Textatelier
BLOG vom: 19.05.2007

Weltbank-Chef: Laudatio für den herzensguten Paul Wolfowitz

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Wahrscheinlich bin ich einer der ganz wenigen Menschen auf dieser globalisierten Erde, der ehrlich bedauert, dass einer unserer Bosse, Paul Wolfowitz, seinen Rücktritt als Weltbankchef bekannt gegeben hat. Lassen Sie mich das bitte erklären.
 
Der deutsche Journalist, Schriftsteller und Filmautor Gerhard Wisnewski zählt Wolfowitz zur „Top-Ten-Gang des Jahrtausends“ (im Buch „Verschlusssache Terror“). Die Gruppe nennt sich beschönigend PNAC (sprich: Pi-Näck), abgewandelt von Project For a New American Century; sie will also ein neues amerikanisches Jahrhundert herbeiführen. Zu der verbandelten Bande gehören u. a. auch der schiessfreudige US-Vizepräsident Dick Cheney, der gestrauchelte ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dessen Stellvertreter Wolfowitz einst war, und Bushs ehemaliger Redenschreiber Zalmay Khalilzad, der nun amerikanischer Uno-Botschafter und gerade Präsident des Weltsicherheitsrates geworden ist. Khalilzad ist nicht nur His Masters Voice, sondern auch die Stimme für den Master. Die Uno will er weiter nach den US-Vorgaben ausrichten, auch wenn die diesbezüglichen Möglichkeiten noch eher bescheiden sind. Die Uno ist ja bereits amerikanisch ausgerichtet.
 
Die Erwähnten waren alle Architekten des Irakkriegs, den die USA wie einst den Vietnamkrieg in blamabler Weise verloren haben. Sie können da nicht einmal mehr gesichtswahrend herauskommen. Das einzige, was ihnen gelungen ist: die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuwiegeln. Doch die PNAC-Schattenregierung funktioniert weiter. Man muss das wissen, um den Neokonservativismus zu verstehen: Macht und Kapitalergaunerung ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Verluste, manchmal religiös verbrämt
 
Wolfowitz’ Abgang auf Ende Juni 2007 bedauere ich deshalb, weil er bei längerem Bleiben noch mehr Möglichkeiten gehabt hätte, Geschirr zu zerschlagen und die Augen der Weltöffentlichkeit für die himmeltraurigen Machenschaften der US-Machthaber und der von ihnen dirigierten global tätigen Organisationen zu öffnen. Zwar hat George W. Bush diesbezüglich (in Sachen Porzellanzertrümmerung) eine hervorragende Vorarbeit geleistet. Doch da er selbst von politischen Idioten, die alles für bare Münze nehmen, was aus dem gelobten Land kommt, nicht mehr ernst genommen wird, braucht es andere, wirkungsvollere Aushängeschilder, an denen die Moral der selbsternannten Weltführungsmacht abzulesen ist.
 
Des Hardliners und Kriegstreibers Wolfowitz Günstlingswirtschaft war meines Erachtens der vergleichsweise banalste Ausrutscher, nicht der Rede wert, eine Randerscheinung. Seine massgebende Inszenierung des Irakkriegs auf der Basis von erfundenen Lügen mit den Hunderttausenden von unschuldigen Opfern, den ungezählten Verwundeten und Verkrüppelten sowie den Zerstörungen auch kultureller Schätze war das, woran man ihn messen sollte und müsste, zusammen mit den anderen Kriegsverbrechern, die morden und foltern lassen und sich den Tarnmantel der Guten umgehängt haben.
 
Zu den grossartigen Leistungen von Wolfowitz gehört, wie gesagt, nicht etwa die Erhöhung des Gehalts seiner tüchtigen Lebensgefährtin Shaha Riza (sozusagen bloss eine Erhöhung des Haushaltgelds), sondern dass er innert Kürze das Ansehen der Weltbank massiv zu beschädigen verstand. Denn man weiss jetzt, dass von dieser Institution Korruption und Vetternwirtschaft betrieben und nicht etwa bekämpft werden. Es war höchste Zeit, dass sich die Weltöffentlichkeit dafür zu interessieren beginnt, was denn von diesem US-Werkzeug zur Machtausdehnung im Rahmen der Globalisierung zu halten ist. Dafür gebührt Herrn Wolfowitz aufrichtiger Dank.
 
Der Oberverdreher Bush verdrehte noch die Laudatio auf den Weltbankchef, der infolge des weltweiten Drucks wegen einer Bagatelle sein Handtuch werfen musste: Ich bewundere Paul Wolfowitz, sein grosses Herz und seine Konzentration auf die Hilfe für die Armen.“ Dabei war Shaha wahrhaftig doch nicht arm. Die Hilfe für die tatsächlich Armen (gemeint sind die armen Länder) bestand und besteht darin, sie (und vor allem die dortigen Machteliten) mit einigen Spenden von den USA abhängig zu machen; darin besteht die effektive „Schmutzkampagne“ – das Wort stammt von Wolfowitz, aber es umschrieb das, was nach Shahas Beförderung geschah.
 
Damit die Unterjochung der Armutsländer via Kredite aus den Dollar-Druckereien funktionierte, wurde die Weltbankspitze immer von den USA bestimmt, und sie ist bisher immer mit einem Amerikaner besetzt worden. Da jetzt Tony Blair gerade auf dem internationalen Stellenmarkt zu haben ist, könnte man ja einmal eine Ausnahme machen und einen Engländer nehmen, der sich als US-Schosshündchen wirklich bewährt hat. Er sei als Nachfolger von Wolfowitz im Gespräch, heisst es in den Medien.
 
Ich drücke ihm den Daumen. Sein Ansehen ist inzwischen so, dass auch er den von Wolfowitz geschwungenen Abbruchhammer weiterzuschwingen vermöchte. Wenn er bloss von seinen Einflüsterern dazu angehalten wird.
 
Man darf wieder hoffen.
 
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