Textatelier
BLOG vom: 13.12.2006

Verletzte Gefühle: Was man sagen und nicht sagen darf

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Weihnachtsbäume müssen entfernt werden, weil sie Menschen mit einem anderen als dem christlichen Glauben in ihren religiösen Gefühlen verletzen könnten. Im Flughafen Seattle in unserem Vorbildland USA wurden sie entfernt, nachdem der ultraorthodoxe Rabbi Elazar Bogomilsky mit einer Klage gedroht hatte, falls nicht auch eine grosse Menora (siebenarmiger Leuchter der jüdischen Liturgie) aufgestellt werde. Eine Moschee aus Karton hat er nicht gefordert. Ich selber war einmal im Dezember in Israel am Toten Meer. Den allergiekranken Kurgästen in einem Kurhotel wurde untersagt, ein Plastikweihnachtsbäumchen aufzustellen. Gefühle sind alles.
 
Das Absingen von Weihnachtsliedern fällt unter die Antirassismusgesetzgebung und ist deshalb hoch gefährlich. 80 % der britischen Firmen verzichten aus einer begründeten Angst vor Klagen auf Weihnachtsfeiern. Ins gleiche Kapitel gehören die Kopftuch-Diskussionen in unserer Multikultigesellschaft – und hoffentlich auch bald die Dächlikappen-Diskussion: Schirmmützen erinnern an die USA-Mode und verletzen meine ohnehin ausreichend verletzten US-Gefühle zusätzlich.
 
Darf man noch über Schnee, Kälte und Gletscher schreiben, nachdem es solche Erscheinungen in den Tropen nicht gibt und genau dies die Gefühle der Bewohner von heissen Ländern verletzen könnte. Zum Glück entschärft sich das Problem gerade, nachdem auch bei uns die Temperaturen markant steigen. Anderseits bitte ich doch auch sehr, auf den Begriff Tropenfrüchte zu verzichten, der doch unsere Apfelbauern und Süssmoster in Depressionen treibt. Auch auf Benennungen von alledem, was mit Reichtum zu tun hat, sollte dringend verzichtet werden, weil die neoliberale Globalisierung bekanntlich so viele Arme hervorbringt. Auch über Pflanzen sollte nicht länger gesprochen werden, weil das die Wüstenbewohner auf die dort meist fehlenden Palmen bringen könnte.
 
Der Gemeinde Biberstein, in der ich wohne, empfehle ich hiermit dringend, den Namen abzuändern, denn Gemeinden, in denen es weit und breit keine Biber gibt, könnten sich zurecht benachteiligt fühlen und Klage einreichen. Stein wäre erträglicher, denn den einen oder anderen Stein gibts überall. Viele Gemeinden namens Stein verhalten sich vorbildlich.
 
Selbstverständlich sind in Zukunft auch Geburtstagsfeiern höchst gefährlich, wegen all jenen, die an einem bestimmten Tag keinen Geburtstag haben und nicht auch im Zentrum stehen können. Sie sind dann eindeutig diskriminiert. Das Absingen von „Happy Birthday“ ist ohnehin verboten, weil damit US-Urheberrechte verletzt werden. Das kann dann teuer werden. Die USA bespitzeln nicht nur den SWIFT-Zahlungsverkehr, sondern auch Feierstunden; nur so können sie nämlich herausfinden, wo die Geldtransaktionen am Ende landen.
 
An andere Wort- und Wortkombinationen-Unterdrückungen hat man sich längst gewöhnt. So durfte man die Wörter „Atombomben“ und „Israel“ nie zusammenbringen; ein ortsansässiger Journalist, der dies tat, kam jahrelang hinter Gitter. Doch jetzt hat sich der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert gerade verplappert. Im Interview mit dem Fernsehsender Sat1 verglich Olmert die aggressive Politik des Irans mit „zivilisierten Ländern“, die Atomwaffen besitzen. Bei den Zivilisierten sind die Bomben in den richtigen Händen, wie man seit Hiroshima weiss. In einer Aufzählung von Atommächten nannte Olmert am TV neben Frankreich, den USA und Russland versehentlich auch Israel. Das kann ja einmal passieren. Jetzt hat er den Dreck: In Israel lösten Olmerts Äusserungen Empörung aus. Der Abgeordnete der oppositionellen konservativen Likud-Partei, Yuval Steinitz, forderte den Rücktritt des Ministerpräsidenten und sprach von einem unverantwortlichen Lapsus, der die Politik von fast einem halben Jahrhundert in Frage stellt. Dem Mann kann man nur zustimmen.
 
Mit der Wahrheit sollte man besonders vorsichtig umgehen, gerade in der Politik, wo sie überhaupt nichts zu suchen hat. Überhaupt sollte man sich vor der Wahrheit hüten. Denn sie verletzt die Gefühle all jener, die sich das Lügen zum Lebensstil und Lebensinhalt gemacht haben.
 
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