BLOG vom: 05.01.2007
Wiedersehen mit Verkehrshaus Luzern und H. Ernis Werken
Autor: Walter Hess, Biberstein CH
Im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern kam ich mir (Jahrgang 1937) richtig alt vor, museumsreif: Autos, Velos in Stromlinienform, Flugmaschinen aus den 1950er-Jahren, die guten alten grünen SBB-Eisenbahnwagen mit den steilen Einstiegstreppen, die regelrecht erklettert werden mussten, schwarze Dampflokomotiven-Kraftpakete, Dampfschiffe, alte Radios, die hier als Monumente der Technikgeschichte herumstehen, waren während meiner Kindheit und Jugendzeit noch der letzte Schrei und gehörten zum normalen Alltag. Was mir insbesondere beim Betrachten der Verkehrsmaschinen von damals und früher aufgefallen ist, sind die schweren Bauarten – für die Ewigkeit – und die liebevollen Verzierungen. Die Techniker und Maschinenbauer verbündeten sich mit Künstlern, schufen qualitativ hochwertige Bijous, die auch ästhetische Ansprüche befriedigten.
Man schaue sich einmal die Eleganz der alten gelben Kutschen an, die von einem Gespann aus 5 Pferden über den Gotthard gezogen wurden und auch sonst überall anzutreffen waren, bis sie dann von Postautos abgelöst wurden, oder die weitgehend offen gelegte Technik einer gewaltigen Dampflokomotive oder eines Dampfschiffs, wie sie während Jahrzehnten nicht nur den Vierwaldstättersee optisch verschönert haben. Die Transportbedürfnisse wurden also auf höchst ansprechende, geradezu gemütvolle Art erfüllt. Vor allem bei den Schiffen und Flugzeugen wurden die Einheiten im Verlaufe der Zeit immer grösser bei abnehmender Manövrierfähigkeit.
Das Verkehrshaus in Luzern, das seit 1959 besteht, gilt zu Recht als vorbildliches Museum. Mit Ausnahme filigraner Miniaturausgaben und Kunstwerken wie Schiffsmodellen aus Elfenbein und Silber sind die meisten Objekte zugänglich; zumindest sind sie handgreiflich. Alles ist ausführlich beschriftet, logisch (meist chronologisch) aufgereiht, den geschichtlichen Ablauf aufzeigend, und es gibt für Kinder und Erwachsene viele Möglichkeiten, selber aktiv zu werden und gewisse Prozesse auszulösen, wie etwa im Sektor Telekommunikation oder beim Astronautentraining. Selbst ein kleiner Tornado kann per Knopfdruck ausgelöst werden. Und in einem Radio- und einem Fernsehstudio kann jedermann Moderator spielen und zeigen, wie ein richtig gutes Programm aussehen sollte.
Die Verkehrs- und Kommunikationsgeschichte ist nie abgeschlossen, und das Verkehrshaus entwickelt sich mit. Dementsprechend ist auch der modernen Telekommunikation viel Platz eingeräumt. Im Moment wird gerade ein 50-Millionen-CHF-Projekt gestartet; die bestehenden Hallen sollen nicht einfach restauriert, sondern neu gebaut werden. Das jetzige Eingangsgebäude und die angrenzende Halle COM 1 werden in den nächsten Wochen abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Ab dem 1. Quartal 2008 wird eine neue Halle „Strassen- und Individualverkehr“ gebaut, und die Grossflugzeuge auf dem Freigelände (Coronado und DC-3) werden verschoben – es kommt also wieder Bewegung ins Verkehrshaus. Bis zum 50. Geburtstag am 27. Juni 2009 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, und das Verkehrshaus wird also selber zu einem Teil der Verkehrsgeschichte. Das Museum wird auch während der Um- und Neubauphase täglich zugänglich sein, und es würde mich nicht wundern, wenn das Neubauen selber zu einer Ausstellungsattraktion würde.
Es lag mir daran, das Verkehrsmuseum vor der Neugestaltung nach vielen Jahrzehnten wieder einmal zu erleben, und am 3. Januar 2007 war der Zeitpunkt dafür reif. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Platzverhältnisse in den Hallen schon sehr prekär geworden sind. Alles ist vollgestopft. Die Flugzeuge in der Luftfahrtschau fliegen beziehungsweise hängen kreuz und quer durcheinander; da ist sozusagen jeder Quadratzentimeter des kostbaren Luftraums ausgenützt. Hier verschwinden selbst voluminöse Doppeldecker im Flügel-Gewimmel der Tragflächen, Kabinen und Cockpits. Ein Ausweichen in den Weltraum ist unmöglich – im Gegenteil: Die Weltraumeroberung frisst selber viel Platz. Und auch die Eisenbahnen stehen in der Halle „Schienenverkehr“ so dicht gedrängt, dass nur noch wenig Raum für die Besucher-Passagiere besteht. Die Automobilgeschichte ihrerseits musste offensichtlich sehr verknappt werden. Selbst die Seilbahnen inkl. dem wohnlich möblierten Wetterhornaufzug von 1918 kommen sich ins Gehege, sind Kollisionen nahe.
Wir waren etwa 6 Stunden im Verkehrshaus, bis es um 17 Uhr geschlossen wurde. Zum Besuch des IMAX-Filmtheaters, das seit Mitte 1996 besteht, reichte die Zeit nicht mehr; wir hatten etwas Ähnliches kurz vor der Schliessung des Mysteryparks von Erich von Däniken bei Interlaken kürzlich noch erlebt: Grossformatfilme, bei denen der Zuschauer im Mittelpunkt ist. Auch das Planetarium im Verkehrshaus mit dem Einblick ins Himmelsgeschehen mussten wir links liegen lassen.
Ernis Wirken
Dafür reichte die Zeit noch für Hans Erni. Ich wollte seinem Schaffen unbedingt wieder einmal begegnen. Er ist 1909 in Luzern geboren und für mich ein alter Bekannter, begegnete und begegnet man doch seinen Werken überall, auf Briefmarken, Plakaten und Gemälden. Eine Banknotenserie für die Schweiz, an der er 1938 beteiligt war und die auch gedruckt wurde, kam nie in Umlauf, weil er von einem Luzerner Parlamentarier als „Kommunist“ bezeichnet wurde, eine Auffassung, die sich dann in der Schweiz während des Kalten Kriegs hartnäckig hielt.
Im Herbst 1994 konnte ich Hans Erni als damaliger Chefredaktor der Zeitschrift „Natürlich“ bewegen, ein Schwerpunktthema („Macht Sport krank?“, 1994-11) zu illustrieren, da er die Bewegungen des menschlichen Körpers wie kaum ein Zweiter darstellen kann. Wir bemühten uns in allen Belangen um eine erstklassige Qualität, und so erreichten wir ein denkendes, anspruchsvolles Publikum. Im Stil der altgriechischen Kunsttraditionen hat Hans Erni Kunst und Sport zu einer Einheit verschmolzen. Seine von einer unnachahmlichen Dynamik und Dramatik geprägten Bilder liessen die körperliche und mentale Kraft als unteilbares Ganzes erkennen. Das Honorar richtet er auf unser beschränktes Budget aus, und so habe ich ihn auch von dieser Seite her als höchst anständigen Menschen kennen und schätzen gelernt.
Auf dem Verkehrshaus-Gelände steht das am 15. September 1979 eröffnete Hans Erni Museum, in dem auch Bücher über ihn und sein Schaffen gekauft werden können. Auf 3 Etagen begegnet man den Ergebnissen seiner gewaltigen Schaffenskraft, formal durchgestaltete Arbeiten, von denen viele eindringlich zu einem sorgfältigeren Umgang mit der Natur aufrufen und soziale Missstände sowie die unbarmherzige Zivilisation kritisieren. Meines Erachtens sollte es noch viel mehr solcher „Kommunisten“ wie Hans Erni geben; diese Erde befände sich dann in einem ökologisch besseren und sozial erträglicheren Zustand, und es gäbe mehr Frieden (seine Webseite: www.hans-erni.ch). Er gestaltete 1984 6 Briefmarken für die UNO („Eine Zukunft für Flüchtlinge“).
Im Hans Erni Museum wurde im Jahr 2006 zu seinem 97. Geburtstag eine Sonderausstellung eröffnet (bis Ende Januar 2007): „Unbekannter Erni.“ Sie zeigt viele typische, aber auch eher ungewohnte Arbeiten aus Archivbeständen vor allem aus den 1960er-Jahren. Eine Auswahl der originalen Werke für „The Macdonald Illustrated Library“ gibt Einblick in Ernis Wirken für diese in London herausgegebene Enzyklopädie, die er als künstlerischer Direktor begleitete.
Man kann sich fragen, was denn Hans Ernis Werk auf dem Verkehrshaus-Areal zu suchen habe. Die beiden Disziplinen Kunst und Technik scheinen auf den ersten Blick wenig Beziehungspunkte zu haben, auch wenn sie sich in der Praxis immer wieder verbunden haben. Doch wie das Verkehrshaus, so zeigt auch Erni den unablässigen Wandel von Mensch und Kultur. Er verknüpft beides, weist auf die Gefahren einer technikorientierten Welt hin und erinnert daran, dass darin auch die Musen im besten Sinne und nicht einfach als Eventobjekte ihren Platz finden müssen.
Damit gibt das Erni-Museum dem Verkehrshaus die nötige zusätzliche Dimension, eine Ergänzung, die zur erweiterten Abrundung beiträgt und all die imposanten Vehikel, mit denen wir uns bewegen, zu gegenständlich und zeitlich relativierten mobilen Figuren innerhalb eines feststehenden Ganzen werden lässt.
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