BLOG vom: 31.03.2007
An der „Côte d’Allure“ – der Küste der Hochnäsigkeit
Autor: Emil Baschnonga, London
Mit der Côte d’Allure ist nicht die Côte d’Azur in Südfrankreich gemeint.
Am vorletzten Donnerstag in aller Herrgottsfrühe sass ich wieder einmal im Taxi zum Gatwick-Flughafen. Meine arbeitsbedingten Reiseziele waren diesmal Nizza und Monaco. Wäre es zum Vergnügen gewesen, hätte ich munter gepfiffen … Recht missmutig reihte ich mich in die lange Warteschlange ein, musste das übliche Striptease erdulden und dabei sogar meine Schuhe ausziehen. Alsdann sass ich eingeengt auf meinem Sitz im „Easy Jet“, was für mich mit unruhigem Sitzleder nicht so einfach ist.
Meine Lebensgeister erwachten erst, als das Flugzeug zur Landungsschleife unterm blauen Himmel und über der gleichblauen Meeresbucht, zutreffend als „Baie des Anges“ (Bucht der Engel) bezeichnet, ansetzte. Lange ists her, seitdem ich – immer auf geschäftlicher Tour – in Nizza und Monaco gewesen bin. Meine Neugier war gereizt.
Vom Flugplatz in Nizza nahm ich den Bus 98 Richtung „Hôtel Suisse“, wie es sich für einen Eidgenossen ziemt. Bekannte hatten mir dieses Hotel ganz am Ende des „Quai des Etats-Unis“ – anschliessend an die „Promenade des Anglais“ – empfohlen. Das „Hôtel Suisse“ klebt förmlich am Felsen des „Colline du Château“. Hinter dem Felsblock auf der anderen Seite befindet sich ein pompöses Kriegsdenkmal. Die Engländer und die Amerikaner sollten dort, sofern es noch Platz hat, ihre eigenen Denkmäler für die Opfer ihrer Kriege in Irak und Afghanistan bauen, geht mir durch den Sinn.
Ich stellte meine Reisetasche im Hotel ab und erfuhr, dass mein Kollege aus Deutschland mit 2-stündigem Flugverzug eintreffen werde. Also nichts wie los, um Nizza etwas zu beschnuppern. Innert 5 Minuten war ich inmitten des Blumenmarkts im lang gezogenen „Cours Saleya“ – welch’ eine Augenweide! Zwar gingen die Nizzaer fast winterlich bekleidet ausser Haus; mir hingegen war es wieder warm ums Herz. Ich war froh, dem feuchttrüben Londoner Wetter entronnen zu sein. Hinter einer Glaswand und vom Wind abgeschirmt genoss ich bald meinen 1. Kaffee, ehe ich mich durch das Gewirr der engen Altstadtgässchen schlängelte. Dabei stellte ich erstmals fest, dass die Strassentafeln 2-sprachig beschrieben sind, auf Französisch und auf Italienisch.
Nizza ist seit meinem letzten Besuch vor x Jahren eindeutig sauberer geworden. Um diese Jahreszeit war Nizza zum Glück noch nicht von Touristen überrannt. Die Boutiquen waren durchwegs leer. Hier gibt es mehr Restaurants als Boutiquen, fiel mir auf, schätzungsweise eines pro Einwohner im alten Stadtteil. Kommt die Sommerzeit, reichen selbst diese kaum aus, die vielen Feriengäste zu füttern.
Nizza bietet nicht die architektonische Pracht vieler Städte, die ich besucht habe. Ich hielt kurz vor dem pompösen „Palais de Justice“ inne, flanierte an der „Opéra“ vorbei und schaute besorgt auf die Uhr und hastete ins Hotel zurück, denn der Arbeitstag stand mir bevor. Immerhin hatte ich noch eine genussvolle Viertelstunde auf der Bank mit Sicht auf die Meeresbucht, bis mein Kollege im Mietauto vorfuhr.
Nachdem ich mich neben ihn gesetzt hatte, wollte ich ihn nicht davon abhalten, seine Navigationshilfe zu programmieren. Er hatte seinen Spass daran und brachte fertig, was ich selbst nie fertig gebracht hätte. Ich wäre einfach der Küstenstrasse weiter Richtung Monaco gefahren. Die Frauenstimme meldete sich monoton: „Nach 200 Meter links abbiegen, dann rechts einbiegen, über die nächste Kreuzung geradeaus weiter ...“ So kamen wir flugs mitten in einen diabolischen Stau, denn eine Schneise durchschnitt Nizza gerade hinter der Altstadt: Eine Tramlinie wurde gebaut. Die Fahrbahn war furchtbar eingeengt. Es dauerte eine gute Stunde, bis wir aus diesem Schlamassel heraus waren.
Monaco ist hässlich und mit Klötzen bis zum Kotzen überbaut. Bis wir endlich einen Parkplatz beim Stadium gefunden hatten, war wiederum eine gute halbe Stunde verstrichen. Hinter den Fassaden vermeintlicher Bürogebäude verstecken sich vielerlei Fabrikationsanlagen für Autobestandteile, und auch für Lebensmittel – unser eigentlicher Besuchszweck. Wer hätte dies im Fürstentum vermutet? Der gute Prinz Albert II. hat ausserdem, wie seine Vorgänger auch, dafür gesorgt, dass dieser Felsenbrocken ein Steuerparadies für die Superreichen bleibt, denen es nichts ausmacht, den Lebensverdienst eines Arbeiters an einem Abend im Kasino zu verspielen. Auch die Gewerkschaften haben in seinem Fürstentum nichts verloren, was erklärt, weshalb sich so viele Unternehmungen in Monaco angesiedelt haben. Die Arbeitslöhne sind niedrig angesetzt, dank des Zustroms von italienischen Arbeitskräften.
Unser Treffen mit dem Geschäftsführer ging flott über die Bühne und verlief zur beidseitigen Zufriedenheit, so sehr, dass wir zum Abendessen in Nizza eingeladen wurden. Das freute mich und meinen Kollegen auch, als wir diesmal abseits der Autostrasse über die an Felsen geschmiegte Strasse nach Nizza zurück fuhren.
Ein letztes Navigationsproblem gab es noch zu überwinden: Wie kommen wir zum „Hôtel Suisse“ zurück? Mein werter Kollege knobelte mit offensichtlichem Vergnügen an den Knöpfen herum und meinte: „Das werde ich schon hinkriegen.“ Das dauerte aber ein Weilchen. „Lass mich auf meine alte Art vorgehen“, schlug ich vor und entstieg dem Auto und fragte einen Passanten. „200 Meter gleich um die Ecke ist das Hotel“, erhielt ich Auskunft. Inzwischen hat mein Kollege die gleiche übereinstimmende Auskunft von seiner Elektronik erhalten.
Unser Gastgeber liess sich nicht lumpen und verkostete uns wunderbar in einem gediegenen Restaurant beim Jachthafen. Ein Vermögen von Luxusjachten gaukelte im Hafen. „Noblesse oblige“ und Allüren muss man dazu haben, am besten im Portefeuille, was mich keineswegs beeindruckte, denn ich fühle mich viel sicherer auf dem Land.
Was hatte es mit dem „Hôtel Suisse“ auf sich? Auf die 1. Sicht machte es einen ausgezeichneten Eindruck, und so spielte es mir keine Rolle, dass ich zur späten Nachtstunde von meinem Zimmerfenster den Felsenklotz unmittelbar vor den Augen hatte. Auf die 2. Sicht haperte es arg mit dem Frühstücksei, auf das mein Kollege anderntags erpicht war. Gut, dass er sich erkundigte, ob sie schon gekocht seien. Der Kellner fragte in der Küche nach. „Nein“, sagte er, „sie müssen es in den Ei-Sieder dort eintauchen.“ Das hingegen erwies sich als ein kaum lösbares Navigationsproblem, mit dem sich auch ein Schweizerpaar herumschlagen musste. Etliche Eier platzten wegen Überhitzung. Wer die überlebenden in die Hand nahm, liess sie wie glühende Kohlen fallen. „Eier müssen doch mit kaltem Wasser „abgeschreckt“ werden“, wandte ich mich vermittelnd an den Kellner und bat ihn, eine Schüssel mit kaltem Wasser zu bringen. Bis das Ei endlich auf den Tisch kam und man es anfassen konnte, hatte ich 2 Gipfel und ein Stück Brot mitsamt Butter und Konfitüre verzehrt und erst noch 2 Tassen Kaffee getrunken. Ei, Ei, Ei, wie froh ich bin, ohne Frühstücksei auszukommen!
Noch ein bisschen Arbeit stand uns bevor. Mein werter Kollege und Freund trug das Büro mitsamt Laptop in der Tasche ins nahe Café. Guter Kaffee half uns zügig voran. Nachher musste er sich noch vor Mittag auf den Weg zum Flughafen machen. Ich Glückspilz hatte wiederum wohl verdiente Freizeit für mich abgezweigt. Ich setzte mich unter die diesmal entschieden wärmere Frühlingssonne und genoss einen leckeren Fisch mit Salzkartoffeln, allerlei Gemüse, das ich grosszügig mit Knoblauchsauce übergoss. Auch etwas „Vin de Provence“ gehörte mit dazu.
Nach 3 Uhr nachmittags trug ich Lavendeldüfte in Beuteln und eine Flasche „Vin de Province“ ins Hotel zurück. Letztere umwickelte ich diesmal in mein Pyjama, denn ich wollte mir die Flasche nicht wie das letzte Mal im Basler Flughafen klauen lassen.
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