Textatelier
BLOG vom: 22.10.2006

Folgen des Lichts: Schatten in Zürich und Ombres in Paris

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Herbstnachmittag an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Sonne hat uns auch in der Stadt erreicht. Die Luft ist dunstig. Die tief stehende Sonne blendet. Die Menschen, die mir entgegenkommen, kann ich gar nicht richtig wahrnehmen. Sie sind verschwommen.
 
Aber ich werde aufmerksam auf die Schatten. Das Trottoir ist wild bevölkert von ihnen. Sie verdichten sich, gehen übereinander und wieder auseinander. Ich erkenne, kurze Augenblicke lang, Silhouetten von Köpfen, Körpern, Taschen, auch Veloräder machen an diesem Meeting mit.
 
Als Kinder sprangen wir unseren eigenen Schatten nach und konnten sie nie erreichen. Aber in jenen der Freundin hinein hüpfen, das gelang. Der eigene Schatten ist untrennbar an uns gebunden. Er ist eine Abbildung von uns, wenn auch abstrahiert oder verzerrt.
 
Die Ausstellung „Schatten für Kinder (be)greifbar“, hat mich für dieses Thema eingenommen und begleitet mich seither, wie es eben nur der Schatten tun kann. Er ist immer da, wo auch das Licht anwesend ist. Die Aufmerksamkeit den „ombres“ (Schatten) gegenüber, bereichert seither alle Wahrnehmung. Ich besuchte die Installation im Pariser Park de la Villette mit der 4-jährigen Mena. Zu Hause inszenierten wir an den folgenden Abenden dann im dunklen Korridor „ombres“ und kleine Schattenspiele mit Hilfe einer Taschenlampe.
 
„Ombres“ ist in meiner Familie nun ein geflügeltes Wort, hat eine ähnliche Wirkung wie das überrascht gerufene „Obacht!“. Unsere Beobachtung ist reicher, seitdem wir den Schattenwurf bewusster wahrnehmen und einander zeigen.
 
Wenn ein Phänomen für die Kinder fassbar dargestellt ist, finden auch Erwachsene leichten Zugang. Das habe ich erlebt und viele, vor allem faszinierte Väter, gesehen. Mena war besonders angetan von der weissen Wand, vor die man sich stellen und bewegen konnte. Sekunden danach zeigte sich darauf die eigene Silhouette, die alle vorgängigen Bewegungen in einem Gesamtbild vereinigte. Auch das gute alte Schattentheater war ein Anziehungspunkt. Mir ist die Darstellung, wie sich die Schatten auf unebenem Grund anpassen, in besonderer Erinnerung geblieben.
 
Im Ausstellungsprospekt heisst es zu diesem Thema: „Eine Ausstellung zur Beobachtung und zum Experimentieren mit den Phänomenen des Schattens, dem Schlüssel grosser wissenschaftlicher Entdeckungen und der Inspirationsquelle der Kunst.“
 
Ich bin gespannt, was ich aus diesem Thema noch alles schöpfen werde.
 
Hinweis
Die Ausstellung kann noch bis Dezember 2006 besucht werden. Adresse: Cité des sciences et de l’industrie, Parc de la Villette, 30, Avenue Corentin-Cariou, 75019 Paris.
 
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