Textatelier
BLOG vom: 20.02.2007

Die Parabel vom Mann, der Wasser schöpfen musste

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Am Sonntagmorgen. Ich hatte gerade die Sendung „Perspektiven“ über „Demut, ein christliches Urwort kehrt zurück“ auf Radio DRS 2 gehört und mich danach gefragt, was bewirken eigentlich solche Sendungen? Wir hören zu und dann, was geschieht dann?
 
Das Thema erinnerte mich an etwas in mir vor Jahrzehnten Eingelagertes, und es ergänzte dieses, doch könnte ich jetzt den ganzen Beitrag mit dem Gespräch zwischen Lorenz Marti und dem Basler Theologen Michael Bangert nicht wiederholen.
 
Es war einfach eine halbe Stunde wohltuender Konzentration, innerer Ruhe und Zustimmung. Danach Freude, dass dieses Thema nach langer Zeit wieder einmal besprochen worden ist. Und Hoffnung, dass es an vielen Orten gut ankomme, denn es kam frisch und lebendig daher.
 
Und heute ist mir die passende Parabel noch in den Sinn gekommen. Ich hatte sie vor gut 20 Jahren einmal gehört und dann aufgeschrieben. Sie beantwortet meine Frage. Da ist sie.
 
Ein Glaubender, der sich unglücklich fühlte, weil er alles, was er jeweils aus den Schrift-Auslegungen seiner Religion hörte, gleich wieder entschwinden sah, suchte einen Weisen am Rand der Wüste auf. Ihm schilderte er sein angebliches Unglück, das reiche Gut seiner Religion nicht fassen zu können.
 
Anstatt auf seine direkte Frage einzugehen, schickte ihn der Weise mit einem geflochtenen Korb, der bis anhin verstaubt in der Ecke seines Zeltes gestanden hatte, zum Brunnen und hiess ihn, Wasser holen. Der Mann tat, wie ihm geheissen, hoffte vielleicht auf ein Wunder, denn jedem ist im vornherein klar, dass ein lockeres Geflecht keine Flüssigkeit aufbewahren kann. Und so war es auch. Kaum geschöpft, sickerte das Wasser davon.
 
Der Fragende kam zurück und bedauerte, dass er die Aufgabe nicht erfüllen konnte. Der Weise aber verhielt sich ungerührt und schickte ihn mit demselben Auftrag erneut fort. Muss ich vielleicht zuerst eine besondere Geduldsprüfung bestehen, überlegte er sich. Mit dieser Haltung fiel es ihm nicht so schwer, noch einige Male mit immer demselben Auftrag erfolglos an den Brunnen geschickt zu werden.
 
Dann aber bekam er die Antwort.
 
Der Weise fragte: „Was ist mit dem Korb geschehen. Schau genau hin!“
„Er wurde gereinigt, ist jetzt sauber.“
„So ist es. Und so verhält es sich mit den gehörten Worten. Auch sie sickern durch, aber sie reinigen dich.“
 
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