Textatelier
BLOG vom: 23.04.2007

Vatikan: Wird nach der Vorhölle auch die Hölle abgeschafft?

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Die Vorhölle habe ich mir immer als so etwas wie einen Vorhof, eine Vorhalle (Vestibül) vorgestellt, wo man sich psychisch in aller Seelenruhe auf den Einlass in die richtige Hölle vorbereiten kann. Ich wusste auch, dass ungetaufte Kinder dorthin kommen, weshalb die verantwortungsbewusstesten unter den katholischen Müttern jeweils geradezu aus dem Kindbett flohen, um das Kindlein möglichst schnell taufen zu lassen und es dadurch von der Vorhöllenstrafe zu verschonen. Eine nette Geste mütterlicher Aufopferung in allen Lebenslagen..
 
Meine irrige Vorstellung, dass dort, in der Vorhölle, auch Erwachsene anzutreffen sein würden, beruhte wahrscheinlich auf dem Werk des berühmten italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321), der in seinem Bericht über seine Wanderung durchs Jenseits (Titel: „Die göttliche Komödie“) auch die Vorhölle beschrieb. In Dantes Vorhöllen-Version befinden sich eben auch alle rechtschaffenen Menschen (einschliesslich Homer und Ovid, die Kollegen Dantes), die das unsägliche Pech hatten, noch vor Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi zu sterben. Das musste geahndet werden.
 
Wie ich soeben berichtigend erfahren habe, ist die Vorhölle, der „limbus infantium vel puerorum“, ausschliesslich für ungetaufte Kinder reserviert, wie der lateinische Name sagt; es ist eigentlich ein gigantischer definitiver Krippenplatz zwischen Himmel und Hölle; der Begriff „limbus“ umschreibt einen Randbereich, einen Saum. Dort herrscht ewige Glückseligkeit, die allerdings insofern getrübt ist, als die namenlosen Kinderlein niemals den Zustand der Gottesnähe oder Gottesschau erreichen können. Denn die Erbsünde lastet ihnen ewig an, und mit so etwas will unser gütiger Gott nun wirklich nichts zu tun haben.
 
Spass beiseite: In jüngster Zeit wurden solch kranken Gehirnen entsprossene Geschichten selbst dem Vatikan zu blöd. Deshalb hat Papst Benedikt XVI., der ja nicht gerade zu den Revisionisten zu zählen ist und auch das Tierleiden im Dienste des Menschen von ganzem Herzen unterstützt, am 21. April 2007 ein theologisches Papier aus Kardinalskreisen gebilligt, das sich von der Vorhölle sanft verabschiedet. Mit allerhand Rabulistik hatte der Vatikan schon seit Jahren versucht, diese Peinlichkeit der Bestrafung unschuldiger ungetaufter Kinder und deren Einstufung als Schwerverbrecher herunterzuspielen. Zwar mochte man sich bis in den letzten Tagen noch nicht gerade von der Existenz der Vorhölle zu verabschieden (und damit zugeben, dass man einem stumpfsinnigen Hirngespinst aufgesessen war), doch reicherte man deren Vorhandensein mit der Vermutung an, diese Vorhölle werde irgend wann leer sein, weil alle dort befindlichen Kleinkinderseelen doch noch in den Genuss der Gnade kommen würden. Auf den richtigen Dreh kommt es an.
 
Die ganz grosse Attraktion bei den Angstmachereikampagnen aber bleibt uns im Abendland des 21. Jahrhunderts Gottseidank erhalten: Die vom Teufel angerichteten Höllenqualen und damit die altbewährte Hölle. Dieses teuflischste Gedankenkonstrukt hat sich bei der Unterjochung der Völker bewährt. Auch das Fegefeuer lodert in katholischen Gehirnen als Ort der Läuterung und Vorbereitung auf das Paradies noch munter weiter.
 
Auf dieses Fegefeuer könnte ich persönlich locker verzichten, nicht aber auf die Hölle. Und ich befürchte, dass nach dem Torschluss der Vorhölle eines Tages auch die Hölle, in der die Strafe der ewigen Verdammnis abzusitzen ist, über die Klippe springen muss, wenn der Vatikan wieder einmal kritisch über seine Bücher gehen sollte.
 
Ohne Hölle bliebe mir wirklich nur noch der Himmel. Und ich mag mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, meine bevorstehenden jenseitigen Tage auf Ewigkeit ausgerechnet dort verbringen zu müssen. Denn ich stelle mir vor, dass ich in jenem Paradies vielen Kirchenoberen und Machthungrigen begegnen müsste, die zur christlichen Unterdrückungs- und Kriminalgeschichte beigetragen haben, eine Gräuelchronik, die ihresgleichen sucht.
 
Meine gute Laune wäre dahin. Das Halleluja würde mir in dieser Gesellschaft im Halse stecken bleiben.
 
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