz Pfosi (E-Mail: luzpfosi@bluewin.ch) wandte sich einem besonderen Aspekt der Israel-Geschichte zu als Antwort auf das Tagebuchblatt „Reaktionen auf Blogs (35): Warum die Israelis so sind“ (9. Juni 2006):
 
Ich habe in meinem Leben viele Menschen getroffen, welche u. a. in einem Kibbuz arbeiteten. Diese ländlichen Siedlungen mit kollektiver Wirtschaft haben viel zum Aufbau von Israel beigetragen. So wurden Wasserleitungen über Hügel gelegt, Wasserreservoire mit primitivsten Mitteln gebaut. Aus wertloser Wüste wurden fruchtbare Felder und Plantagen erschaffen. Die Araber waren z. T. als Arbeiter dabei und haben doch gesehen, was man machen könnte, wenn man sich anstrengt. Unfruchtbares Land hat es in jener Gegend genug. Was die Israelis aus solchem trocken dürren Land gemacht haben, ist einfach lobenswert und muss anerkannt werden.
 
Zudem muss ich auch sagen, dass die Juden in Israel nicht mit orthodoxen Juden vergleichbar sind, welche in alle Welt ausschwärmen ... gar nicht zur Freude zum Beispiel von Kurorten ... Sie und auch viele amerikanische Juden kommen offensichtlich mit der doppelten Arroganz eines Normalsterblichen auf die Welt und sind an vielen Touristenorten wegen ihres unerträglichen Benehmens mit roten Tüchern vergleichbar.
 
Holmes vorlesen mit den Reichenbach-Fällen vorm Auge
Zum Glück besteht die Welt nicht nur aus dem Israel-Problem. Der Mittlere Osten hat seine Anziehungskraft auf Touristen eingebüsst. Doch es gibt andere Ausflugsideen. Auf das Blog „In der Aareschlucht. Von Reiseeindrücken und Souvenirs“ von Rita Lorenzetti vom 29. Juni 2006 schrieb Frank Flechtmann aus Berlin:
 
„Reichenbach und Moriarty: Ganz besonders zu empfehlen ist das Vorlesen der Sherlock-Holmes-Geschichte im Ferienhaus in Hasliberg-Wasserwendi, also gegenüber mit Blick auf die Reichenbach-Fälle. Unsere Kinder waren (vor etwa 12 Jahren) sehr beeindruckt und kraxelten dann begeistert die Wasserfälle hinauf. Und malten Bilder vom Kampf Holmes gegen den schrecklichen Moriarty. Wer Schwyzerdütsch hören will, begebe sich nach Berlin-Kreuzberg, z. B. ins Hebbel am Ufer.“
 
Die Fahrt durch Deutschland
Als Verfasser des BlogsWas mich auf der Fahrt durch Deutschland beeindruckt hat“ vom 6.Juni 2005 freue ich mich, dass diese Reiseeindrücke immer wieder beachtet werden. So schrieb Dr. Rainer Meyer (E-Mail: dr2meyer@teleport.ch) dazu:
 
Dieser Kommentar hat mich als gebürtigen Deutschen sehr gefreut. Sie müssten, wenn es sich denn machen liesse, auch einmal gegen den bayrischen Osten fahren; und Sie würden überrascht sein − oder eben auch gerade nicht: Im Vergleich mit hessischen oder badischen Orten fallen die bayrischen nicht ab.
 
Insgesamt richtet sich da eine durchaus grosse Nation im Individuellen, Kleinräumigen ein. Das dürfte Ihnen wohl passen. Mir auch.
 
Sorge bereitet mir die fast zwangsläufig folgende Provinzialisierung, die darin gipfeln wird, sich um jeden Preis wohlfühlen zu wollen − bis der Vorschlaghammer zuschlägt. Der wird kommen. Die Welt ist gross. Und hat andere Interessen.“
 
Auch Inge Mattes-Hess (E-Mail: ingemattes@aol.com) äusserte sich aus deutscher Sicht zu dieser Arbeit:
 
„Haben Sie vielen herzlichen Dank für die Komplimente (an Deutschland) und die tiefgründigen und sehr berechtigten Hintergedanken. Alle Komplimente gebe ich an unsere Nachbarn uneingeschränkt weiter. D A N K E !!!
 
Viele und liebe Grüsse aus dem Schwabenland sendet Ihnen
Inge Mattes
 
Zur Schablonenmoral
Eine philosophische Diskussion ergab sich zwischen Dr. Rainer Meyer und Emil Baschnonga in London, der das Blog „Von Schablonenmoral (Neuroethik) entmündigte Menschen“ vom 14. Juli 2006 geschrieben hatte. Emil Baschnonga erhielt eine Auszeichnung:
 
Ich verfolge geraume Zeit Ihre Blogs und finde dahinter einen MENSCHEN. Das ist bereits ein Kompliment.
 
Was nun dieses Neuro-Entschuldigungs-und-Beurteilungs-und-Psychologismen-Drama betrifft: Es wundert mich (es nimmt mich wunder), dass eine vorgelagerte philosophische Frage in dem ganzen Schuldzuweisungs- und Entschuldigungs-Kauderwelsch nicht gestellt wird, an der aber abendländische Wissenschaft hängt:
 
Gibt es etwa für einen verbrecherischen und unbegreiflichen Ausraster eine Entschuldigung (auch vor Gericht) − und immer noch eine − so, wie die aristotelische Suche nach dem ersten Beweger immer noch ein vorgelagertes Phänomen liefert und damit einen unendlichen Regress. Oder gibt es ein Urbild von Moral und Ethos, wie sie Platon und später Kant erkannt zu haben meinten, wodurch alle Sowohl-als-auch-Meinungen einem klaren Urteil zugeführt werden?
 
Unsere zeitgenössischen Neurologen finden, dass wir fremdbestimmt seien, und sei auch dieses Fremde bloss in unserem Kopf. Sie können nicht anders. Ich habe zu dieser Debatte nichts beizutragen ausser dem Faktum, dass diese Kontrahenten im philosophischen Bereich ein getreues Spiegelbild des menschlichen Unwissens sind.
 
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sollte mein Enkel (zum Beispiel) von einem Fremden an seinem Leben bedroht sein, werde ich zuschlagen − tödlich, wenns geht − und werde mir von Baselbieter Richtern keine ENTSCHULDIGUNG wünschen.
 
Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes Wochenende!
 
Die Antwort von Emil Baschnonga:
 
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
Ich danke für Ihre Zuschrift, die tief ins Menschsein greift. Ein Urbild von Moral und Ethos ist uns seit Urzeiten, glaube ich, überliefert. Alle Weltreligionen haben es auf ihre Weise aufgegriffen und interpretiert. Desgleichen die Denker und Dichter. Schuld und Sühne, Schuld und Strafe, Täter und Opfer, Rache …
 
Wo beginnen und enden die mildernden Umstände vor Gericht? Abwehr und Selbstschutz, ob es um mich allein oder um meine Familie geht, sehe ich als mein Grundrecht. Wer aber springt heute einem bedrohten Menschen auf der Strasse bei? Wie viel trägt ein toter Held zur Moral bei? Allenfalls eine Randnotiz in der Presse. Die Moralbegriffe sind heute verschüttet. Jeder Spatenstich, um sie aus dem Schutt zu befreien, ist die Anstrengung wert, damit wir nicht ganz jenseits der Moral versacken.
 
Auch Ihnen wünsche ich ein schönes Wochenende, verbunden mit meinem nochmaligen Dank für ihre anregende Zuschrift.
 
Das Textatelier als Nachschlagewerk
Mildernde Umstände liefert uns, diesmal im Krankheitsfalle, auch oft die Heilkräuterfülle, mit der sich Heinz Scholz häufig in kompetenter Weise befasst, letztmals im Blog vom 16. Juli 2006 („Hausmittel: Wenn die Wegschnecke über die Warze kriecht“).
 
Diese Weitergabe von Erfahrungswissen kommt gut an. Hans-Peter Karrer (E-Mail: hp.karrer@web.de) schrieb dazu an Heinz Scholz:
 
Vielen Dank für Ihre Mühen in dieser Sache.
 
Das Textatelier (inklusive Blogatelier) ist ein guter Hinweis zum Nachschlagen und Nachschauen, eine wahre Fundgrube in Sachen Kräuter, Gesundheit, Pflanzen etc.“
 
Diese Blumen werden wir gern in eine schöne Vase stellen und pflegen. Zudem werden wir uns selbstverständlich bemühen, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer auch in Zukunft mit vielen Lebenstipps beglückt werden. Das ist ein erwünschter Nebeneffekt unserer ununterbrochenen gesellschaftskritischen Arbeit, die ja auch Früchte oder eben ein paar Blumen hervorbringen sollte.
Allen Nutzern danken wir für die Aufmerksamkeit und ihre Zuschriften, die immer willkommen sind.
 
Hinweis auf die bisher erschienenen „Reaktionen auf Blogs“
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