BLOG vom: 17.03.2008
Abschied von Alfred Huber: Einsatz für mehr Natur im Wald
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Seiner Lebtag hatte er mit unendlichem persönlichem Einsatz für naturnahere Wälder gekämpft, und am 12. März 2008, 3 Monate vor dem 90. Geburtstag, ist er gestorben: Forstingenieur Dr. Alfred Huber, Schaffhausen. Das Eintreffen der Todesanzeige hat mich betrübt, weil sich die Reihen der Menschen, die sich in selbstloser Weise und mit ganzem Engagement gegen Fehlentwicklungen stemmen und aufklärend wirken, zunehmend lichten.
Auf dem Waldfriedhof in Schaffhausen, den Alfred Huber als sein letzter Zufluchtsort ausgewählt hat, ruht mit ihm eine ganze Bibliothek ökologischen Wissens und Verständnisses, auf die jetzt nicht mehr zugegriffen werden kann. Zum grossen Glück hat uns Alfred Huber eine Vielzahl von Schriften hinterlassen, die lesen kann, wer den Wald als etwas anderes als eine Ansammlung gleichförmiger Einzelbäume begreifen lernen möchte: als Lebensgemeinschaft, die aus der Fülle heraus ständige Gleichgewichte herstellt und als Lunge für diesen Erdball fungiert. Nur wer das nicht begreift, wird ihn in Plantagen umwandeln oder abholzen, wie das zum Beispiel in Amazonien seit Jahrzehnten geschieht, oder Waldmisshandlungen ohne Widerspruch zulassen.
Wald-Arten
Alfred Huber hatte viele Studienreisen in alle Welt unternommen, entfaltete den Schwerpunkt seines Wirkens dann aber doch in der Schweiz und insbesondere in seinem näheren Wohnumfeld, dem „Randen“ im Schaffhausischen. Bereits im Alter von 30 Jahren (1948) veröffentlichte er im Verlag Leemann AG, Zürich, ein wissenschaftliches Werk: „Der Privatwald in der Schweiz.“ Darin gliederte er die mannigfaltigen Schweizer Wälder in den Voralpentypus, wie er im oberen Emmental in seiner reinsten Ausgestaltung zu finden ist, und den Mittellandtypus, für den sich zahlreiche Beispiele aus den Kantonen Thurgau, Zürich, Luzern, aber auch aus dem ganzen übrigen Mittelland aufführen lassen. Die Privatwaldungen des Mittellands und des Tessins sind oft in kleine und kleinste Parzellen unterteilt. Pflegliche Eingriffe im Hinblick auf eine Gleichaltrigkeit der Bestände und den Einbezug standortsfremder Holzarten waren dem jungen Forstfachmann schon damals ein Dorn im Auge. Beachtete er damals noch Aspekte wie Ertragssteigerungen, traten diese in seinem weiteren Schaffen immer deutlicher in den Hintergrund.
Der Zweite Weltkrieg mit seinen Anbauschlachten als Überlebensübung des vom Krieg umgebenen Binnenlands Schweiz hatte das Ertragsdenken naturgemäss stark beeinflusst. Doch bei Kriegsende setzte in auserwählten Forstkreisen ein neues Denken ein. Walter Ammon, der von 1912 bis 1944 als Kreisoberförster in Thun gewirkt hatte, gründete 1945 die Stiftung „Pro Silva Helvetica“, welche sich die Förderung des Plenterprinzips in die Statuten geschrieben hatte; in Deutschland entstand 1950 die „Arbeitsgemeinschaft Naturgemässe Waldwirtschaft“ (ANW) mit einer ähnlichen Zielsetzung.
Das Plentern
Unter dem Plenterprinzip beziehungsweise einem Plenterwald wird eine Art „Dauerwald“ verstanden, in dem nicht flächenweise abgeholzt (Kahlschlag) und hernach plantagenmässig aufgeforstet wird. Sondern das Wesen des Plenterprinzips ist eine Einzelbaumwirtschaft; es verzichtet auf einen flächenweisen Abtrieb. Man pickt sozusagen Einzelbäume heraus, doch der Wald bleibt immer bestehen, so dass das dynamische ökologische Beziehungsgefüge zwar zeitweilig gestört, aber nicht unterbunden wird. Diese Wälder mit ihrem komplexen Beziehungsgefüge, das sich in einem steten Wandel befindet, sind weit weniger krankheitsanfällig als Holzplantagen, in denen sich Gleichgewichte längerfristig nur via Ausbreitung von Schädlingspopulationen einstellen können, welche die Fehlkonstruktion zuerst einmal zum Einsturz bringen, wonach auf den Trümmern etwas Neues entstehen kann. Das könnte am besten ohne forstwirtschaftliche Eingriffe geschehen; denn in den klimatisch gemässigten Zonen Mitteleuropas würde der Wald, griffe der Mensch nicht rodend ein, als standörtlich höchstentwickelte, mit der Umwelt sich im Gleichgewicht befindende Pflanzengesellschaft (als so genannte Klimaxvegetation) den weitaus grössten Teil des Landes bedecken. Waldfrei wären nur die Gewässer, stark versumpfte Stellen, steil abfallende Felsen, sehr trockene, wüstenähnliche Standorte und das Gebirge oberhalb der natürlichen Waldgrenze. Wird die Landbewirtschaftung durch Bauern eingestellt, entsteht wieder Wald.
Alfred Huber, der viele seiner Gedanken in den ausgezeichneten Schriften des Rheinaubunds, dieser Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat (www.rheinaubund.ch), publizierte, wies dem Förster zwar noch eine gewisse lenkende Funktion zu, damit auch gewisse Holzarten mit grosser Nachfrage wie gleichmässig strukturiertes, astreines Holz mit feinem, gleichmässigem Jahrringbau heranwachsen kann. Denn in einem Ur- bzw. Naturwald herrscht das Faustrecht vor: Dem stärksten, wuchskräftigsten Baumindividuum mit der grössten Krone gehört dort die Vorherrschaft. Weil die Absichten der Natur und die auf die Nutzniessung bedachten Anforderungen, wie sie der Mensch stellt, kaum deckungsgleich sind, sah Alfred Huber die Lösung in einer „naturnahem Waldwirtschaft“, in einem Lenken ohne grossen Zwang, ohne Gewaltanwendung, einfach durch eine „positive Auslese“, indem besonders wertvolle Bäume von den Nachbarn, die sie bedrängen, befreit werden. Kahlschläge und Neuanpflanzungen braucht es dabei nicht, ja sind verpönt.
Als „extrem naturfremd“ erachtete Huber Monokulturen standortsfremder Baumarten mit einem entsprechend instabilen Ökosystem; sie sind gegen Umwelteinflüsse entsprechend empfindlich. Und entsprechend war das so genannte Waldsterben, das in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Menschen mit Recht beunruhigte, im Wesentlichen eine Folge der Waldwirtschaft, die in ihrer heiligen Einfalt zum banalen Holzackerbau mutiert war. In seinem 1985 publizierten Aufsatz „Was ist naturnahe Waldwirtschaft?“ (Heft 1 der Schriftenreihe des Rheinaubunds, 1985) stellte Huber fest, dass „der Holzackerbau an Ausdehnung und auch an ,Beliebtheit’ immer mehr zunimmt, während die naturnahe Waldbewirtschaftung vielerorts in eine Verteidigungsstellung gedrängt wird.“ Und er wies den Weg weg von den Kunstwäldern: „Für einen Waldbetreuer, der mit seinem Wald lebt und sich mit ihm in seinem ganzen Wirken eng verbunden fühlt, gibt es wohl kaum eine andere Alternative: Nur der naturnah bewirtschaftete Dauerwald vermag ihn selbst und die ganze menschliche Gesellschaft dauernd optimal zu befriedigen. Den Holzackerbau – gleichgültig ob gross- oder kleinflächig betrieben –, dessen Erzeugnis den Namen ,Wald’ vielfach kaum oder nicht verdient, muss er ablehnen.“
Die Schaffhauser Wälder
Ein grosser Einsatz Alfred Hubers galt den Wäldern im Kanton Schaffhausen, wobei er Impulse gab und diese gleichzeitig mit Kritik verband. Im „Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen“ (Nr. 51/1999) bemängelte er „das weitgehende Fehlen von alten Wäldern und das Vorherrschen von grossflächigen gleichaltrigen, mittelalten und älteren Waldbeständen“. Und er plädierte dafür, dass die Waldfunktionen Schutz, Wohlfahrt und Nutzung gleichwertige Pfeiler sein mussten, wie das sogar von der eidgenössischen Gesetzgebung vorgeschrieben wird. Doch nicht allein dem Nützlichkeitsdenken darf gehuldigt werden; denn dem Wald kommt laut Huber (im „Schaffhauser Magazin“ 3/1989) „abgesehen von allen für uns wohltätigen Wirkungen des Waldes, die sich mehr oder weniger in materiellen Vorteilen für uns ausdrücken lassen, (…) ein hoher Eigenwert zu – ein ideeller Wert, ohne den wir viel ärmer wären“.
Exkursion in Märchenwälder
Neben anderen naturverbundenen Förstern war dieser Alfred Huber einer meiner wichtigsten fachlichen Begleiter bei meinen publizistischen Arbeiten zum Thema Waldwirtschaft. Ich wurde mit Rüstzeug von 1A-Qualität eingedeckt, um gegen die Plantagenwirtschaft der kommerziell ausgerichteten Industrieförster antreten zu können. Dazu gehörten verschiedene Exkursionen, die ich mit Alfred Huber unternehmen durfte, im Herbst 1991 zum Beispiel in den Märchenwald der Fürsten von Fürstenberg in der Nähe von Donaueschingen, rund 35 km von Schaffhausen entfernt. Dort gibt es einen seit 1939 unter Naturschutz stehenden Wald, in dem Bäume seit vielen Jahrhunderten nicht mehr geschlagen worden sind – die überwältigenden Bilder bleiben mir unauslöschlich vor Augen (siehe Anhang).
Wenn ich nach solchen Erkenntnissen miterleben musste, wie in der Nähe meines Wohnorts die Bevölkerung nach Kahlschlägen zu „Waldputzeten“ eingeladen und das Astmaterial in Dutzenden von rauchenden Feuern in Abgase und Asche umgewandelt wurde oder wenn ich im naturfernen ETH-Lehrwald Exotenansammlungen antraf, blieb mir nur noch das Schreiben von Satiren, die in Forstkreisen nicht eben zu meiner Beliebtheit beitrugen. Bei Aktionen wie den Waldputzeten wurden verheerende Signale gesetzt: Die Leute meinten, die Wälder müssten geputzt (im Sinne frei von herumliegenden Ästen) sein, und selbst das Herbstlaub wurde als Element der Verschmutzung empfunden. (Die Befreiung der Wälder vor Zivilisationsunrat ist ein anderes Kapitel.)
Wie sagt mans dem Volk?
Ein jahrelanger Informations- und Aufklärungsprozess war nötig, um viele Gehirne vom Fehlinformationsschrott zu befreien, eines Besseren zu belehren. Von Grund auf falsche Ausbildungen, falsche Zielsetzungen und eine irregeleitete öffentliche Meinung waren der Mainstream, neben dem als kleiner, aber schlagkräftiger Seitenarm einige Fachexperten wirkten und es wohl noch immer tun. Ich bin überzeugt, dass diese geduldige Aufklärungsarbeit, die von Alfred Huber mit besonderer Gründlichkeit geleistet worden ist, einen Prozess der Umorientierung eingeleitet hat. Wälder können nicht von einem Tag auf den andern umgestaltet werden. Der Weg zum Dauerwald ist nun einmal ein Ablauf von langer Dauer.
Alfred Huber, der laut Todesanzeige noch wenige Tage vor seinem plötzlichen Hinschied auf dem Randen (einem Jura-Ausläufer im Kanton Schaffhausen) war, hat Impulse hinterlassen und sicher auch Wirkung entfaltet. Das tröstet mich über den schmerzenden Hinschied meines Freundes und langjährigen Beraters hinweg.
Anhang
Bericht über den Märchenwald der Fürsten von Fürstenberg
Autor: Walter Hess (1991)
Die Einladung des naturverbundenen Forstmannes Alfred Huber aus Schaffhausen zu einem Besuch des fürstlichen Fürstenbergwalds fiel bei mir auf fruchtbaren Boden. Vielleicht sehnen wir uns alle mehr oder weniger nach einer Märchenwelt, nach Verlorenem, nach Geheimnisvollem, nach Erfahrung, vielleicht auch nach Magie und Mystik. Damit hat auch die Esoterik-Welle zu tun, von der unsere kalt und berechnend gewordene Zeit heimgesucht wird.
Kalt und von berechnendem wirtschaftlichem Denken durchdrungen sind auch unsere monotonen, gekünstelten Industrie-Stangenwälder, in denen die immer gleichen Bäume wie die immer gleichen Kreuze in einem immer gleichen Soldatenfriedhof in endlosen Reihen stehen und eng gedrängt die immer gleiche Trostlosigkeit verbreiten, Bäume, die vorzeitig eines gewaltsamen, unnatürlichen Todes sterben müssen. Sie werden gesamthaft umgehauen, sobald sie die zu ihrer Massenverarbeitung passenden Dimensionen erreicht haben. Bei der durchrationalisierten, modernen Fällungs- und Verarbeitungstechnik der „zivilisierten“ Forstwirtschaft, die jener in Massenschlachthäusern um nichts nachsteht, will man nicht warten, bis sie älter und grösser geworden sind, bis sich ihre Nutzungspalette verbreitert hat und sie dann auch eine anspruchsvollere ökologische Funktion erfüllen könnten. Damit sei nichts gegen die Holznutzung als solche gesagt, sondern nur gegen die naturfremde Plantagenwirtschaft, hervorgegangen aus schematischen Bewirtschaftungsplänen, aus schematisiertem Denken.
Wie im Märchen
Das Gegenstück zu einem Industriewald nach des Försters Gnaden und des Eigentümers Willen ist der Märchenwald von damals. Er ist der Ort des Undurchdringlichen, Unheimlichen, Düsteren, des Wunders, des Bösen und des Guten, der Orientierungslosigkeit, der bedrohlichen Urkräfte: „Von diesem Walde ging die Rede, dass es darin nicht geheuer sei; manchen Wandrer hatte es schon irregeführt, und mancher war nie daraus zurückgekehrt, weil ihn entweder böse Gnomen erdrosselt oder wilde Tiere zerrissen hatten“ (Johann August Musäus: «Volksmärchen der Deutschen», «Die drei Schwestern»). Die Märchenerzähler brauchten das, was sie unter „Wald“ verstanden, nicht exakter zu beschreiben. Sie beschränkten sich auf Anspielungen, auf seine Grösse (und damit auf die Unheimlichkeit): „Tief im Böhmer Walde, wovon jetzt nur ein Schatten übrig ist, wohnte vor Zeiten, da er sich noch weit und breit ins Land erstreckte, ein geistiges Völklein, lichtscheu und luftig...“. Oder in ähnlichem Sinne im gleichen Werk: „Es fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen grossen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor und ermordeten, wen sie fanden» (Gebrüder Grimm: „Die Alte im Wald“).
So hat die Phantasie des Zuhörers oder Lesers ihren Spielraum. Jedenfalls ist der Wald mit seinen Verstecken meistens als unheimlich, von Gefahren durchsetzt empfunden worden. Doch darin findet sich auch Rettung. „Die Alte sprach: Soll euch geholfen werden, so muss einer von euch in den Wald gehen; da wird er an eine eingestürzte Felswand kommen, die aussieht wie ein Häuschen, in das muss er eintreten, dann wird er Hilfe finden.“ Ein süsser Lichtblick ist im Märchen „Hänsel und Gretel“ ebenfalls vorhanden: „Die Frau führte die Kinder noch tiefer in den Wald, wo sie ihr Lebtag noch nicht gewesen waren.“ Dort fanden sie das aus Brot und Kuchen gebaute Häuschen. Auch die dramatischen Szenen im „Rotkäppchen“ spielen „draussen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf“, was eigentlich „schützendes Dorf“ bedeutet; denn vor allem in der Waldeinsamkeit kann Schlimmes passieren, wie etwa bei „Rübezahl“, der Wanderer foppte, in die Irre führte und Unwetter schickte.
Das Waldrelikt
Auf solchen Sequenzen wurzeln unsere zwiespältigen Vorstellungen von einem Märchenwald. Und viele Elemente davon treffen auf den „Unterhölzerwald“, östlich von Donaueschingen am Fusse des Vulkankegels Wartenberg gelegen, durchaus zu. Seine vielen uralten, knorrigen Eichen und Buchen sprechen Bände, erzählen ein Jahrhunderte altes Kapitel Naturgeschichte bei einem rauen Klima (mittlere Jahrestemperatur: 6,3 Grad C). Sie berühren uns tief durch ihre Wucht, ihre Durchhaltekraft, wirken aber eher schützend als bedrohend. Es sind Naturdenkmäler, an denen Wind und Wetter gemeisselt haben und den bösen und guten Geistern genügend Verstecke bieten. Abgesehen von einigen künstlichen, dunkeln Fichtenreinbeständen, die auch hier deplaziert sind und innerhalb des Naturschutzgebietes zurückgedrängt werden, bevor der Nadelrohhumus die Verjüngungschancen der einheimischen Eichen bedroht, wirkt der urtümliche Wald vielerorts locker, luftig, wegen seiner natürlichen Lichtungen fast parkähnlich, dann wieder undurchdringlich, abweisend. Feuchte Zonen wechseln mit trockenen, und bemoostes Totholz ist von vielfältigstem Leben erfüllt, die Grundlage für neues Wachsen. Naturkreisläufe offenbaren sich in unzähligen Variationen.
Bei diesem Wald-Kleinod handelt es sich um ein Relikt aus der Eichenmischwaldzeit früherer Jahrtausende (verbreitet zur Bronzezeit, etwa 1000 v. u. Z.), über dem die schützende Hand der Fürsten von Fürstenberg lag, die es seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts besitzen und pflegen. Vorher war das Gebiet grundherrlich und hoheitsrechtlich ein Zubehör der Herrschaften Wartenbergs gewesen. Im dort heimischen Eichenbuchenwald haben sich unter den heutigen Klimaverhältnissen auch Linden, Ahorne, Hainbuchen, Traubenkirschen, Espen, Holunder und vereinzelte Fichten, Kiefern und Weisstannen ohne menschliches Zutun angesiedelt. Hasel, Weiss- und Schwarzdorn, Salweiden, Wildobst und einige Eschen beleben das Bild durch immer wechselnde Kombinationen.
Die Nutzungen von damals
Der Wald ist allerdings nicht derart naturbelassen geblieben, dass man guten Gewissens von einem „Urwald“ sprechen könnte. Aber immerhin ist er ein hervorragendes Studienobjekt für „urwaldähnliche Entwicklungen“. Während Jahrhunderten trieben Leute aus den umliegenden Gemeinden ihr Vieh zur Waldweide hierhin, und es gab zahlreiche Streitereien über die Menge des Viehs, das in den Wald geschickt werden durfte. Im Verlauf der Napoleonischen Kriege wurde zum Schutz vor den plündernden Truppen das gesamte Vieh der Baar (Siedlung), etwa 6000 Tiere, in den Unterhölzerwald getrieben. Der Jungwuchs wurde zerstört, und grosse Flächen vergrasten.
Vor allem aber war dieser Wald seit je das wohl beliebteste Jagdgebiet der fürstlichen Herrschaften, und deshalb blieb er ausserhalb der forstlichen Nutzung. Der Wildbestand war zwar überhöht, aber dennoch vermochte sich eine genügende Naturverjüngung immer wieder durchzusetzen. Noch heute ist die jagdliche Nutzung aktuell; davon zeugt ein grosser, im Sommer eingezäunter Wildkohl-Acker, der im Spätherbst für das Wild geöffnet wird, was den Wildverbiss im Wald reduzieren soll.
Gewinnbringendes Nichtstun
Wie mir Alfred Huber auf unserer Exkursion in den „Unterhölzerwald“ berichtete, gibt es in Deutschland noch zahlreiche Nachkommen adeliger Familien, die von alters her über grösseren Privatwaldbesitz verfügen und nicht selten zum Grossteil von dessen Reinerlös leben müssen. Gerade unter ihnen findet man daher recht viele, die mit Erfolg das Wachsen und Gedeihen ihrer Wälder weitestgehend den gratis wirkenden Kräften und Vorgängen der Natur überlassen und behutsam lenkend ‒ unter minimalem Pflege- und Kostenaufwand ‒ eingreifen, wo eine angestrebte Qualitätsverbesserung dies wünschbar macht.
Tatsächlich: Der Wald verursacht erst dann grosse Kosten und Defizite, wenn eifriges Forstpersonal aller Grade darin intensiv Arbeit verrichtet, auf natürliche Abläufe Einfluss nimmt und durch zahllose umfangreiche statistische Aufnahmen, Untersuchungen, Studien, administrativen Grossaufwand, Planungen aller Art, schematische Aushiebe und andere Eingriffe, ausgedehnte künstliche Anpflanzungen und dergleichen andere naturferne Tätigkeiten mehr die Ausgabenseite hinauftreibt. Der überrissene Waldstrassenbau gibt der Defizitwirtschaft noch den Rest; in Aarburg AG werden Waldstrassen sogar noch gemäht ...
Wo öffentliche wie auch private Waldbesitzer der Defizitwirtschaft, die leider durch öffentliche Subventionen aller Art gemildert wird, überdrüssig werden, drängt sich ein Naturwald, in dem die Natur das Wachstum bestimmt und besorgt, geradezu auf. Wenn Natur-Raritäten (z. B. der Sihlwald bei der Stadt Zürich) sich selber überlassen werden, ist das obendrein eine konkrete Sparmassnahme. Man täte durch solch ein Nichtstun nicht allein etwas für die Pflanzensoziologen, sondern insbesondere auch etwas fürs Gemüt von jenen Menschen, die das Märchen-Zeitalter hinter sich gelassen haben, nicht aber den Traum von einer ‒ wenigstens einigermassen ‒ heilen Welt mit ihren unverdorbenen Waldeslüsten.
Quellen
Kwasnitschka, K.: „Das Naturschutzgebiet Unterhölzerwald“, Mitteilungen des Badischen Landesvereins. Naturkunde und Naturschutz, 1965.
Bader, K.S.: Waldbote, 1966.
Kemner, G.: Waldbote, 1981.
Reinhold, F.: „Der Unterhölzer Wald“,1950.
Fürstlich Fürstenbergische Forstdirektion Donaueschingen: „Das Naturschutzgebiet ,Unterhölzerwald’: Forstgeschichtliches Zeugnis bis heute“ (undatiertes Manuskript).
Wanderkarte 1:50000 „Triberg Donaueschingen“.
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