Textatelier
BLOG vom: 13.11.2006

Handgemachte Räbenlichter für die dunkle Jahreszeit

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Der Zug mit den Lichtern wird jedes Jahr grösser. Junge Familien schätzen die Räbenlichter-Umzüge mehr und mehr. Es ist eine besinnliche Manifestation, die in Zürich im November in vielen Quartieren ihre Tradition hat.
 
Da werden dann die Strassenlichter für die Dauer des Umzuges gelöscht. Verantwortliche aus den Quartiervereinen gehen mit Fackeln voran. Kinder in Begleitung der Eltern tragen die ausgehöhlten und mit Schnitzereien dekorierten, an Schnüren hängenden Räben (eine Sorte von Futterrüben) durchs Quartier. In ihnen brennt ein Licht. Die Feuerwehr ist dabei, und was uns allen immer ganz gut gefällt, sind jene Passagen auf sonst stark befahrenen Hauptstrassen, die für die Umzugsdauer nur den Fussgängern gehören dürfen.
 
Diesmal waren die Enkelkinder aus Paris angereist. Mena, die 4-Jährige, durfte ihre mitgestalteten Lichter tragen. Der Grossvater schnitzte nach ihren Vorgaben die Motive in die Räbenhaut. Einige der Dekorationen nannte Mena „artifices“, Kunstgebilde. Es gehörten wie immer Sonne, Mond und Namen dazu, aber auch Häuser, Bäume, Blumen. Mit einem Bleistift stupfte Mena winzig kleine Löcher in die Haut und brachte zu unserem Erstaunen einen strahlenden Sternenhimmel hervor. Letizia faszinierte uns mit einem Schneestern, den sie mit Hilfe einer Guetzliform (Gebäck-Ausstechform) auf die Räbe zauberte. Der Kinderwagen der kleinen Nora wurde auch mit Räbenlichtern dekoriert.
 
DieTee-Lichter in den ausgehöhlten Räben brachten ganz allgemein wieder viele Kunstwerke zum Leuchten. Da immer auch Mütter und Väter aus fernsten Ländern mitmachen, kommen neue Ideen dazu. Räbenlichter können nicht fertig gekauft werden. Sie müssen selber geschaffen werden. Gemeinschaftszentren bieten Hilfe an. Auch in Jugendgruppen werden Kinder angeleitet. Wir bewunderten auch diesmal wieder viele Techniken und sammelten Ideen fürs nächste Jahr. Die Räbenlichter-Tradition ist wirklich ein kulturelles Ereignis und mobilisiert die Phantasie.
 
Als ich heute Abend wieder am Röschibachplatz vorbei kam, war es dort ganz still, unwirtlich und dunkel. Es regnete. Hier stand der Umzug letzte Woche still. Eine Jazz-Band steigerte die Festfreude. Die Kinder staunten. Es war ein Zauber auszumachen.
 
Die Räben wurden selbstverständlich nach Gebrauch nicht fortgeworfen. Jetzt hängen sie am Balkon von Letizias Wohnung, wo der Umzug jedes Jahr durchkommt. Zwei sind in unserem Garten an Ästen der Kiefer aufgehängt und werden jeden Abend mit neuen Lichtern gefüllt. Obwohl bereits etwas geschrumpft, erfüllen sie weiterhin ihren Auftrag, Licht in die dunkle Jahreszeit zu bringen.
 
Hinweis auf weitere Blogs zur Kultur in Zürich
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst