BLOG vom: 11.02.2007
An die Werber und Grafiker: Bitte um etwas mehr Sorgfalt!
Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
Seitdem es die computertechnischen Möglichkeiten gibt, Bilder verändern zu können, begegne ich oft Publikationen, denen der eigentliche Wahrheitscharakter abhanden gekommen ist. Sie gaukeln etwas vor, das so nicht der Realität entspricht. Wenn nicht vermerkt ist, dass es sich um eine Fotomontage handelt, dann ist die Bildaussage für mich unwahr. Eine Art Lüge.
Beispiel: Das Restaurant „Mère Catherine“ im Nägelihof, nahe beim Grossmünster in Zürich, wirbt mit einer Postkarte für Mittelmeergefühle und die feine Mittelmeerküche in Zürich. Sie suggeriert Zürich mit Meeranstoss. Die Luftaufnahme über die rechte Seeuferseite, dort wo die Limmat aus dem See ausfliesst, wurde so verändert, dass es den Fluss nicht mehr gibt und Zürich mit feinem Sandstrand am Meer liegt. Das Limmatquai und die Altstadt rund ums Grossmünster blieben unangetastet. Für alle, die Zürich kennen, ist das eine lustige Sache. Schicke ich diese Karte aber Freunden, die noch nie in Zürich waren, nehmen sie automatisch an, sie entspreche der Wahrheit. Denn es fehlt ein Hinweis darauf, dass es sich um eine Fotomontage handelt.
Ebenso stört mich die Rückseite des „ZürichCARD-Guide 2007“, der für eine Pauschalkarte wirbt, die sowohl den Eintritt in über 40 Museen, freie Fahrt mit Tram, Bus, Bahn, Schiff und Seilbahn im Bereich des Zürcher Verkehrsverbunds und einige weitere Angebote beinhaltet. Das Titelblatt zeigt das Grossmünster mit dem Limmatschiff. Auf der Rückseite dieses Führers finden wir Zürich und Umgebung aus der Vogelperspektive. Ein Bild ganz in Grün, nur aus Landschaft bestehend. See, Limmat und Sihl sind angeschrieben. Die Stadt und die gesamte Besiedlung dieses Gebietes sind aber ausradiert. Mitten im Bild nur der kurz vor der Vollendung stehende Sihlcity-Komplex.
Ich verstehe. Die Werber wollen uns das Verhältnis dieser grossen Sihlcity-Innovation zeigen. Diese so genannte „kleinste Grossstadt“ ist gewaltig. Sie wird 80 Läden, 13 Restaurants, 1 Fitness-/Wellnesscenter, 9 Kinos, 1 Kulturhaus, 4 Tanzflächen, 132 Hotelzimmer beherbergen. Eröffnung am 22. März 2007.
Aber wieder meine Frage: Werden Aussenstehende mit solchen Bildern nicht getäuscht? Zürich ist eine Stadt. Die Steine dominieren. Es gibt Grünflächen und Parks, aber keine unbebaute Landschaft, wie sie abgebildet ist. Und bitte: Ist denn ein solcher Führer nicht in erster Linie für Menschen gedacht, die Zürich entdecken wollen? Wir, die wir hier leben, können ob solchen Konstruktionen ja lachen. Muss ich jetzt immer warnen, wenn ich Freunden im In- und Ausland solche Broschüren zustelle, damit sie dann nicht enttäuscht sind?
Ein ähnliches Thema ist mir heute Morgen ganz unerwartet auch noch beim Kauf eines Liters Milch begegnet. Genau gesagt spreche ich von einem Liter Milchdrink mit dem Label „Zürich region“ und dem Hinweis des Migros-Engagements „Aus der Region. Für die Region“. Diese Milch hat unnötigerweise eine neue Verpackung bekommen. Die alte war schlicht und unspektakulär, gab aber den Eindruck von etwas Unverfälschtem, Natürlichem.
Jetzt wird mit der neuen Aufmachung auf ein Produkt der Region verwiesen und man benützt Bilder der Stadt. Im Label „Zürich region“ treffen wir das Grossmünster als Buchstabe „Ü“ an. Zudem ziert eine schlecht reproduzierte Foto des Limmatquais vier Seiten der Milchpackung. Züribiet ist aber nicht Stadt-Gebiet. Es weist auf den Kanton mit seiner Landwirtschaft hin. Die grafische Umsetzung orientiert sich aber nicht daran. Ich lebe seit 1947 in Zürich und habe nie bemerkt, dass am Limmatquai, einer langen Flaniermeile mit historischen Häusern, Kühe grasten.
In meinen Augen ist es eine Beleidigung den Milchproduzenten gegenüber, dass sie ihr landwirtschaftliches Produkt mit Bildern aus der Stadt verkaufen müssen. Hier fehlt so ziemlich in allen gestalterischen Belangen ein Feingefühl und Sorgfalt. Mich stört auch die unterschiedliche Schreibweise des Worts Region. Im Label klein, im so genannten Versprechen von Migros „Aus der Region. Für die Region.“ dann wieder gross.
Das alles beelendet mich. Etwas mehr Wahrhaftigkeit und Sorgfalt täte unserer Alltagswelt gut, und vor allem die Kinder fänden wieder eine Basis, auf der sie ihre Entdeckungen zu rechtem Wissen aufbauen könnten.
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