BLOG vom: 07.09.2006
Gammelfleisch-Skandal, Neuauflage: Es stinkt zum Himmel
Autor: Heinz Scholz
„Vitale Vollwertkost kontra Gammelfleisch“ war der Titel meiner Publikation in der „Reform-Rundschau“ (2006-01). Ich berichtete damals von den jüngsten Skandalen, die zum Himmel stanken. Es wurde nämlich vergammeltes Fleisch neu verpackt und mit einem manipulierten Haltbarkeitsdatum von skrupellosen Geschäftemachern in den Handel gebracht. Das Fleisch wurde billig angeboten, es wurde quasi zur Ramschware.
Die Politiker versprachen hoch und heilig Abhilfe. In Zukunft solle so etwas Gammeliges bzw. Unappetitliches nicht mehr auf den Markt kommen. Grossmundig verkündete Bundesverbraucherminister Horst Seehofer: „Bei Verstössen gegen die Lebensmittelsicherheit gibt es Null-Toleranz ... Wir werden alles tun, um solchen gewissenlosen Machenschaften das Handwerk zu legen.“
Die Kontrollen wurden zunächst erweitert, aber wegen Personalmangels konnten diese nicht flächendeckend erfolgen. Es gab immer wieder Schlupflöcher, wie die neuesten Beispiele zeigten (es wird zwar kontrolliert, aber nicht scharf genug). Das neue Gesetz ist immer noch nicht verabschiedet. Es ist löchrig wie ein Schweizer Emmentalerkäse und hat keine abschreckende Wirkung. Verbraucherschützer empfehlen eine Ablehnung des Gesetzes und fordern eine strengere Gesetzgebung.
Die agile Bärbel Höhn, Grünen-Fraktionsvize und frühere Verbraucherschutzministerin von Nordrhein-Westfalen, wies darauf hin, dass nur solche bestraft werden, die Gammelfleisch verkaufen und nicht diejenigen, die solches Fleisch ankaufen. Kritisiert wird auch die 3-monatige Frist, um auf Anfragen von Verbrauchern zu antworten. Inzwischen haben nämlich die schwarzen Schafe der Branche schon längst Tonnen der vergammelten Ware verkauft und Riesengewinne eingestrichen.
100 Tonnen verdorbenes Fleisch entdeckt
In München wurden Ende August 2006 bei einem Grosshändler 100 Tonnen überlagertes und verdorbenes Fleisch, darunter mehrere Tonnen Döner-Spiesse und rund 360 kg Wild- und Geflügelfleisch, beschlagnahmt. Auch 30 bis 40 Tonnen verdächtiges Entenfleisch wurde in den Kühlhäusern entdeckt. Die Haltbarkeitsdaten waren teilweise um 4 Jahre überschritten. Da fragt man sich schon: Wo waren die Kontrolleure? Waren sie mit Blindheit geschlagen oder hatte der Grosshändler diverse Verstecke?
Inzwischen wurde auch ein Gelsenkirchener Fleischhändler wegen Betrugs angezeigt. Auch er soll vergammeltes Fleisch in den Handel gebracht haben.
Obwohl täglich etwa 2500 Lebensmittelkontrolleure bundesweit in Aktion sind, gibt es keine Garantie, dass sich solche Skandale nicht wiederholen. Dies betonte Christian Grugel, Präsident des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in der Zeitschrift „Die Welt“ am 2. September 2006. Er warnt also vor falschen Illusionen.
Die Kontrollen reichen nicht aus. Was wir brauchen, sind aufmerksame Verbraucher. Inzwischen wurden Hotlines eingerichtet, wo sich Verbraucher beschweren und Mitarbeiter Hinweise geben können. Der Fleischskandal in München wurde übrigens durch einen anonymen Hinweis aufgedeckt.
Strengere Bestrafung gefordert
Ein Sprecher des Bundesverbraucherministeriums betonte, dass sich kriminelle Energie auch durch strengere Gesetze nicht aufhalten lasse. Trotzdem sollten die Lebensmittelkontrollen in Qualität und Dichte in Deutschland verbessert werden. Auch sollte eine strengere Bestrafung erfolgen. Bisher war es so, dass es den skrupellosen Händlern durch relativ geringe Strafen allzu leicht gemacht wurde, obwohl die bisherige Gesetzgebung ausreicht, um strengere Strafen zu verhängen.
Da bisher die einzelnen Bundesländer für die Untersuchung zuständig waren, gab es keine einheitlichen Standards. Nun soll sich vieles ändern. Es sollen Qualitätsstandards eingeführt werden. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf fordert ein einheitliches Handbuch zur Qualitätssicherung. „Was wir nicht wollen, ist, dass wir eine neue Bundesbehörde schaffen.“
Dazu Thilo Bode, Chef der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch (in einem Interview von Claudia Ehrenstein, „Die Welt“, 2. September 2006; www.welt.de):):
„Es gibt für die Unternehmer keinen Anreiz, nicht zu betrügen. Wer erwischt wird, dem drohen nur geringe Strafen. Das hat keine abschreckende Wirkung. Der Profit ist deutlich grösser und damit verlockender.“
Man solle die Geldstrafe an den Umsatz koppeln, fordert Thilo Bode. Auch die Bekanntgabe der Betriebe, die Gammelfleisch verkaufen, sollte sofort publik gemacht werden. Bisher konnten die Behörden die Auskunft verweigern.
„Die Verbraucher müssen begreifen, dass die jüngsten Fleischskandale ein politisches Problem sind. Ansonsten sind sie den Politikern hoffnungslos ausgeliefert. Foodwatch hat insgesamt 18 Verbände vom Hausfrauenbund bis zu Greenpeace für eine Aktion gewonnen, um auf die Defizite des Gesetzes aufmerksam zu machen“, betonte Bode.
In der „Badischen Zeitung“ vom 6. September 2006 war eine sehr originelle Zeichnung von Haitzinger. Da dreht ein Metzger Gammelfleisch durch einen Fleischwolf, und heraus kommt kein Hackfleisch, sondern 100-Euro-Geldscheine. Ein Bekannter des Metzgers, der daneben steht, sagt: „Vorsicht, da kommt schon wieder die Lebensmittelkontrolle.“ Im Hintergrund sieht man den Kontrolleur mit verbundenen Augen und mit Hilfe eines Blindenstocks des Weges gehen.
Der Verbraucher hat es in der Hand
Als ich am letzten Samstag über den Wochenmarkt in Schopfheim D schlenderte, kam mir eine bekannte ältere Dame entgegen. Sie regte sich furchtbar über den neuen Fleischskandal auf. Sie betonte, solche Leute sollte man einsperren. „Diese Leute sind Kriminelle, denen das Wohlergehen der Verbraucher wurst ist.“ Dann betonte sie noch, dass der Verbraucher auch selbst schuld sei, wenn er billiges Fleisch aus undurchsichtigen Quellen und aus Massentierhaltung kaufe.
Vielleicht hat der Verbraucher es endlich kapiert, dass Qualität ihren Preis hat. Das Motto „Geiz ist geil“ sollte bei Lebensmitteln auf keinen Fall gelten.
Wer Fleisch zum Preis von Hundefutter kauft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er Hundefutter bekommt.
Es wird immer wieder empfohlen, Fleisch aus der Region beim Metzger des Vertrauens zu kaufen. Bei uns hängen in Frischmärkten und Metzgereien Plakate aus, die Auskunft geben über die Kontrollen und über die Herkunft der Tiere. Liebhaber des Fleisches (ich meine hier die Fleischverzehrer) sollten solches aus ökologischer Tierhaltung erstehen.
Tipps für den Einkauf von Fleisch
Mein Buch „Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ (Verlag Textatelier.com GmbH, CH-5023 Biberstein) sind viele Tipps nachzulesen, was man beim Einkauf von Fleisch und anderen Lebensmitteln beachten muss. – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ (Verlag Textatelier.com GmbH, CH-5023 Biberstein) gibt viele Tipps, was man beim Einkauf von Fleisch und anderen Lebensmitteln beachten muss.
Hier einige der vielen Tipps:
Qualitätsmerkmale für Fleisch: Schweinefleisch sollte gleichmässig rosa bis dunkelrosa, Kalbfleisch rosa bis hellrot (nicht weiss), Rind- und Wildfleisch dunkelrot sein. Ist das Wildfleisch leicht bräunlich verfärbt, ist es nicht mehr frisch.
Erkundigen Sie sich nach der Herkunft des Fleischs und nach den Haltebedingungen der Tiere. Fleisch sollte von „glücklichen Tieren“ stammen, also von Tieren, die naturnah ernährt wurden, genügend Auslauf hatten und auch nicht mit Medikamenten vollgestopft wurden. In Deutschland und der Schweiz gibt es zahlreiche Bauern, die die strengen Anforderungen verschiedener Organisationen erfüllen.
Kaufen Sie nur qualitativ hochwertiges Fleisch. Billigware stammt oft aus dem Ausland und sollte nicht im Einkaufskorb landen.
Geruchstest erwünscht
Sollten Sie einmal zu lange gelagertes Fleisch in die Hände bekommen, dann machen Sie die Geruchsprobe (frisches Fleisch darf nicht unangenehm und süsslich riechen) und überprüfen Sie die Färbung des Fleisches (Finger weg von gräulich verfärbtem Fleisch!). Frisches Fleisch fühlt sich fest und nicht schwammig an. Lässt sich das Fleisch mit einem Finger zu stark eindrücken, dann sollten Sie dieses nicht kaufen. Achten Sie auch auf Druckstellen auf Geflügelfleisch. Die Oberfläche sollte nicht schmierig oder schwammig aussehen (siehe www.rtl.de unter „Aktuell“). unter „Aktuell“).
Frisches Fleisch gut kühlen
Noch einige Worte zur Lagerung von Fleisch. Frisches Fleisch (Steaks, Braten, ganze Stücke) kann man zwischen 0 und 4 °C 3 bis 4 Tage lagern, Innereien 1 bis 2 Tage, Gulasch, Geschnetzeltes und Spiesse nur 1 Tag, während Hackfleisch innerhalb von 8 Stunden verarbeitet werden sollte. Je stärker das Fleisch zerkleinert worden ist, umso kürzer die Lagerzeit. Wird Fleisch in Essig- oder Sauermilchbeize eingelegt, mariniert oder erhitzt, kann die Lagerzeit um 1 bis 2 Tage verlängert werden.
Tiefgefrorenes Fleisch sollte bei mindestens –18 °C gelagert werden. Die Lagerdauer für Rindfleisch beträgt 10 bis 12 Monate, Hackfleisch mager 1 bis 3 Monate und fettes Hackfleisch bis zu 2 Wochen.
(Quelle: www.was-wir-essen.de)
Wie frisch sollte Fleisch sein?
Von einem Metzger aus Lörrach erfuhr ich, dass man Schweinefleisch innerhalb von 3 Tagen verarbeiten oder verspeisen sollte. Rindfleisch ist wesentlich haltbarer. Gut gewartetes Rindfleisch lässt sich problemlos 14 bis 21 Tage abhängen. Das Fleisch wird beim Metzger bei 4 °C gelagert. Wie unter www.wer-weiss-was.de nachzulesen nachzulesen ist, haben die hiesigen Metzger nicht immer die Geduld, solange zu warten. Ausserdem verliert Fleisch beim Reifen Wasser, und das ist nicht im Sinne der Metzger.
Oft wird das Fleisch auch vakuumiert. Das aus Neuseeland oder Argentinien stammende Fleisch kommt oft auch im vakuumierten Zustand nach Europa. Die Steaks aus diesen Ländern schmecken deshalb so gut, weil die Rinder ein anderes Futter bekommen und frei herumlaufen können.
Der Tod eines Gammelfleisch-Lieferanten
Letzte Meldung: Der 74-jährige Chef der Münchner Gammelfleisch-Firma hat sich erhängt.
Dazu schrieb „tonga“ folgenden Kommentar in http://focus.msn.de::
„Sollen wir jetzt trauern um diesen Menschen. Nein. Auf jüngere übertragen? Das gibt uns dann Sicherheit? Bestimmt nicht. Bei diesen Verbrechern spielt das Alter keine Rolle. Für diese Leute, egal wie alt, gehts nur um den Profit. Ob Menschen zu Schaden kommen, ist denen vollkommen egal …“
Zahlen, die zu denken geben
Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz gab folgende Zahlen bekannt:
Anzahl der Proben von Fleisch durch Überwachungsbehörden der Bundesländer: 78 860
Verstösse gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften: 17 810
Davon in Prozent:
Kennzeichnung, Aufmachung: 53,7 %
Krankheitserregende Keime: 17,8 %
Zusammensetzung: 14,9 %
Andere Verstösse: 7,6 %
Verunreinigungen mit Fremdkörpern u.a.: 6,0 %
Anmerkung: Es gibt einem zu denken, wenn bei den untersuchten Proben 22,6 % Beanstandungen erfolgten. Auch die Anzahl Proben, die krankheitserregende Keime enthielten, sind nicht ohne. Dies deutet auf mangelnde Hygiene hin.
Wo kaufen die deutschen Verbraucher Fleisch?
In SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten: 39 %
In Discountern: 20 %
In Fleischerfachgeschäften: 20 %
In kleineren Lebensmittelgeschäften: 15 %
In anderen Einkaufsstätten: 6 %
(Quellen: ZMP, GFK)
Anmerkung: Erstaunlich, dass nur noch 20 % der Verbraucher in Fleischerfachgeschäften kaufen. Wohl deshalb, weil die Fleischwaren in den SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten und Discountern billig sind. Ob die Qualität genau so gut ist, darf bezweifelt werden. Wer in solchen Läden einkauft, sollte unbedingt nach der Herkunft der Fleischwaren und nach der Tierhaltung fragen. Dabei wird so mancher Verbraucher sein blaues Wunder erleben (falls er eine ehrliche Antwort bekommt).
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