BLOG vom: 28.12.2007
Glück und Unglück (I): Leben mit und ohne Schokoladeseiten
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
„Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden.“
(Carl Spitteler)
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„Ein bescheidenes Glück – die beste Form des Glückes.“
(Fontane)
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„Selten kommen grosses Glück und Verstand zusammen.“
(Aus Kroatien)
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„Das Glück ist eine dumme Kuh: Es läuft dem dümmsten Ochsen zu.“
(Sprichwort)
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„Frei von Unglück ist niemand.“
(Sophokles)
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Die evangelische Pfarrerin Claudia Kuchenbauer, die die Arbeitsstelle für gewaltfreie Konfliktbearbeitung in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern leitet, erzählte eine Geschichte über das Glück: Ein Bauer hatte ein Pferd. Eines Tages lief es fort und kam nicht zurück. „Was für ein Unglück“, sagten die Leute. „Seid ihr sicher?“, fragte der Bauer. Da kehrte es nach Tagen zurück und brachte ein Wildpferd mit. „Was für ein Glück!“, hiess es im Dorf. „Seid ihr sicher?“ Als der Sohn des Bauern das Wildpferd zureiten wollte, stürzte er und brach sich die Hüfte. „Seid ihr sicher, dass es ein Unglück ist?“ fragte der Bauer seine Nachbarn. Kurz darauf brach ein Krieg aus und alle jungen Männer des Dorfes wurden eingezogen. Der Bauernsohn durfte bleiben. Glück oder Unglück?
Es gibt viele Beispiele, wo sich ein Unglück später zu einem Glück oder umgekehrt ein Glück zu einem Unglück verwandelte. Hier sind einige Geschichten, die auf Tatsachen beruhen.
„Hat der ein Schwein!“
Diesen Ausspruch höre ich immer wieder, wenn ein Mensch im Lotto oder in einer Tombola gewonnen hat. Nachdem bekannt wurde, dass der riesige Jackpot der deutschen Lottogesellschaft in Höhe von 45 Millionen Euro an 3 Gewinner Anfang Dezember 2007 ausgeschüttet wurde, hörte ich dies: „Jetzt können sich die glücklichen Gewinner ein Haus, ein Auto mit Airbag, Reisen, Pferd und ein Boot leisten.“ Einer schlug sogar vor, er könne sich mit den 45 Millionen Euro (da war noch nicht bekannt, dass es 3 Gewinner gab) den mehrfachen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher als Chauffeur für 267 Tage leisten (er verdiente in Spitzenzeiten weit über 50 Millionen Euro im Jahr). Dann wäre sein Geld leider wieder futsch. Da könnte er die Papierfetzen ja gleich aus dem Fenster werfen. So etwas würde mir nie im Traum einfallen!
Diejenigen sind die Glücklichen, die sehr verantwortungsvoll mit solchen Riesengewinnen umgehen. So sagte der Ehemann einer Gewinnerin: „Wir waren immer Schnäppchenjäger, und wir werden Schnäppchenjäger bleiben.“
Der „Spiegel“ (www.spiegel.de) gab 10 Regeln für Jackpot-Gewinner bekannt. Hier sind sie: Ruhe bewahren, Stillschweigen, Wandel mit Mass (keine Änderung der Lebensgewohnheiten), gute Planung, weiter arbeiten, das Leben geniessen, von den Zinsen leben, professionelle Hilfe anfordern, Anonymität bewahren und spenden.
Ich persönlich würde von meinem Gewinn auch viel für arme und bedürftige Menschen spenden.
Christoph Lau befragte 14 Lottomillionäre und kam zu dem Ergebnis, dass das Glücksgefühl oft nur kurz anhält. Die meisten legen das Geld sinnvoll an und kaufen nicht unbedingt Luxusgüter. Viele reden zwar von Spenden, aber sobald das Geld angelegt ist, schwindet die Bereitschaft dazu.
Es gibt genügend Fälle, wo sich das vermeintliche Glück zu einem Unglück wandelte. Hier einige Beispiele:
Alles verjubelt
Michael B. (genannt der „Millionen-Michi“ aus Niedersachsen) gewann vor der Euroeinführung 2,7 Millionen DM im Lotto. Er gönnte sich eine Limousine mit Chauffeur, eine Rolex, teure Haushaltsgeräte und ein eigenes Autohaus. Nach 3 Jahren ging es mit ihm steil bergab. Er fuhr ohne Führerschein herum, wurde oft erwischt und hatte 50 Einträge in der Verkehrssünderkartei in Flensburg. Schliesslich sollte er 500 000 Mark Strafe berappen oder in den Knast gehen. Er wählte das Gefängnis. Er musste dann für 5 Jahre und 9 Monate in den offenen Vollzug gehen. Mit seinem Geschäft ging er in Konkurs. Die Geschwister, Eltern und Freunde wandten sich von ihm ab. Hatte der Mensch Glück? Ich bin überzeugt, dass kein Mensch mit so einem Gewinner tauschen möchte.
Der Mann hatte jedoch durch seine Lebenseinstellung unwahrscheinliches Glück. Er hat ein gutes Verhältnis zu seinen 5 Kindern und 3 Enkelkindern. Bemerkenswert ist seine positive Lebenseinstellung. Er ist so optimistisch, dass er wieder tippt. Der Mann mit dem unverwüstlichen Optimismus ist überzeugt, dass er wieder gewinnen wird (Quelle: www.spiegel.de). In der Vergangenheit gab es tatsächlich Glückspilze, die mehrmals beträchtliche Gewinne einheimsten.
Jack Whittaker (55) aus dem Dörfchen Hurricane (USA) hatte jedoch mit seinem Riesengewinn von 315 Millionen Dollar ein schweres Los. Es war bisher der grösste Einzelgewinn in den USA. Er hat nach seiner Geldverschleuderung alles verloren. Seine Frau verliess ihn, seine Tochter ist krank, die geliebte Enkelin Brandi ist tot (sie bekam 2000 Dollar Taschengeld in der Woche, 2 Jahre nach dem Lottogewinn starb sie an einer Überdosis Rauschgift), verlor alle Freunde und hat immer Ärger mit der Polizei. 440 Klagen werden zurzeit bearbeitet. „Ich wünschte, ich hätte das Los zerrissen“, sagte der heute einsame und verbitterte Mann.
Auch in unserer Gegend gewann einmal ein Tipper einen beträchtlichen Betrag für 6 Richtige. Kaum war der Gewinn in seinen Händen, meldeten sich unzählige Freunde und Verwandte, die auch etwas vom Geldkuchen abbekommen wollten. Der gesundheitlich angeschlagene Mann konnte sich vor Anfragen kaum retten. Heute ärgert er sich noch über die unschönen Szenen. Die Moral von der Geschichte: Gebe niemals einen Gewinn bekannt.
Auch wer einmal in seinem Leben 5 oder 6 Richtige (von 49 Zahlen!) hatte, kann eine Überraschung sowohl der negativen als auch der positiven Art erleben. So hatte einmal mein Stiefvater nach vielen Jahren des Lottospielens 5 Richtige. In der Vorwoche hatte es einen Gewinn von 8000 DM gegeben. Er freute sich schon auf diesen Batzen Geld, aber die Ernüchterung kam. An dieser Ausspielung gab es viele Gewinner, so dass er nur 1500 DM gewann. Er ärgerte sich natürlich. Aber bald einmal stellte er sich positiv dazu ein: Lieber diesen Gewinn als gar keinen.
Als ich von 1962 bis 1964 in der Chemieschule Dr. Hallermayer in Augsburg meinen Horizont erweiterte, hörte ich von einem ungewöhnlichen Lottogewinn. Ein Landwirt kreuzte aus Unwissenheit 2 Mal dieselben Zahlen in 2 verschiedenen Kästchen auf seinem Lottozettel an und erzielte 2 Mal den Höchstgewinn. Der Landwirt war der Meinung, er müsse immer dieselben Zahlen ankreuzen.
Das Ausbildungsglück
Persönlich hatte ich das Glück, einen Stiefvater zu haben, der auf meine Ausbildung ein besonderes Augenmerk legte.
Nach der Vertreibung aus dem Sudetenland kamen meine Mutter, Schwester und ich nach Bayern. Mein Vater war damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, bereits etliche Jahre vermisst. Das Deutsche Rote Kreuz suchte nach den Vermissten. Erst 1950 wurde der Aufenthaltsort meines leiblichen Vaters gefunden. Er lebte in Weimar mit einer Frau zusammen. Auch er wusste damals nicht, ob seine Frau und die beiden Kinder noch unter den Lebenden weilten. Inzwischen hatte meine Mutter einen Mann aus Karlsbad kennen gelernt, den es ebenfalls nach Bayern verschlagen hatte. Nach der Scheidung von meinem Vater heiratete sie den Neuen. Es war für mich ein Glück, dass nun ein rechtschaffener, aber strenger Stiefvater dafür sorgte, dass ich eine gute Ausbildung bekam. Er kontrollierte die Hausaufgaben meiner Schwester und von mir, und wehe, wenn sie schludrig gemacht waren; dann mussten wir zusätzliche Zeichnungen anfertigen oder die Schönschrift üben, bis uns die Finger weh taten.
Es waren mühsame Aufbaujahre nach dem Krieg. Aber immer wieder sorgte mein Stiefvater dafür, dass noch Geld für die private Mittelschule in Donauwörth vorhanden war, um die Ausbildung zur Mittleren Reife zu garantieren. Später verdiente ich in den Ferien und auch in den Lehrjahren das Geld für die Chemieschule selber. Langsam wurde der Ehrgeiz in mir geweckt. Es war schliesslich mühsam erarbeitetes Geld für die Schule.
Auf der Chemieschule waren einige gut betuchte Schüler, die von ihren Eltern alles mitbekamen. Sie trugen die besten Kleider, gaben Geld für unnötige Dinge aus und schwärmten von einem sorglosen Leben. Aber diese Schüler waren die Faulsten in der Klasse. Sie hatten es nicht nötig, sich anzustrengen. Nach dem Vorsemester oder nach dem 1. Semester verliessen einige die Chemieschule und lebten auf Kosten der Eltern weiter. Die hatten alle finanziellen Möglichkeiten mitbekommen, aber versagten dann, weil sie ohne besondere Motivation und Ehrgeiz einen Schulabschluss anstrebten.
In der Mittelschule (in anderen Bundesländern Realschule) in Bayern hatte ich das Glück, einen strengen Deutschlehrer zu bekommen. Es war Josef Walter König, der auch einige Bücher publizierte. Er brachte uns den richtigen Schliff bei. Obwohl ich die durchschnittliche Note 3 in Deutsch hatte, kam mir später das Beigebrachte zugute. Durch Zufall wurde ich Publizist. Es fing damit an, dass ich zunächst ein Foto von Schlittschuhläufern, dann einige Tage später den ersten Kurzbericht über ein Wiedersehen (meine Oma und ihre Schwester sahen sich nach 17 Jahren wieder) in der „Donauwörther Zeitung“ publizierte. Danach folgten weitere Aufträge. Ein Glück für mich war, dass ich meistens die richtigen Leute kennen lernte. Ein Glück für mich waren die Begegnungen mit Dr. Johann Georg Schnitzer, Dr. Felix Grandel, Walter Hess, Walther Schoenenberger, Alfred Vogel, Bruno Vonarburg, Prof. Dr. med. Rudolf Weiss u. a. Diese prägten meine schriftstellerischen Bemühungen im besonderen Masse.
Glück kann man essen
Es ist inzwischen bekannt, dass bestimmte Nahrungsmittel eine stimmungsaufhellende Wirkung entfalten. Denken wir in diesem Zusammenhang an die Schokolade. Für die meisten ist die „zarte Versuchung“ trotz erheblicher Kalorien (550 Kilokalorien pro 100 g) ein Genusserlebnis besonderer Art. Aber nicht nur das, sie wirkt antidepressiv und anregend. Nichts kann die Freuden beim Schokoladengenuss trüben – da schliesse ich mich an.
In geselliger Runde, zu Hause und im besonderen Masse nach einer Wanderung geniesse ich immer ein schönes Vesper, ein Menü oder ein Hauptgericht aus der Region. Alleinstehende können das Essen auch zelebrieren. Wie Christa Gall in der „CoopZeitung“ (2007-50) richtig betont, wird beim genussvollen Essen bestimmter Nahrungsmittel der Botenstoff Serotonin produziert, der Glücksgefühle auslöst. Damit der Körper Serotonin herstellen kann, muss er das Tryptophan aus der Nahrung zur Verfügung gestellt bekommen. Tryptophan ist in Geflügel, Fisch, Fleisch, Käse, Ei, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Hirse, Sojabohnen, Weizenkeimen, Sesamsamen, Haferflocken, Schokolade und Nüssen enthalten.
Neue Beine für Maglosia
Die ergreifendste und schönste Geschichte zum Thema Glück stand am 15.12.2007 in der „Badischen Zeitung“. Da berichtete Silvia Faller über die 13-jährige Maglosia Wojsa aus der polnischen Stadt Koszalin. Das Mädchen kam nämlich ohne Beine und Arme auf die Welt. Es muss für alle ein furchtbarer Schock gewesen sein, ein Kind mit einer solchen Verstümmelung zu erblicken. Das Mädchen hatte jedoch Glück, weil sich alle bemühten, ihr ein angenehmes Leben zu garantieren. Auch das Kind blühte auf und lernte bald ihre Beckenmuskeln einzusetzen, um vorwärts zu kommen. Es war ihr Glück, dass es in Freiburg eine Hilfsgemeinschaft für Behinderte und Kranke in Polen e.V. gibt, die sich dafür einsetzt, dass sie in der Breisgaumetropole einen raffinierten Laufapparat bekam (die Kosten wurden durch Spenden beglichen). Mit Hilfe dieses genialen Geräts setzt nun das hübsche Mädchen die Schaukelbewegung in eine Vorwärtsbewegung um. Vor 7 Jahren hatte sie schon einmal einen Laufapparat bekommen, der nicht so modern war wie der jetzige. Sie erhielt auch vor kurzem künstliche Arme, die sie bewegen kann.
In Polen besucht die Behinderte eine normale Schule. Dies ist in Polen üblich. Dort wird also nicht unterschieden zwischen normalen und behinderten Kindern. Bei uns ist es ja so, dass die Behinderten in Sonderschulen kommen.
Maglosia betätigt übrigens auch den Computer. Nicht mit ihren Händen, sondern mit einem Pusterohr, ihrem Kinn oder einem Stift, den sie mit ihrem Mund hält. In die Schule fährt sie mit einem Rollstuhl. Es ist ein unglaublich tapferes Mädchen, das sein Leben so gut wie möglich meistert.
Silvia Faller schrieb am Schluss ihrer Publikation dies: „Vor kurzem konnte ihre Familie in eine rollstuhlgerechte Wohnung umziehen. Seither kann Maglosia allein aus dem Haus, etwa zum Einkaufen. Und das macht ihr so viel Spass, dass sie hin und wieder absichtlich etwas vergisst, um gleich wieder losfahren zu können.“
Infos zur Hilfsgemeinschaft für Behinderte und Kranke in Polen e.V. gibt es unter +49 (0)761 7070574, das Spendenkonto bei der Sparkasse Freiburg hat die Nummer 2052355 (BLZ: 68050101).
Was verstehen Blogger unter Glück?
Neugierig, wie ich bin, wollte ich einmal wissen, was Blogger so unter Glück verstehen. Walter Hess schrieb mir dies: „Glück bedeutet für mich Gesundheit, die Möglichkeit zur Selbstgestaltung des Lebens, meine Gedanken frei äussern und bewegen zu können, ein auf meine individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Heim zu haben und gute Luft atmen zu können, nicht in den USA leben zu müssen und keine Dollars oder Anlagen in Dollars zu besitzen … und in möglichst allen Belangen unabhängig zu sein.“
Rita Lorenzetti, Autorin und Bloggerin aus Zürich, hat folgende Vorstellung von Glück: „Glück, das ein Unglück gleich auflösen kann, kenne ich. Letztes Jahr zum Beispiel, als ich bei Regenwetter mit dem Velo unterwegs war und unachtsam über eine stillgelegte Eisenbahnschiene fuhr, stürzte und dabei keinen Schaden erlitt, das war dann wirklich Glück.
Im Laufe des Lebens habe ich öfters Glück gehabt, wenn sich etwas fügte, was ich selbst nicht zustande gebracht hätte. Dieses Glück hat mit Mitmenschen zu tun, die an mich glaubten, mir eine Aufgabe oder eine Arbeit übertrugen oder mir halfen, diese zu erfüllen. Dann das ganz persönliche Glück der eigenen Familie als einen festen Grund im Leben. Und ich hoffe, dass ich auch Freunden und Mitmenschen gelegentlich zu einem Glücksmoment verhelfen konnte.
Glück wird oft nur als ein momentaner Zustand beschrieben. Für mich gibt es Glück aber auch in der Rückschau, in einer Art Dankbarkeit, dass Entscheidungen von damals richtig waren und mich auch in schwierigen Zeiten getragen haben.“
Dann betonte sie noch, dass das Glück für jeden Menschen etwas anderes bedeutet. Und genau so ist es auch. Deshalb kann man auch keine Glückspillen für den Allgemeingebrauch erfinden.
Fortsetzung folgt.
Hinweis auf weitere Blogs zum Thema Glück
29.12.2004: Hat Glück wirklich vor allem mit Arbeit zu tun?
27.12.2004: Glücksstreben, Glückwünsche und Lebenssinn
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