Textatelier
BLOG vom: 07.12.2007

Wickel: Kostensparend, wirksam und Balsam für die Seele

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Kranke, welche einen Wickel erhalten, fühlen sich allgemein umsorgter und ruhiger, was wiederum dem Pflegepersonal zugute kommt. Zudem sind Wickel ein aktiver Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen“
(Maya Thüler, Wickelexpertin aus Worb, CH)
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Über Wickel und Kräuterkissen habe ich schon in der Vergangenheit in diversen Zeitschriften berichtet. Durch das Blog von Lislott Pfaff („Kantonsspital Liestal: Information zur ärztlichen Betreuung) stiess ich wieder auf das Thema. Frau Pfaff schilderte ihren Aufenthalt im genannten Krankenhaus und bemängelte, dass die menschliche Wärme und Zuneigung vor allem der Ärzte zu den Kranken völlig fehlte (das Pflegepersonal liess es nicht an Zuwendung fehlen, war aber oft überfordert). Sie flüchtete nach wenigen Tagen aus diesem „kalten“ Haus und liess sich in die Ita-Wegman-Klinik Arlesheim einweisen. Dort waren die Pflege und Betreuung optimal. Es herrschte eine menschliche Atmosphäre. Ihr Husten wurde mit Brust- und Rückenwickeln (mit Thymianöl), Fussbädern und dergleichen behandelt. Sie empfand die Anwendungen als sehr wohltuend. In relativ kurzer Zeit war ihre Bronchitis verschwunden.
 
Leider haben viele Schulmediziner mit Wickeln in der Kranken- und Gesundheitspflege wenig am Hut. Ausserdem sind wohl die Pflegekräfte mit solchen Anwendungen überfordert. „Heute wird beim Personal gespart, wo es nur geht, die armen Pflegefachleute sind gestresst und können nicht mehr als das Notwendigste für ihre Patienten tun. Ich hatte sogar die grösste Mühe, eine Krankenschwester davon zu überzeugen, dass sie mir eine Bettflasche für meine eiskalten Füsse bringt“, so Lislott Pfaff in einer E-Mail am 04.12.2007 an mich.
 
In einem Kommentar an Walter Hess schrieb ich, dass die Schulmediziner in dem besagten Krankenhaus wohl noch nie etwas von Wickeln gehört hätten, obwohl diese Anwendungen zum Heilschatz jeder Grossmutter oder Mutter gehören. Aber die pharmahörigen Mediziner verordnen lieber Tabletten aus ihrer Wunderkiste. Die Menschlichkeit, Wärme und Zuneigung zum Kranken bleiben auf der Strecke.
 
Das Blog von der Schriftstellerin Lislott Pfaff zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass die Zusammenarbeit zwischen Patientin, Pflegenden und Ärzten nicht funktioniert hat. Da müsste der Chefarzt endlich einmal eingreifen. Er braucht ja nicht seine Kartoffeln aus dem Keller zu holen, um Wickel anfertigen zu lassen, sondern müsste dafür sorgen, dass der Patient gehegt und gepflegt wird. Die Entschuldigung, dass das Personal knapp ist, lasse ich nicht gelten. Es genügen einfache Zuwendungen, um den Patienten zufriedenzustellen.
 
Was Wickel bewirken
Wickel, Kompressen und Kräuterkissen sind heute erfreulicherweise wieder im Kommen. In Zeiten der teuren Fertigmedikamente stellen sie nämlich eine natürliche, effektive und preiswerte Heilbehandlung dar. Die Anwendungen sind hilfreich bei Schmerzen, Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Krämpfen, kalten Füssen, rheumatischen Erkrankungen, oberflächlichen Venenentzündungen, Verstauchungen, Prellungen, Juckreiz, Hautkrankheiten und auf Grund der Berührung und menschlichen Nähe Balsam für die Seele des Kranken.
 
Die feuchte Wärme eines Wickels fördert die Durchblutung. Schmerzen und Entzündungen lassen nach und Verkrampfungen lösen sich. Bei Bronchitis entfalten sie eine schleimlösende Wirkung. Wickel haben auch eine ausleitende, reinigende und entgiftende Wirkung. Es werden die Schweissbildung angeregt und Stoffwechselprodukte vermehrt ausgeschieden. Sie haben auch eine entspannende, beruhigende und schlaffördernde Wirkung. Kalte Wadenwickel wirken – richtig angewandt – fiebersenkend.
 
Utensilien für Wickel
Für Wickel und Auflagen benötigt man folgende Utensilien: 1 bis 2 Baumwolltücher als Innentücher, etwas grösser als die zu behandelnde Stelle; und ein Wolltuch als Aussentuch. Es sollte so gross sein, dass es um Brustkorb, Arm, Bein oder Fuss herum reicht und auch zum Befestigen verwendet werden kann. Dann einige Sicherheitsnadeln, bei warmen Wickeln ein bis zwei Wärmflaschen.
 
Wickel mit flüssigen Heilmitteln wie Heilpflanzenaufguss, Heilpflanzenöle, Tinkturen oder anderen Flüssigkeiten: Das Innentuch wird mit dem Aufguss durchtränkt. Bei warmen Wickeln auf die Temperatur achten und an der Unterarminnenseite oder Wange prüfen. Innentuch auswringen, auflegen. Mit dem Aussentuch abdecken und befestigen. Bei warmen Wickeln Wärmflasche aussen auflegen.
 
Wickel mit breiigem oder festem Material wie Quark, Leinsamen-, Kartoffelbrei, Heilerde: Mullkompressen oder breite Binden erleichtern das rasche Entfernen der breiigen Heilmittel. Sie sollten möglichst dünn sein und bilden die unterste, das heisst hautnahe Schicht. Die breiige Masse wird 0,5 bis 1 cm dick auf das Innentuch gestrichen, eventuell mit einer auseinander gefalteten Mullkompresse abgedeckt. Mull, Brei oder Pflanzenteile nach unten direkt auf die Haut legen. Mit dem Aussentuch abdecken und befestigen.
 
Dauer der Anwendung: Warme Wickel können am Körper belassen werden, bis sie abgekühlt sind, gegebenenfalls auch über Nacht. Kühlende Wickel und Auflagen müssen alle 10 bis 30 Minuten erneuert werden. Insgesamt nicht länger als 2 Stunden ununterbrochen kühlen! Nach mehrstündiger Unterbrechung sind Wiederholungen möglich. Der Wickel darf nicht zu locker und auch nicht zu eng angelegt werden.
 
Kalt oder warm?
Manche schwören auf kalte Wickel, wiederum andere auf intensive oder milde Wärme. Es muss jeder herausfinden, welcher Wickel für ihn am besten ist. Es gibt jedoch Empfehlungen, die besonders für den Erstanwender eine Orientierung sein können.
 
Kalte Wickel lindern Schmerzen und beeinflussen Entzündungen im akuten Stadium positiv. Die Kälte bewirkt auch, dass sich Entzündungen nicht ausbreiten.
 
Kalte Wickel empfehlen sich bei akuten Gelenkschmerzen, Hexenschuss, Verstauchungen, Prellungen, Verrenkungen, oberflächlichen Venenentzündungen, Halsschmerzen und Fieber.
 
Kalte Wickel sollte man nach Angaben der Wickelexpertin Maya Thüler nicht anwenden bei Stirn- und Kieferhöhlenentzündungen, Ohrenentzündung, Bronchitis, Blasen- und Nierenbeckenentzündungen (diese warm behandeln).
 
Heisse Wickel eignen sich hervorragend bei chronischen Gelenk- und Rückenschmerzen, Stirn- und Kiefernhöhlenentzündungen, Fingerumlauf und Furunkel.
 
Temperierte Wickel (milde Wärme) sind einzusetzen bei Ohrenschmerzen, Nervenschmerzen (Neuralgien) und chronischer Polyarthritis.
 
Hier einige Anwendungen, die auch meine Grossmutter und Mutter gelegentlich anwandten. Hauptsächlich wurden Wickel zur Fiebersenkung herangezogen. Da brauchten wir früher keine fiebersenkenden Medikamente.
 
Kohlwickel bei Krampfadern
Kohlwickel, Wirsingwickel, Kohl- und Wirsingauflagen eignen sich hervorragend bei Gicht in den Zehen, Ohrenschmerzen, Halsentzündung, Fieber (hier Wickel auf den Rücken), Gelenkschmerzen, Unterschenkelgeschwüren, Gürtelrose, Quetschungen, Narben, Nagelbettentzündungen, Insektenstichen, Krampfadern und Abszessen. Die Wirkung eines Kohl- oder Wirsingwickels führen Forscher auf den Gehalt an entzündungshemmenden Stoffen (Flavonoide, Senfölglykoside) zurück.
 
Achtung! Bei Nierenbeckenentzündung, Gürtelrose, Abszessen und Unterschenkelgeschwüren vor Anwendung immer den Arzt fragen! Manchmal zeigt sich bei Anwendung des Kohlwickels eine Erstverschlimmerung der Beschwerden. Der Kohl wirkt desinfizierend und leitet Giftstoffe über die Haut aus.
 
Durchführung: Blätter waschen, abtrocknen, Mittelrippe oder vorstehende Blattrippen herausschneiden, Blattreste mit einem Rollholz weich walzen, dachziegelartig auflegen und mit einem Zwischen- und Abdecktuch einwickeln. Einwirkungsdauer: 1 bis 12 Stunden, täglich morgens und abends anwenden.
 
Essigwickel bei Juckreiz
Der kalte Essigwickel ist hilfreich bei Fieber und Juckreiz. Der Brustwickel nach Kneipp empfiehlt sich zur Stärkung der Atmungsorgane, zur Schmerzlinderung und zur Förderung der Schleimabsonderung.
 
Zur schonenden Fiebersenkung helfen die nasse Essigsocke, Kohl- oder Quarkwickel, feuchtkalte Wadenwickel. Die Wadenwickel müssen alle 8‒10 Minuten erneuert werden – während ½ bis 1 Stunde – bis das Fieber um 1 °C gesunken ist.
 
Hinweis: Wer Essig für Wickel verwendet, sollte ihn mit Wasser verdünnen (1 Viertel Essig, 3 Viertel Wasser).
 
Kartoffelwickel bei Verspannungen
Immer mehr Menschen plagen sich heute mit Rückenschmerzen, Arthrosen und Nackenverspannungen (auch Kopfschmerzen, die durch diese Verspannungen ausgelöst werden) herum. Bei diesen Beschwerden bietet sich der hervorragende Kartoffelwickel an. Er beruhigt und löst die verspannungsbedingten Schmerzen, wirkt schweisstreibend, fördert die Ausscheidung und stärkt kränkliche Organe. Der heisse Kartoffelwickel wird auch empfohlen bei Husten, Bronchitis, Halsschmerzen, Blasenentzündung.
 
Durchführung: Ungeschälte, heisse, gekochte Kartoffeln auf ein Tuch legen, die Ränder des Tuchs von allen Seiten über die Kartoffeln legen, Kartoffeln mit der Faust zu einem Brei zerdrücken, Tuchenden mit einem Klebestreifen fixieren. Bei einem Brustwickel (bei Husten) wird die Kompresse auf die Brust gelegt und mit einem Innentuch aus Baumwolle oder Leinen und einem wollenen Aussentuch befestigt. Bei einem Nackenwickel (bei Nackenverspannungen) genügt ein Frottier- oder Wolltuch (Tuchenden unter die Schulter legen).
 
Vor Anwendung sollte man immer die Wärmeverträglichkeit prüfen. Dazu halten Sie die Kompresse für eine Minute auf die Unterarminnenseite oder Wange.
 
Dauer der Anwendung: Solange der Wickel warm ist oder über Nacht. Nach Anwendung die Hautstelle mit einem Hautfunktionsöl behandeln.
 
Quark hilft bei Entzündungen
In Form einer kalten Kompresse leistet Quark vorzügliche Dienste bei Entzündungen, Juckreiz, Halsweh, Heiserkeit, Brustdrüsenentzündungen, Gelenkentzündungen, Neurodermitis, Sehnenscheidenentzündungen, Tennisellbogen, oberflächlichen Venenentzündungen, Krampfadern, Akne, Sonnenbrand, Insektenstichen, Ekzemen und „offenen Beinen“. Quark ist deshalb so beliebt, weil er eine geringe örtliche Reizwirkung, aber eine starke Kühlwirkung hat. Er regt die Durchblutung an, wirkt abschwellend und schmerzlindernd.
 
Durchführung: Quark auf eine Gaze streichen, die Ränder einschlagen und auf die betreffende Körperpartie auflegen. Zum Schluss mit einem Tuch abdecken.
 
Hinweis: Je feiner der Quarkbrei, desto besser die Wirkung. Eventuell den zu festen Brei mit etwas Wasser verrühren.
 
Dauer der Anwendung: Nachdem der Quark nicht mehr kühl empfunden wird oder spätestens nach 1 bis 2 Stunden die Kompresse entfernen.
 
Ich habe ein passendes Weihnachtsgeschenk für unbelehrbare Therapeuten: Das Buch „Wohltuende Wickel“ von Maya Thüler (www.wickel.ch). Wer Lust hat, kann sich zur Wickelexpertin oder zum Wickelexperten ausbilden lassen.
 
Hinweis auf das Blog von Lislott Pfaff mit der Wickel-Erwähnung
 
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