BLOG vom: 11.07.2007
Laufenburg AG: Münzprägung im Hau-den-Lukas-Verfahren
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Wie aus dem Laufenburger Geschichtsbuch entsprungen, kam mir eine mittelalterlich gekleidete Gestalt mit weissem, gepflegtem Kinn- und Schurrbart, moderner Brille, goldgelbem Wams, wallenden Hemdsärmeln, dunkler Kniehose, hellen Kniestrümpfen und schwarzer Filzhaube entgegen, die ich irgendwo in der Ritterzeit ansiedelte. Das geschah am Samstag, 7. Juli 2007, im Eingangsbereich des Restaurants Schiff in Laufenburg-Schweiz, wo ich die Ausstellung über die Eisengewinnung besuchen wollte. Der adlige Mensch erwies sich als der ehemalige, in der Pharmaindustrie tätig gewesene Apotheker Dr. Hans-J. Köhler, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Museums „Schiff“ im aargauischen Laufenburg. Er bereitete sich gerade auf die Vorführung einer Münzprägung vor, die mich als ehemaliger Münzensammler ausserordentlich interessierte.
Die Fluhgasse in der Laufenburger Altstadt bot die passende Kulisse für diesen Begleitanlass im Rahmen des Jubiläums „800 Jahre Laufenburg“, zu dem sich etwa ein Dutzend Interessierte, darunter auch ausgesprochene Münzkenner, einfanden. Hans-J. Köhler leitete die Demonstration mit geschichtlichen Exkursen ein, die bis zum Habsburger-König Rudolf I. (1218–1291) zurückreichten. Zu dessen Zeit spalteten sich nach der Erbteilung von 1232 zwei Seitenlinien ab: die Grafen von Habsburg-Laufenburg und Neu-Kyburg. An die Habsburg-Laufenburger fielen die Hausgüter im Fricktal, im südlichen Schwarzwald und in Unterwalden. Sie begann bald darauf (ab etwa 1250), eigene Münzen zu prägen: einseitig aus dünnem Silberblech hergestellte Pfennige und Hälblinge, so genannte Brakteaten. Das Münzbild zeigte einen nach links schreitenden oder nach links aufgerichteten Löwen, zum Teil mit Menschenkopf. Ab 1300 tauchten Münzen auf, die nur das Vorderteil des Löwen mit ausgestreckten Tatzen und erhobenem Schweif zeigten.
Der Laufenburger Stadtherr, Graf Hans IV., der in die Schuldenfalle geraten war, verkaufte 1363 für 4100 Gulden das Recht, ebenfalls Münzen prägen zu dürfen, an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Laufenburg. 10 Jahre später wurde der Graf vom König mit einem neuen Münzrecht belehnt, worauf fleissig Münzen produziert wurden, vor allem so genannte Schwanhälser, die auf den Rapperswiler Besitz der Grafen von Habsburg-Laufenburg hinwiesen. Zusätzlich wurden städtische Münzen mit dem Löwenkopf produziert. Das LOU auf den Münzen bedeutete Louffenburg. Wie die heutigen Firmen, die im Interesse eines kurzsichtigen, schnellen Gewinns Stück für Stück verhökert werden, verkaufte Graf Hans IV. 1386 übrigens gerade auch noch die Stadt Laufenburg an Herzog Leopold III. von Österreich, behielt sie jedoch als Mannslehen bis zu seinem Tod 1406: ein früher Sanierer mit durchaus modern anmutenden Managementqualitäten.
Um 1400 entstand der Rappenmünzbund, der die Qualität der Münzen zu überwachen hatte; denn die Münzen repräsentierten den Metallwert (Silber) und wurden deshalb gewogen. Doch kam es bei dieser wunderbaren Geldvermehrung immer wieder zu Fälschungen, dem Wunder etwas nachhelfend. Die gräfliche Prägestätte war inzwischen nach Rheinau verlegt worden, wo die Grafen von Sulz als Erben von Hans IV. noch bis 1430 Münzen prägten. Laufenburg erhielt 1503 erneut die Bewilligung zur Münzenherstellung; allerdings wurde vom Rappenmünzbund die Silberanlieferung behindert, so dass diese Prägung bereits 3 Jahre später eingestellt werden musste.
Eine letzte Münzperiode stellte sich in Laufenburg aufgrund eines Dekrets von Erzherzog Leopold 1622 ein. Die Prägerechte konnte sich der Laufenburger Stadtschreiber Matthias Meyer sichern, der aber solch schlechte Münzqualitäten in den Umlauf brachte, dass sie bald nirgends mehr angenommen und wieder eingeschmolzen wurden. Sie sind heute dementsprechend selten und teuer ... Man sieht, dass Rarität über Qualität geht. Die „Alte Münz“, wie Meyers Prägestätte genannt wurde, dürfte sich an der gleichen Fluhgasse befunden haben, an der nun das Freiluft-Prägen demonstriert werden sollte – genau genommen im Hinterhaus der Propstei (Fluhgasse 155). Die frühere Münzstätte befand sich im Bereich des heutigen Laufenburger Münzgässchens.
Nach diesen theoretischen Ausführungen lebte die Vergangenheit beim Museum „Schiff“ etwas handfester nochmals auf. Der Münzenkenner und Historiker Köhler holte aus dem mitgebrachten Korb die für die Münzenprägung benötigten Geräte hervor. Ein Betonsockel diente ihm als Unterlage. Er legte den Unterstempel auf den Sockel und stülpte einen Holzklotz mit einem passenden Loch in der Mitte als Führungsgerät darüber. Auf den Unterstempel kam der Rohling, diesmal aus relativ weichem und damit gut bearbeitbarem Zinn. Darüber wurde der Oberstempel gesetzt. Und jetzt musste die Münze mit einem gezielten, kraftvollen Schlag mit einem schweren Vorschlaghammer hergestellt werden. Das Verfahren erinnert an den „Hau den Lukas“ als Jahrmarktattraktion, wobei ein Metallkörper beschleunigt wird. Diesmal übertrug man damit die in die Prägestempel eingravierten Illustrationen und Buchstaben auf das Metall, das nun zur Medaille wurde.
Das gelang in Laufenburg diesmal in fast allen Fällen; nur eine der Medaillen (es waren ja keine Münzen) war etwas schräg geraten und wäre einfach wieder eingeschmolzen worden. Bis vor etwa 200 Jahren wurden alle Münzen auf diese handwerkliche Weise hergestellt. Bei grossen Silbermünzen musste der Schlag mit einer enormen Kraft ausgeführt werden. Leichte Unregelmässigkeiten machten den Charme des Handwerklichen aus, jedenfalls aus heutiger Sicht.
Inzwischen sind wir bei den Kreditkarten aus Kunststoff angelangt, deren Materialwert bei 0 angelangt ist. Schlägt man mit einem Eisenhammer darauf, werden auch sie deformiert, aber unbrauchbar. Manchmal ist dies eben doch die günstigste Lösung. Wer Lust hat, mag es gern versuchen.
Quelle
Köhler, Hans-Joachim: „Das Münzrecht von Laufenburg“, im Museumsverein Laufenburg (Herausgeber): „800 Jahre Laufenburg. Bewegte Geschichte am Fluss.“ Bezugsquelle:
Museum Schiff Laufenburg
Fluhgasse 506
CH-5080 Laufenburg
Fluhgasse 506
CH-5080 Laufenburg
Internet: www.museum-schiff.ch
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