Textatelier
BLOG vom: 28.10.2006

Die Zubereitung von Austernseitlingen geht leider schnell

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Von einer schnellen Küche halte ich nichts, denn andere Grundbedürfnisse des Lebens wie beispielsweise die Fortpflanzung und was immer damit zusammenhängen mag, erledigt man auch nicht einfach auf die Schnelle. Wenn ich mich richtig erinnere. Die Bedürfnisbefriedigungen aller Art sind schliesslich immer auch mit einem Genuss verbunden, und so sollte man sie grundsätzlich eher in die Länge zu ziehen trachten als sie zu verkürzen. Ich schicke dies fast entschuldigend voraus, weil ich mich der Zubereitung von Austernseitlingen zuwenden will – und das geht leider schnell. Das bedeutet mit anderen Worten: Das Kochvergnügen ist entsprechend verkürzt.
 
Das kam so: Eva hat gestern ein Schälchen mit Austernseitlingen (Pleurotus ostreatus, französisch: pleurote) aus Bio-Anbau (bei Lupi Austernpilze, CH-6370 Oberdorf) heimgebracht, gräuliche Pilze von 3 bis 4 cm Durchmesser mit leicht abwärts gebogenen Rändern, markanten Lamellen auf der Unterseite und kurzen Stielen. Sie erregten sofort meine Aufmerksamkeit, zumal ich ein ausgesprochener Pilzliebhaber bin, was ich beweisen kann:
 
Die Kunst der Esspilzzucht
Im Frühjahr 2005 startete ich meinen Versuch, auf Abschnitten von Buchenholz, das mir die Forstverwaltung Aarau massgenau zugeschnitten hat, selber allerhand Pilze zu züchten. Exakt nach den Anweisungen der fachkundigen Gesellschaft für angewandte Mykologie und Umweltstudien mbH (GAMU), Institut für Pilzforschung, habe ich Löcher hineingebohrt und mit Myzelien (etwa vom Glänzenden Lackporling) versehene Holzstäbchen (Stäbchenbrut) bewässert und mit dem Holzhammer hineingetrieben, die befruchteten Stammstücke vorschriftsgemäss gewässert und gewässert, bin aber kläglich gescheitert. Die GAMU trifft sicher keine Schuld. Selbst auf einem Biostrohballen hat sich das Pilzwunder nicht eingestellt. Er ist zu feinem Humus geworden.
 
Dafür sind Pilze an einen der letzten Regentage aus der Pflästerung neben dem nordseitigen Hauseingang herausgewachsen, wo ich, bitte glauben Sie mir, niemals befruchtend tätig gewesen war. Die Natur zeigte mir, dass sie sich nicht nach menschlichen Vorgaben und Wünschen richtet. Und das rechne ich ihr im Allgemeinen hoch an, diesmal etwas weniger. Aber vor erfolgreichen Pilzproduzenten habe ich umso mehr Hochachtung, also auch vor dem Pilzproduzenten Lupi in der Nähe von Stans, den ich nur von der Pilzpackung her kenne. Und so bewarb ich mich dann bei meiner Frau darum, die Pilze in der Küche selber zubereiten zu dürfen. Sie stieg freudig auf den Vorschlag ein, da ihr Kochbedürfnis dennoch gestillt werden kann. Sie setzte immerhin ein Risotto aus „Riso Nostrano Ticinese“ aus dem Maggiatal (Azienda Agricola Terreni alla Maggia S.A) auf; wir haben das Maggiatal kürzlich besucht, und essen anschliessend jeweils sozusagen Exkursions-Erinnerungen und gastronomische Souvenirs auf.
 
Ich habe recherchiert, was sich mit Austernpilzen denn machen lasse. Da sie ja auch Kalbfleischpilze genannt werden, dachte ich, könne man sie wie besonders zartes Kalbfleisch zubereiten, das aus ethischen Gründen bei uns kaum in der Küche anzutreffen ist. Ich liess mich zusätzlich noch von Eva Maria Borer („Alte und neue Küche in der Schweiz“, 1971) inspirieren, ein Lehr-Kochbuch, das meine leider verstorbene Grossmutter (inkl. Schwiegermutter) und Mutter kochtechnisch einigermassen ersetzt und mit dem ich nur gute Erfahrungen gemacht habe (wie natürlich mit all den erwähnten Müttern auch). Ich hielt mich grundsätzlich ans Pilz-Ragout-Rezept auf den Seiten 246/47, erlaubte mir aber, doch etwas zusätzlichen Pfiff einzubringen, so dass ich für dieses Rezept einen Teil der Urheberrechte selber beanspruche.
 
Austernseitlinge à la Textatelier.com
Den Zusatznamen dieses Gerichts habe ich aus werbetechnischen Gründen eingefügt, auf dass Nutzerinnen und Nutzer erkennen mögen, dass ich fähig bin, mich nicht nur in küchen-, sondern auch werbetechnischen Belangen vielversprechend weiterzuentwickeln.
 
Hier also das Rezept: Stellen Sie bitte die Austernseitlinge, eine aromatische Zwiebel, eingekochte (oder frische) Butter, Mehl, einen guten Weisswein, Gemüsebouillon, Salz, Pfeffer, Petersilie und (vor allem) Noilly Prat, der mich schon in vielen Stunden der Wonne am häusllichen Herd begleitet hat, bereit. Von Mengenangaben halte ich in einem solchen Falle wenig bis nichts, da ich ja beobachte und immer wieder abschmecke, ein eigentliches Hobby von mir.
 
Bei den Austernseitlingen gibt es nicht viel zu rüsten. Man schaut sie prüfend an und schneidet sie in mundgerechte Stücke (nicht zu klein); die Stiele habe ich ebenfalls verwendet, weil sie sich zart anfühlten. In meiner geschwärzten Gussbratpfanne erhitzte ich im eigenen Haus eingesottene Butter (aus bester Butter aus den Bündner Bergen, die uns Evas Schwester Ruth Allemann in Malix GR besorgt hatte) und gab die fein gehackte Zwiebel dazu. Ich bemehlte die Pilzstückchen leicht und briet sie ganz kurz an; sie nahmen sofort etwas Farbe an. Ich löschte allerseits, also auch die Pilze, mit einem vollmundigen weissen (gelben) Orvieto-Wein ab und fügte auf die 200 g Pilze etwa einen halben Becher Sauerrahm zu, salzte und pfefferte. Die Sache schien mir beim ersten Degustieren noch etwas zu wenig Hintergrund (Volumen) zu haben, und so fügte ich noch Gemüsebrühe bei (der Rest vom Risotto), was nun die vermisste Fülle herbeiführte. Und so hatte ich sofort das Gefühl, das Gericht sei im wahrsten Sinne des Worts vollendet. Ich gab noch schnell den erwähnten Noilly Prat zu (ohne Mengenangabe) und bestreute das festliche Gericht mit gehackter Petersilie, die gleich vor unserem Haus gedeiht.
 
Ich will hier jetzt nicht Lobeshymnen anstimmen, weil dies etwas penetrant nach Eigenlob riechen würde. Jedenfalls sagte Eva nur noch, sie bringe bald wieder Pilze heim; denn diese seien schliesslich so gesund.
 
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