BLOG vom: 24.02.2007
Nicht allein im Restaurant: Wer nicht aufisst, wird bestraft
Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong hat wie viele andere Metropolen der Welt mit riesigen Abfallbergen zu tun. Es gibt kaum noch Platz auf den Müllkippen. Was soll man unternehmen, um den Müll zu reduzieren? Die findigen Restaurantbesitzer in Hongkong kamen jetzt auf eine glorreiche Idee. Wie die „South China Morning Post“ und dpa am 22.02.2007 berichteten, werden jetzt die Kunden mit einer Strafe belegt, die ihren Teller nicht leeressen. Die Strafen sind gering. Die „Straftäter“ müssen umgerechnet bis zu 20 Hongkong-Dollar (etwa 1,90 Euro) blechen. Ob sich dadurch die 700 Tonnen Speisereste, die täglich in der 7-Millionen-Stadt anfallen, etwas reduzieren lassen, bleibe dahingestellt. Bezahlen musste bisher noch niemand. Welcher Restaurantbesitzer will Kunden verlieren!
Grundsätzlich wäre wohl zweckmässiger, wenn in den Restaurants besser gekocht würde (in Hongkong sind ja nicht die schlechtesten), dann blieben wohl Essensreste kaum übrig. Oder man bietet kleinere Portionen zusätzlich an.
Bei uns im südlichen Schwarzwald gibt es inzwischen viele Restaurants, die Seniorenteller oder halbe oder kleine Portionen zu einem geringeren Preis zusätzlich anbieten. Auch beim Italiener kann man jetzt zwischen einer grossen und kleinen Pizza wählen. Die kleine Pizza kostet dann 1 Euro weniger. Auch gibt es kleine oder grosse Salatportionen.
Alle diese Angebote finde ich super. Der starke Esser wird mit einer grossen Portion satt und der nicht so üppige Esser geht dann nicht mit schwer durchhängendem Magen nach Hause oder sorgt durch zurückbleibende Essensreste für Müllberge.
Aufessen war angesagt
Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich an frühere Zeiten. In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts musste die Nachkriegsgeneration alles aufessen, was auf den Teller kam. Auch mir und meiner Schwester passierte dies. Mein gestrenger Stiefvater achtete genau darauf, dass die Teller leergeputzt wurden. „Ihr steht erst auf, wenn ihr alles aufgegessen habt“, war seine Devise. Oft bekamen Kinder auch diesen Unsinn zu hören: „Wenn du aufisst, dann gibt es schönes Wetter."
Ab und zu gab es Gerichte, die mir und meiner Schwester partout nicht zusagten. So gab es in rauen Mengen Spinat- und Pilzgerichte. Ein Graus waren mir Speisen mit geschnetzelter Lunge oder gekochtem Rindfleisch mit einem Fettrand. Daran kaute ich manchmal so lange herum, bis ich die Speisen mit Widerwillen hinunterwürgte. Als wir einen Dackel bekamen, gab ich dem Vierbeiner so manches Stück Fleisch von meinem Teller ab. Ich liess dann die Happen dezent unter dem Tisch verschwinden. Der Hund und ich waren dann zufrieden.
Auch von Bekannten hörte ich ähnliche Geschichten. Viele mussten die Teller leer essen. Heute ist es so, dass die überfütterten Kinder oft von den Eltern Folgendes zu hören bekommen: „Iss nur so viel du willst“ oder „Iss, bis du satt bist.“ So haben sich die Zeiten geändert. Wenn ich in Gaststätten mich umblicke und Kinder sowie auch Erwachsene beobachte, dann geht viel Unaufgegessenes zurück.
Wenn die Kinder nicht alles aufessen, machen sich ab und zu Eltern über die Essensreste her. So berichtete mir ein Bekannter vor einigen Jahren folgende Begebenheit: Als einmal Verwandte zu Besuch waren und der Vater wieder seinen grossen Appetit demonstrierte, störte sein jüngerer Sohnemann die allgemeine Schmatzerei mit folgenden eindrucksvollen Worten: „Wenn wir unseren Pa nicht hätten, müssten wir uns eine Sau anschaffen.“
Da wurde nur noch gemeckert
Es gibt Männer, die an allem etwas auszusetzen haben. Besonders beliebt scheint sich die Unzufriedenheit beim Essen zu entladen. Das Essen schmeckt entweder zu fad oder ist versalzen oder verkocht. Wenn sich diese Meckerei des Öfteren wiederholt, dann ist es durchaus möglich, dass der Nörgler seine Frau oder Freundin von einer ganz anderen Seite kennen lernt.
Als vor einigen Jahren in der Nähe meines Wohnortes ein Ehemann wieder herummäkelte und nichts essen wollte, nahm die feurige Frau den Spaghetti-Topf und leerte ihn über den Kopf des Unzufriedenen. Ein anderes Mal schleuderte die Furie einen gefüllten Teller an die Wand. Wie ich hörte, ist der Mann jetzt vorsichtiger bei der Beurteilung des Essens. Man weiss ja nie, zu was die Frau noch fähig ist.
Der unverschämte Werkskoch
Auch in so manchen Kantinen wird nicht immer gutes Essen angeboten. Ich erinnere mich noch gut an den Werkskoch der Kantine des Pharmaunternehmens Thomae in Biberach D. Dort war ich von 1968 bis 1976 im Analytischen Labor tätig.
Der besagte Koch stammte aus dem Rheinland und kochte manchmal Dinge, die für die oberschwäbischen Mägen nicht so gut verdaulich waren. Viele Speisen gingen zurück und füllten die Abfallbehälter. Wie ich mir sagen liess, wurden die Speisenreste an Schweine in der Umgebung verfüttert. Nach einiger Zeit landeten Schnitzel dieser Vierbeiner wieder in der Kantine. Der Kreislauf wurde damit geschlossen.
Eines Tages beschwerte sich ein Esser wegen einer Blattlaus im Salat. Der Koch sprach sehr freundlich: „Schätzen Sie sich doch glücklich, mein Herr. Sie sind der Einzige von 2000, der eine Laus gefunden hat. Wenn ich könnte, würde ich Ihnen einen Finderlohn zahlen.“
Eines Tages wurde ein zähes Stück Rindfleisch dem Koch beinahe zum Verhängnis. Aber auch hier wusste er die passende Antwort zur rechten Zeit. Als ich den Teller mit einem Rindfleischstück an die Spüle zurückgeben wollte, kam mir der Koch in die Quere. Ich beschwerte mich mit den Worten: „Heute war aber das Fleisch zäh, man konnte es kaum kauen.“ Der schlagfertige Koch erwiderte: „Mein Lieber, das liegt nicht am Fleisch, sondern an ihren Zähnen!“
Der fliegende Schokopudding
Die folgende lustige Geschichte ereignete sich in einem Landschulheim. Dort wollte ein Junge den schlechten Schokopudding nicht essen. Mein Enkel, der immer erpicht ist auf das Anhören von Streichen aller Art, musste laut lachen, als ich ihm die unten stehende Geschichte erzählte.
2 Brüder kamen im Rahmen einer Landheimverschickung nach Altglashütten (Ortsteil von Feldberg-Ort) zur Erholung. Da sämtliche Burschen zu wenig wogen, wurden sie mit einheimischer Kost gehörig aufgepäppelt. Als besondere Delikatesse gab es Schokopudding mit Haut. Diese Köstlichkeit wurde von fast allen mit Begeisterung verputzt. Nur einer der Brüder konnte dieses „gruusige Züg“ nicht herunterwürgen. Zum Glück erbarmte sich Kalle, der grössere Bruder, und ass die Portion des Jüngeren. Dies wurde von der Köchin beobachtet. Er bekam einen neuen Pudding serviert. Die masochistische Heimleiterin meinte: „Du bleibst solange sitzen, bis du den Pudding ausgelöffel hast.“
Die anderen Kinder wurden in die Mittagspause geschickt, nur Kalle durfte bleiben, aber er musste sich am anderen Ende des Tisches setzen. Alle 5 Minuten wurde kontrolliert, ob der Bursche nicht schummelte. Dann wurde es dem Älteren zu bunt, er packte die Schüssel und leerte den Inhalt aus dem Fenster. Dann durften die beiden gehen, aber nur bis zum Hauseingang. Dort stand schon der Herbergsvater und schimpfte, was das Zeug hielt. Er stand nämlich just zu jener Zeit, als der Pudding flog, vor dem Hauseingang und verspeiste eine Haselnussschnecke. Der Pudding verfehlte ihn nur knapp. Der Puddingfeind bekam mit einem Stecken einige Schläge aufs „Füdle“. Aber das war nicht das Schlimmste. Die Köchin bereitete eine neue Portion Pudding. Die musste er zähneknirschend essen.
Quelle: „Lueginsland“ („Zum Lache“), „Badische Zeitung“, 12. August 2000.
Früher wurden Kinder regelrecht gequält, das zu essen, was den Erwachsenen schmeckte. Zum Glück sind heute die Zeiten der strengen Erziehung vorbei. Allerdings wird die Erziehung heute jedoch oft zu lasch durchgeführt. Und das ist wiederum auch nicht das „Gelbe vom Ei“. Das vernünftige Mass ist offenbar schwer aufzutreiben. Und die Müllberge werden weiter wachsen, während in vielen Gegenden der Erde hungrige Mäuler nach Nahrung lechzen. Verkehrte Welt der Irritationen!
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