BLOG vom: 12.10.2007
Ausbruch aus der Herde: Eva Hermans mediale Hinrichtung
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Nachdem dieses Blog im Internet aufgeschaltet ist, werde ich wahrscheinlich sofort in die rechtsextreme Ecke abgeschoben. Mir wäre die Einstufung als unverbesserlicher Freidenker zwar lieber, weil diese Zuordnung der Wahrheit näher käme als die Abschiebung ins Abseits des Rechtsextremismus, mit dem ich ebenso wenig anfangen kann wie mit dem Linksextremismus. Und überhaupt ist mir jede Einordnung in eine Partei oder Religion zuwider. Ich lasse mir doch nicht irgendwelche Ansichten aufzwingen. Ich habe ein Leben lang versucht, meinen Verstand zu schulen, zu schärfen und zu einem eigenen Urteil zu gelangen.
Selbstverständlich wird so viel eigenverantwortungsbewusste Individualität nicht überall gern gesehen, zumal das unüblich ist; um Beispiele aus meinem Publizistenalltag wäre ich nicht verlegen. Denn der menschliche Verstand schleppt seine biologische Herkunft und Geschichte mit sich herum – und diese sind gemeinschaftlich ausgerichtet (Herdenverhalten). Deshalb wird der englische Begriff „Common sense“ mit dem gesunden Menschenverstand gleichgesetzt, was selbstverständlich ein Blödsinn ist. Denn Nachäffereien, beschönigend auch „Gemeinsinn“ genannt, haben ja herzlich wenig mit Verstand zu tun, schon gar nichts mit einem kritischen Verstand, den wir in dieser globalisierenden, vereinnahmenden Zeit so dringend nötig hätten.
Im Rahmen der Vereinheitlichung der Welt (zur globalisierten Einheitswelt) ist die erworbene Geisteshaltung, das zu tun und zu denken, was alle tun und denken, eine Grundbedingung. Sonst leidet das System. Weil noch immer die Gefahr besteht, dass einige individualistische Kreaturen heranwachsen könnten, wird über Baby- und Kinderkrippen, Internate und wie immer man die Betreuungsanstalten nennen mag, versucht, den Nachwuchs den Eltern pauschal zu entziehen und im Kollektiv gleichzuschalten. Die Einrichtungen sind für Spezial- und Notfälle gewiss nützlich, aber sicher nicht für einen flächendeckenden Gebrauch. Ein probates Mittel dazu ist die Auflösung der Familie, die schon recht weit gediehen ist; die Folgen dienen den Medien in der Rubrik „Kriminalität“ zur Auflagesteigerung. Die Kindererziehung, Schulung und Bildung soll nach dem heutigen Gesellschaftsverständnis zur reinen Staatssache werden; und in diesem Bereich sind die Linksparteien stark. Sie können so eine gute Grundlagenarbeit leisten, im Interesse der neoliberalen Globalisierung. Der Menschenverstand soll in seiner biologischen Begrenztheit gefangen bleiben; die Selbstständigkeit kann dadurch unterbunden werden. Herden lassen sich besser lenken als Individualisten.
Ein Kompliment an Eva Hermans Prinzipien
Ich schreibe das alles wegen Eva Herman (www.eva-herman.de), die mich als Fernsehmoderatorin nie interessiert hat, mir aber durch ihre 2 gescheiten und mutigen Bücher ausserordentlich positiv aufgefallen ist. Schon „Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit“ hat mir nach all den Jahren des einfältigen, aus den USA importierten Feminismus zugesagt, zumal ich in Dutzenden von Publikationen immer auf den eminenten Wert der höchst anspruchs- und verantwortungsvollen Mutter- bzw. Vaterrolle hingewiesen habe, womit überhaupt nichts gegen jene Damen ausgesagt ist, die ihr Glück und ihre Befriedigung in einem Beruf suchen und finden; auch das gehört zur persönlichen Freiheit in der Lebensgestaltung.
Eva Herman hatte vollkommen Recht, wenn sie schrieb: „Kinder wurden letztlich als ,Sand im Getriebe’ gesehen, als Störfaktor im wirtschaftlichen Geschehen, und die frühe Fremdbetreuung hatte überdies den Vorteil, sie von vornherein der privaten Obhut zu entziehen und sie auf die staatliche Ideologie einzustimmen.“
Natürlich, genau darum geht es ja. Und weil eine prominente Persönlichkeit und dazu noch eine attraktive, gescheite und bekannte Frau solche auf der Hand liegenden Erkenntnisse auszusprechen wagte, brach unter den Angepassten ein Orkan der Entrüstung aus. Und dann erschien das Buch „Das Prinzip Arche Noah“, das vom gleichen Sinn und Geist getragen ist und das Fass vollends zum Überlaufen brachte. Dazu sagte die Autorin in einer Pressekonferenz vom 6. September 2007 in Berlin: „Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-
Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68er wurde damals praktisch alles das, was wir an Werten hatten, es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben….“
Einen Monat später wurde Eva wegen solcher vernünftiger Sätze merkwürdigerweise wohl unter mit-medialem Druck vom Norddeutschen Rundfunk entlassen; sie wurde von vielen Medien wie eine Aussätzige behandelt, was für mich erschreckend war. Sie hat ja beileibe nicht die nationalistische Zeit verherrlicht, sondern hinreichend relativiert, aber in der damaligen konfusen Denkwelt einen Einzelaspekt gefunden, der ausnahmsweise nicht so schlecht war. Warum darf so etwas nicht sein? Vielleicht würde man selbst am Verhalten von Amerika noch etwas finden, das gut ist, wenn man lange genug forschen würde; mir fällt im Moment gerade nichts ein. Aber ich will die Möglichkeit durchaus offenlassen.
Die Hinrichtung
Nach der Berichterstattung der deutschen Mainstreammedien fand die „Öffentliche Hinrichtung“ (oder „Medientod“, wie es viele deutsche Medien nannten) dann beim farblosen ZDF-Talker Johannes B. Kerner statt. Zufällig habe ich bei der Flucht aus dem SF-DRS-Programm hinein gezappt und mich gefreut, Eva Herman mit ihrer Ausstrahlung und Gelassenheit wieder zu sehen. Kerner hatte Eva schon am Tage nach dem Erscheinen des Noah-Buchs eingeladen, doch war er vom Sender zurückgepfiffen worden. Er konnte sich also nicht durchsetzen, eine jämmerliche Figur abgebend, ein Zeichen von Schwäche. Aber jetzt, als endlich wieder einmal eine Quotensteigerung fällig war und Eva auftreten durfte, wollte er Stärke zeigen, endlich. Nur tat er es am falschen Ort.
Dieser Eva Herman sassen 2 andere Damen gegenüber: Margerethe Schreinemakers, der unter dem Titel Diplom-Soziologin eine erhöhte Kompetenz zugespielt wurde und die eifrig Gift und Galle versprühte. Auch die Schauspielerin Senta Berger war da, eine schöne und reife Frau, bei der im Allgemeinen eigentlich nur die feministischen Allüren nerven. So viel pubertäre Frauenbewegtheit hätte sie doch wirklich nicht nötig.
Kerner, von den beiden Herman-Gegnerinnen eifrig sekundiert, fühlte sich in diesem Umfeld stark, zumal er als Schützenhilfe auch noch den manchmal etwas konfus wirkenden Historiker und NS-Experten Wolfgang Wippermann auf seiner Seite wusste. Das war eine merkwürdig einseitige Zusammensetzung, die aber zur Einrichtung eines Tribunals passte, neben dem der Scheiterhaufen bereits loderte. Der ausnahmsweise unheimlich starke Kerner, der jede Höflichkeit, Ausgewogenheit und Neutralität gegenüber einem eingeladenen Gast vermissen liess, versuchte immer wieder, Eva Herman zum Geständnis zu bewegen, sie habe etwas falsch gemacht und sei jetzt gescheiter geworden. Dieser anhaltenden provokativen Geistwäsche begegnete Eva Herman in stoischer Ruhe, und sie liess sich nicht weichklopfen. Ich bewunderte die Standhaftigkeit, Ruhe und Überlegenheit dieser zu Unrecht angeschossenen Frau, die sich einfach nicht ins Standarddenken einzwängen lassen wollte.
Und wie bei einem sorgfältig inszenierten Drama kam es dann zum TV-Mord; ob er geplant war, weiss ich nicht. Eva Herman sagte, als das Gespräch bereits angeheizt war, zutreffend zu den Hinterlassenschaften der Nazizeit: „Es sind auch Autobahnen gebaut worden, und wir fahren drauf.“ Selbst das darf man offenbar nicht sagen – was sind denn da für Verklemmungen vorhanden?
„Das kannst Du so nicht sagen“, empörte sich Schreinemakers etwas hilflos, aber auch so etwas muss ja gestattet sein. Auch Kerner bemühte sich um Entrüstung: „Autobahn geht halt nicht, finde ich.“ Auch nicht eben eine geistsprühende Bemerkung. Und dann spielte Senta Berger, die einzigartige Chance wahrnehmend, die beleidigte Leberwurst und gab sich trotzig: „Ich muss jetzt gehen ...-“ – ein besonders grossartiger Ausdruck von Gesprächskultur. Schreinemakers wollte sich an diesem Eklat selbstverständlich intuitiv ihren Anteil sichern und sich gleich anschliessen (siehe „Common sense“ bzw. „Common Nonsense“). Und in dieser Phase wuchs Kerner über sich hinaus. Die Chance seines tristen Lebens war gekommen. Endlich wollte einmal er selber entscheiden (und nicht immer über sich entscheiden lassen). Er entschied mit dem Gehabe eines Grossinquisitors: „Eva, ich habe mich entschieden, mit meinen 3 Gästen weiterzureden – und mich von Dir zu verabschieden.“ Und den traurigen Hinterbliebenen war das Thema „Eva und der Nationalsozialismus“ abhanden gekommen.
Ich habe gestaunt, dass die Medien-Kommentatoren anschliessend nicht die Entlassung Kerners forderten, dem offenbar jede Toleranz und jeder Wille zur intelligenten Auseinandersetzung zwischen Leuten mit einer unterschiedlichen Meinung fehlt. Offenbar wurde Kerners billige Show von einigen gleichgeschalteten Medien sogar als eine Art von Triumph empfunden; in anderen hielt sich die Kritik an Kerners Unfähigkeit in pfleglich-sanftem Ton. Man darf sich die Chance schliesslich nicht verscherzen, selber einmal eingeladen zu werden ...
„Gleichschaltung“
Eva Herman hatte in ihrer begründeten Verärgerung einmal mit Bezug auf die Medien von Gleichschaltung gesprochen. Auch dieses Wort, das im „Duden“ als ein normaler Begriff mit rund 130 000 anderen aufgeführt ist, darf man offenbar in Deutschland nicht gebrauchen. Ich habe dieses Wort selber schon mehrfach verwendet und es oben als Provokatiönlein gerade noch einmal getan. Ich habe es bisher eingesetzt, ohne dessen Geschichte zu kennen. Offensichtlich hatte ich bisher mein „Bertelsmann Handlexikon“ (Ausgabe 1975) zu wenig eingehend studiert (wie man sieht, bin ich zu Selbstkritik durchaus fähig):
„Gleichschaltung, die Vereinheitlichung u. Unterordnung von polit. Gruppen, Einrichtungen u. Ämtern nach den Richtlinien einer polit. Zentralgewalt; meist verbunden mit der Anwendung von Gewalt u. Terror. Die G. ist ein Mittel zur Machtkonzentration in Diktaturen. Der Name kommt von dem nat-.soz. ‚Gesetz zur G. der Länder mit dem Reich’ vom 31. 3. 1933, dem mehrere ähnl. Gesetze folgten.“
Wenn diese Ausdeutschung zutrifft, habe ich das Wort bisher instinktiv immer richtig verwendet, und es kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass man auch ohne Bezug zum Dritten Reich in anderen Zusammenhängen von Gleichschaltung sprechen darf. Es geht einfach ganz allgemein um Unterordnungen unter Machthaber, was dazu führt, dass alle das Gleiche tun und denken (so weit dieses noch erlaubt ist).
Mit den USA und den von ihr beherrschten weltweit aktiven Organisationen haben wir heute wieder eine gefährliche Zentralgewalt von einem Ausmass, wie es sie noch nie gab, der sich ein grosser Teil dieser Erde, ob gezwungenermassen oder freiwillig, unterordnet. Faustdicke PR-Lügen werden von den eingebetteten Medien kritiklos und verharmlosend kolportiert. Weil sich eine grosse Mehrheit so zu verhalten genötigt sieht, aus welchen Gründen auch immer, führt dies eben zu gleichgeschalteten Medien, das heisst sie verkünden alle das Gleiche und trampen unisono auf jenen herum, die sich nicht in die Massenveranstaltung „Globalisierung unter US-Führung“ einbinden lassen.
Ich will gerecht sein: Noch gibt es einige mediale Ausnahmen. Die übrigen mögen sich bitte unbedingt betroffen fühlen – und mit ihnen auch, wer seine Neigungen zum gedankenlosen Glauben obrigkeitlich verordneter Desinformationen und zum politischen und gesellschaftlichen Aberglauben nicht zu unterbinden versteht.
Eine Gesellschaft, in der eine Eva Herman mit ihren vernünftigen, zur sozialen Entwicklung wichtigen Ideen keinen Platz mehr findet und sich nicht mehr ungestraft frei äussern darf, ist in einem traurigen Zustand. Wenn ausgerechnet Medien zu Unterdrückern der Meinungsfreiheit werden, dann: Gute Nacht. Noch schlimmer: Wenn am bitteren Ende die Unterdrücker statt die Warner gelobt werden, dann erweist sich am Beispiel Kerner, dass die Gesprächs- und Diskussionskultur in ihrem Kern faul geworden ist.
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