Textatelier
BLOG vom: 30.08.2007

Vergangenheitsspuren: Seealpsee, Appenzell, St.Peterzell SG

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wäre die Erde nicht rund, so dass sie eigentlich kein Ende hat, würde dort hinten, in Wasserauen, die Welt aufhören. Die Strasse führt von Appenzell dorthin. Von dieser Hauptstadt des Halbkantons Appenzell-Innerrhoden (AI, Rhoden ist ein anderes Wort für Bezirke) sind es etwa 10 km. Dem Schwendibach entlang erreicht man via Steinegg, Weissbad und Schwende einen Talkessel, der von dem Alpsteinmassiv umrahmt ist. Sogar die Appenzeller Bahnen haben dort hinten ihre Endstation.
 
Wasserauen ist ein Weiler, der zur Gemeinde Schwende AI gehört. Er besteht aus ein paar Landwirtschaftsgebäuden und dem Hotel „Alpenrose“ als dominantem, 1892 bzw. 1902 neu erbautem Gebäude, von dessen reich bemalter und beschrifteter Fassade zu erfahren ist, was im Alpstein geboten wird: „Im Alpstee büted mer Spies ond Trank, e herrlichi Begwölt, Gott sei Dank“: Das ist eine Kostprobe aus dem Appenzeller Dialekt, die bedeutet: „Im Alpstein bieten wir Speise und Trank, eine herrliche Bergwelt, Gott sei Dank.“ Auf der Hotelfassade sind neben diesem Angebot gleich noch die einheimischen Pflanzen wie Soldanella, Anemone, Blauer Eisenhut, Männertreu, Glockenblume, Arnika und Türkenbund abgebildet und beschriftet, und auch was es in der alpinen Umgebung an Tieren gibt, ist bilderbuchmässig dargestellt: Hirsch, Gemsbock, Reh, Schneehase, Steinbock, Murmeltier, Adler. Vor dem bunt bemalten Haus ist ein Brunnentrog, in dem volle Getränkeflaschen in grösseren Mengen auf Selbstbediener warten. Davor sind Parkplätze so viel man braucht. Und das „Schlafen im Stroh“ (und nicht etwa nur auf Stroh) wird ganz in der Nähe ebenfalls angeboten. Rote Kugeln geben diesem Deltasegler-Landegebiet Hinweise, wo man sich in Seilbahnseilen verhaspeln könnte.
 
Wasserauen–Seealpsee
Doch am 18. August 2007, als ich zusammen mit meinem Bruder Rolf P. Hess und seiner Frau Alice einen Ausflug dorthin machte, war es nicht eben durstig. Der Himmel war verhangen. Die Wolken scheuten sich manchmal nicht, ein paar Tropfen fallen zu lassen. Die Felswände waren zeitweise hinter Nebelschwaden versteckt. Doch was man sah, stand dank der frischen, kühlen Luft glasklar davor oder aber über und später unter uns. Die Wiesen und felsigen, oft bewaldeten Abhänge mit ausgereiften Tannen überquollen vor saftigem Grün; denn wenn es in den vorangegangenen Wochen etwas nicht gegeben hatte, war das ein Wassermangel. Das Wetter entsprach genau dem, was Moosarten brauchen, um ihre Teppiche über Steine und Hölzer zu weben, massgeschneidert.
 
Von der Talebene in Wasserauen aus kann man in 6 Minuten mit einer Seilbahn hinauf auf die Ebenalp fahren (www.ebenalp.ch), von 867 auf 1590 m ü. M. Zu Fuss wäre die Sache via Wildkirchli innerhalb von 2 Stunden zu machen. Doch ein Blick dort hinauf versprach wenig Rundblick, so dass wir uns zu einer Wanderung zum Seealpsee entschlossen, einfach um unserem Bewegungsapparat Gutes zu tun. Dieser Spaziergang ist problemlos in etwa 50 Minuten zu bewältigen. Eine meist asphaltierte, einspurig von wenigen Privilegierten mit Vierradantrieb befahrbaren Strasse führt, teilweise stark ansteigend, zum Seelein auf 1141 m Höhe hinauf. Im Mittelteil kann man, der gelben Tafel „Wanderweg“ folgend, auf einen Naturweg ausweichen. Zwar gibt es Geröllhänge, aber die Steinschlaggefahr ist klein; der Kalkstein des Alpsteins ist ziemlich wetter- und standfest, worauf auch die Passagen unter überhängenden Felsen hindeuten.
 
Man taucht von Wasserauen aus so richtig in die felsenfeste voralpine Landschaft mit all den nötigen Attributen ein und würde innert 2 Stunden die Meglisalp beziehungsweise innert 5 Stunden den Säntis erreichen, falls die Wanderlust nicht mehr zu bändigen wäre. Im Taleinschnitt, sozusagen am Eingang ins Alpsteinmassiv, ist die Milch-Trinkhalle „Aueli“, die uns Schweizer auf unsere nationale Pflicht des permanenten Kuhmilchkonsums aufmerksam macht. Und an gleicher Stelle vermelden Plakate, dass wir nicht nur aus Milch, sondern auch aus Wasser Profit zu machen verstehen: Zwischen 2003 und 2005 wurde das Kraftwerk Seealp-Wasserauen (Baujahr 1905) erneuert und mit 8,3 Mio. CHF auf eine höhere, gut verdoppelte Leistung (7,7 Mio. kWh) getrimmt, und was dabei herauskommt, wird von der Axpo als Naturstrom verkauft, weil hier oben schlicht und ergreifend alles Natur ist. Die Kilowattstunde kommt nicht einmal auf 10 Rappen zu stehen, ist also noch billiger als 1 Liter Milch.
 
Von diesem Kraftwerk im „Rässenaueli“ (kurz: „Aueli“) sieht man nicht viel, da sich vieles unterirdisch abspielt, und von der Druckleitung vom Seealpsee hierher ist überhaupt nichts zu erkennen; ein grosser Natursteintisch mit -bänken lädt dafür zum Verweilen und Picknicken ein. Die Druckrohre befinden sich unter dem erwähnten Strässchen zum Seealpsee. So wandert man also auf einer ziemlich neuen, 2,2  km langen Druckleitung (Steckmuffenrohre aus duktilem Gusseisen mit Zementmörtelumhüllung), die im Besitze der Feuerschaugemeinde Appenzell ist. Diese ist die älteste Gemeindeorganisation im Dorf und entwickelte sich im 18. Jahrhundert zur Ortsgemeinde Appenzell.
 
Die Wasserleitung kann nun 1000 (früher: 320) Liter Seealpsee-Wasser pro Sekunde abführen, wenn es genügend geregnet hat. Im Sommer 2007 waren die diesbezüglichen Verhältnisse erfreulich. Dann arbeiten die neue und die alte Turbine (so lange sie noch mag) Hand in Hand, oder Schaufel in Schaufel, um das Bild an die Technik anzupassen.
 
Beim Aufstieg zum Seealpsee drängte sich mir die Vermutung auf, dass das Wasser in den Druckleitungen mengenmässig etwa gleichviel Energie enthält wie wir für den Aufstieg brauchten. Oben, beim „Gatter“ (1005 m) und beim „Chobel“ (1106 m), war ich bereits ziemlich ins Schwitzen gekommen, was natürlich auch auf meine wasserdichte Regenschutzjacke aus alten Armeebeständen zurückzuführen war. Hier oben breiten sich eine tiefe Ruhe und Beschaulichkeit aus, die manchmal durch ein geländegängiges Fahrzeug zerstört wird, das auch die Luft mit Düften schwängert, die den Vergleich mit Alpenluft scheuen. Da weht dann vorübergehend ein anderer Wind als im Umfeld eines veritablen Luftkurorts.
 
Wenige hundert Meter vor dem Seealpsee befindet sich das Gasthaus „Forelle am See“, in dessen Umfeld gerade gesundes, behorntes Braunvieh mit Waschbrettbäuchen weidete, und direkt über dem See ist das Berggasthaus Seealpsee. Dort steht eine Begrüssungstafel in Häuschenform mit Ziegelsatteldach auf blumengeschmücktem Fundament und der Inschrift: „Sönd Wöllkomm“ („Seien Sie willkommen!“). Wir gingen in die Gaststube und tranken eine Flasche Bier (hell, Lager) aus der Brauerei Locher in Appenzell. Das Flaschenetikett mit dem Seealpsee, der Rossmahd, dem Altmann als gewaltigstem Einzelberg in diesem Massiv und dem Säntis als bekanntester Erscheinung sowie Sennen im rot-gelben Sonntagsstaat im Vordergrund, die gerade beim Schellenschötten sind (dem harmonischen Schwingen grosser bronzener Kuhglocken), war noch viel schöner als das, was draussen 1:1 leicht vernebelt zu sehen war. Dort regnete es direkt in den rund 15 m tiefen und 15 ha umfassenden Seealpsee, dessen Wasserspiegel mir ordentlich tief unten zu sein schien. Eine tote Forelle lag in Ufernähe. Ein vertäutes blaues Ruderboot hätte gemietet werden können.
 
Die nette Wirtin, Frau Meier-Dörig, löste das Bierflaschenetikett ab, damit ich es mitnehmen konnte, und gab uns aufgrund eines Landschaftsgemäldes im heimeligen Restaurant eine Nachhilfelektion in Sachen Geografie. Ob drinnen oder draussen: Die Gebirgskulisse mit Altmann, Ageteplatte/Meglisalp und dem Säntis im Hintergrund ist imposant. Und als Souvenir kaufte ich das reizende, von Hannes Stricker gezeichnete und handschriftlich erläuterte Büchlein „Sommerwandern im Appenzellerland“ (14 CHF), das veranschaulicht, was in der näheren und weiteren Gegend auch sonst noch zu sehen wäre.
 
Appenzell höchstpersönlich
Zu all dem Eindrücklichen, was die Natur in Innerrhoden zu bieten hat, kommt noch die faszinierende Hauptstadt Appenzell, die ich schon oft besucht habe und in der es mir immer wieder gefällt. Vor Jahren bin ich von Gonten her über den Barfussweg im weichen, moorigen Gelände dorthin gewandert, um meinen Füssen die nötige Freiheit zu gönnen. Es tat gut. Und wie im nahen Weissbad stellt sich das Gefühl ein, eine sagenhafte, verführerische Wasserjungfrau tauche auf und ziehe einen zu ihr ins kühle Wasserreich.
 
Dieses Appenzell (einst: Abtszell) ist eine Bilderbuchstadt, an der man sich ebenso wenig sattsehen kann wie an der umgebenden Bilderbuchlandschaft mit ihren verstreuten Heimwesen und den wie „geschleckten“ (mit der Zunge gereinigten) Dörfern mit ihren kunstvoll geschweiften Giebeln, sozusagen zur Architektur gewordene Appenzeller Musik. Irgendwie ist der landschaftsplanerische Stil in dieser Gegend mit ihrem konservativen Gehabe noch rein geblieben, ein schier unglaubliches Phänomen.
 
Das Dorf Appenzell mit seinen kompakten und dann wieder weiträumigen Bereichen strotzt förmlich vor bedeutenden Bauten, eine Folge der hier hochentwickelten Bauhandwerkskünste und der Stilsicherheit. Auch international berühmte Brückenbauer wie Hans-Ulrich Grubenmann stammen aus dieser Gegend.
 
Rolf und ich sind in der Ostschweiz (im Toggenburg, angrenzend an den Kanton Appenzell) aufgewachsen. Die Bilder, die ich aus meiner Jugendzeit in mir trage, wurden und werden immer wieder bestätigt. Mit anderen Worten: Es hat sich nur wenig verändert. Die Strassen sind zwar komfortabler geworden, und da und dort wurde ein grösserer Gewerbebetrieb hingeklotzt. Aber das Wesen der Bebauung mit den Einzelhofstrukturen blieb unverändert, auch wenn sich viele Kleinbauern nicht halten konnten und ihr Hämetli (Heimwesen) zweckentfremdet wurde. Die alten, meistens aus Holz gebauten Häuser aber sind immer noch da – und zwar in gepflegter Form. Man lässt sie nicht zerfallen – auch das gehört zur bewahrenden Mentalität der Appenzeller (wie auch der Toggenburger).
 
Die Privathäuser rund um den grossen Gemeindeplatz in der Hauptstadt Appenzell sind eine Augenweide; darunter sind viele Gasthäuser. Und die Kunst der (Bauern-)Malerei hat auch die Hausfassaden erfasst, und da geht es denn nicht allein um das Senntum (Sennentum), die Hirtenkultur, sondern auch um eine Verbreitung von Wissen wie beispielsweise Heilpflanzenkenntnisse. Die Heilpflanzen spielen im Appenzellerland (Inner- und Ausserrhoden) noch heute eine tragende Rolle, und wie an den Krankheitskostenstatistiken abzulesen ist, sind die Appenzeller das gesündeste Volk der Schweiz, das auch alle seine übrigen Werte zu verteidigen weiss und dabei eine fröhliche Lebensart pflegt. Ich mag die Appenzeller sehr, und wenn ich etwas von ihrer Art geprägt worden sein sollte, würde mich das mit Stolz erfüllen.
 
Im Hotel „Löwen“ an der autofreien Hauptgasse in Appenzell stärkten wir uns am Mittag in einer heimeligen Atmosphäre. Ich hatte auf der Speisekarte ein Adrio (aus Wurstbrät, im Netz aus dem Schweinebauchfell) zu Bratkartoffeln entdeckt, wie es unsere Mutter seinerzeit zubereitet hat, wo das Werk unserer Mutter alle Vergleiche bestehen konnte. Die aus China stammende Alice wählte nicht etwa Reis, sondern eine Olma-Bratwurst (St. Galler Spezialität) und Rösti, um das Regionstypische auch gastrosophisch zu erfahren – die Ostschweiz bietet ja ein hervorragendes Wurstsortiment, um das man sich nicht herumdrücken sollte.
 
In St. Peterzell SG
Zu unserer Exkursion auf den Spuren familiärer Vergangenheit gehörte ein Besuch in St. Peterzell im Toggenburg (Kanton St. Gallen) und in Schönengrund AR direkt anschliessend ans Appenzellerland; der Übergang ist hier also fliessend, auch was den Tüfenbach als Gemeinde- und Kantonsgrenze anbelangt. Wir wohnten ab 1949 an der Hauptstrasse in Wald-Schönengrund (Ortsteil von St. Peterzell) und wechselten 1951 in ein Haus im Stafel (Stofel) 422 unter der „Chäseren“, etwas weiter westlich, kurz bevor sich das Gelände nach St. Peterzell-Dorf senkt. Das war das alte Schulhaus für Wald-Schönengrund, das dann durch ein neues ersetzt wurde, und selbst dieses ist jetzt zu einem Wohnhaus umgebaut. Das haben wir beim Gapaletti-Haus auf der Krete von einer netten Frau, Anni Knöpfel-Brunner, erfahren, die zusammen mit meinem jüngeren Bruder zum Lehrer Feurer in die Schule gegangen war, sich noch an unsere Familie erinnerte und uns herrlichen Bienenhonig (Blüten- und Waldhonig) ab Hof verkaufte. Der Sohn des Lehrers, Peter Feurer, und Rolf waren die einzigen Schüler, deren Eltern nicht Bauern waren. Die Bauern sahen es nicht gern, wenn ihr Nachwuchs mit Hausaufgaben von der Mitarbeit in Feld und Stall abgehalten wurde; dennoch war die Qualität des damaligen Unterrichts hervorragend.
 
Dann besahen wir unser Stafel-Haus aus der Nähe. Das einfache Gebäude, ein spätklassizistischer Kubus mit Walmdach, der durch ein Dachhäuschen akzentuiert ist und Elemente des Schweizer Holzstils aufweist, ist schön renoviert und in Eternit verpackt. Der Garten blühte üppig, und der rund 100-jährige Brunnen am Weg zum Hauseingang spendete sein Wasser wie seit je. Rundum sind schöne Toggenburger Häuser mit schmalen Fensterzeilen, rechwinkligen Giebeln und einfachen, langgezogenen Ställen, aus der Zweckmässigkeit heraus geboren. Sie könnten ebenso gut im Appenzellischen stehen. In der Gegend, in der ich rund 8 Jahre lebte, ist kaum ein störendes Element.
 
Im Restaurant „Kreuz“, unten an der Durchgangsstrasse, wo die Rauchfreiheit noch kein Thema ist (man braucht schliesslich nicht jeden neumodischen Gag mitzumachen – wo sind wir denn!) und sich der herkömmliche Toggenburger Landbeizstil erhalten hat, tranken wir einen Kaffee.
 
Im Dorf CH-9127 St. Peterzell (www.stpeterzell.ch) unten besuchte ich die Sekundarschule, und auch jenes Schulhäuschen ist zweckentfremdet; es dient, glaube ich, als eine Art Jugendtreff. Gleich daneben ist ein schönes, architektonisch eher gewagtes Gemeindehaus im Heimatstil auf kretischen Säulen, in dem uns Gemeindeverwalter Andreas Lusti ausgesprochen freundlich empfing. Er dokumentierte uns über das Gemeindeleben reich, und aus all den Unterlagen lernte ich das Leitbild kennen: „St. Peterzell soll zu einer aktiven Gemeinde mit einer offenen Bevölkerung wachsen. Die intakte, natürliche Umgebung sorgt auch in Zukunft für eine hohe Wohn- und Lebensqualität und fördert zusammen mit einer verbesserten Erschliessung eine leichte Zunahme der Bevölkerung. Innovative Betriebe und ein sanfter Tourismus erweitern die Zahl der Arbeitsplätze und öffnen insbesondere der Jugend Chancen im Neckertal. St. Peterzell soll eine attraktive Wohngemeinde mit gesunden gewerblichen Strukturen in einer schönen Landschaft sein.“
 
St. Peterzell ist als Schulzentrum des oberen Neckertals nach wie vor ein Ort der Bildung. Alle Schüler, auch jene aus Wald-Schönengrund, werden nun im Dorf St. Peterzell geschult; die weiterführenden Schulen befinden sich vor allem in Wattwil SG. Rund ums Dorf St. Peterzell wurde kürzlich ein Kulturwanderweg eingerichtet, ebenfalls ein Beitrag zur Bildung. Dort ist u. a. zu erfahren, wo der einst geplante Bahnhof St. Peterzell gelegen hätte, wäre die Bahn gebaut worden, und wieso das Industriegebiet in der Furt (seichte Stelle eines Flusses) liegt und was aus dem Kloster St. Peterzell (aus der „Cella sancti Petri“ herausgewachsen) geworden ist: Es wurde 1555 der Abtei St. Gallen einverleibt und blieb eine Propstei. Das zur Kirche quergestellte Propsteigebäude ist 1764 entstanden. Die ehemalige Klosterkirche wurde 1722 als katholische Kirche St. Peter als schlichte Barockkirche mit Frontturm neu erbaut. Nach der Aufhebung des Klosters St. Gallen (1805) entgingen die Kirchengüter dank einer geschickten Politik des fürstäbtlichen Hofrats Franz Carl Falck der Beschlagnahmung durch die Instanzen der Mediation und des damals neu entstandenen Kantons St. Gallen. Das 1716 neu erbaute Rote Haus mit der von farbenfrohen Barockmalereien verzierten strassenseitigen Hauptfassade und dem Rundbogenportal gehörte einst der Familie Falck. Fensterläden und Zugladentäfer sind mit einer üppigen Rokokomalerei verziert. Das Gebäude wurde 1931 und 1976 von Walter Vogel restauriert. Der Dorfkern von St. Peterzell hat schon seinen Reiz.
 
Gemeinde Neckertal?
Bleibt die traditionelle geschickte Politik hier erhalten? Etwas erstaunt bis schockiert nahm ich zur Kenntnis, dass die 3 Gemeinden Brunnadern, Mogelsberg und St. Peterzell einen Gemeindezusammenschluss ab Jahresbeginn 2009 vorbereiten; die fusionierte Gemeinde hätte dann 4300 Einwohner und eine Fläche von 49 km2, wäre also die viertgrösste Gemeinde im Toggenburg.
 
So ist also das Globalisierungsvirus bis ins Neckertal vorgedrungen; der Kanton St. Gallen macht entsprechend Druck auf Gemeindezusammenschlüsse. Die Stimmberechtigten im Neckertal werden mit einem kantonalen Startbeitrag von 13 Mio. CHF und einem Einsparungspotenzial von rund 1,45 Mio. CHF geködert. Und mit der angekündigten Bildung eines Dörferforums wird der Befürchtung eines Identitätsverlusts begegnet – ein schwacher Trost.
 
Ich tröstete mich mit einem Mandelfisch mit dickem gefülltem Bauch, den ich im Dorfladen kaufte, über diesen vorgesehenen kleinen Beitrag zur Gestaltung einer Einheitswelt hinweg. Und die Abstimmung kommt erst. Man darf immer noch hoffen.
*
Heimfahrt: Wasserfluh und Ricken sind leicht zu überwinden, und das Mittelland ist nah. Hinter uns liessen wir eine heile, hügelige und manchmal gebirgige Welt, die mir vertraut und lieb ist, in der ich mich gern erhole. Ich hoffe für sie, dass sie den Spagat zwischen Vergangenheit und Moderne auf ihre bewährte Weise schaffen werde: Lieber etwas rückständig und typisch bleiben als Bewährtes von der neoliberalen Plattwalze einebnen lassen.
 
Hinweis auf weitere Ausflugsberichte und Blogs zur Reisethematik von Walter Hess
(Reproduktionsfähige Fotos können zu all diesen Beschreibungen beim Textatelier.com bezogen werden.)
 
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