Textatelier
BLOG vom: 03.04.2008

Grenzsteine: Ein Fuss in Deutschland, einer in der Schweiz

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 27.03.2008 unternahm ich mit 3 Wanderfreunden eine Grenzgängerei, die uns von Lörrach, am Schädelberg (419 m. ü. M.) vorbei zum Neubaugebiet Salzert, zur Eisernen Hand sowie zum Maienbühl (477 m ü. M.) und von dort zum Maienbühlerhof und oberhalb von Riehen BS (www.riehen.ch) wieder zurück nach Lörrach führte. Für diese sehr interessante Wanderung entlang vieler Grenzsteine benötigten wir 2 Stunden 10 Minuten. Die Wege sind sehr gut ausgeschildert. Hierzu noch eine Besonderheit: Auf den weissen deutschen Schildern wird immer die Entfernung in km angegeben, während auf den gelben Schildern der Schweiz Gehzeiten in Stunden und Minuten stehen.
 
Die Eiserne Hand ist übrigens ein historischer Ausdruck bzw. Flurname. Genauso wird das auf schweizerischem Hoheitsgebiet gelegene Landstück bei Riehen, welches fingerförmig in die BRD hineinragt, bezeichnet.
 
Der 1. Vorsitzende des Geschichtsvereins Markgräflerland e.V., Dr. Erhard Richter aus Grenzach-Wyhlen, teilte mir zur Bezeichnung „Eiserne Hand“ Folgendes mit: „Nach Heitz hängt der Name mit dem alten Herrschaftszeichen, dem Handschuh des Landesherrn, zusammen. Dieser wurde als Herrschaftszeichen aufgesteckt oder als Wegzeichen verwendet. Ob eine solche Eiserne Hand beim ,Maienbühl’ vom Basler Bischof oder vom Markgrafen aufgestellt wurde, ist nicht mehr zu klären. Da aber der dortige ‚Herrenwald’ einst den Bischöfen von Basel gehörte, könnte das betreffende Herrschafts- oder Wegzeichen von diesen errichtet worden sein. Auch Keinath denkt bei Namen wie ,Hand’oder ,Eiserne Hand’ an Gerichtsgrenzzeichen oder Wegweiser.“
 
Einheimische erzählen immer wieder die folgende Geschichte: Vor Hunderten von Jahren hatte ein Waldarbeiter in diesem Gebiet einen Unfall. Er quetschte sich die Hand beim Holzmachen so sehr, dass sie abgenommen und durch eine eiserne ersetzt werden musste. Der Begriff „Eiserne Hand“ bezeichnet somit auch die Handprothese des Ritters Götz von Berlichingen.
 
Die ganze Gegend ist ein sehr schönes Wandergebiet. Man kann auch von der Jugendherberge Lörrach über die Eiserne Hand auf dem „Handweg“ nach Inzlingen marschieren (5,5 km). Oder man fährt mit dem Auto nach Inzlingen, parkiert am Wasserschloss und wandert nach St. Chrischona und von dort aus nach Bettingen zum Grenzacher Hornfelsen. Von dort aus führt der Weg über den Wenkenpark und Riehen wieder zurück nach Inzlingen. Der Rundweg beträgt 13 km. Abkürzungen sind möglich. Müde Wanderer könnten in der Nähe des Deutschland/Schweiz-Zolls in Lörrach mit dem Bus der Linie 3 nach Inzlingen wieder zurück fahren.
 
Vor einigen Wochen hatten wir schon einmal in dieser Gegend gewandert, jedoch von Inzlingen zu St. Chrischona und von dort über den Rührberg wieder nach Inzlingen zurück (2,5 Stunden); und früher bewältigten wir auch die Strecke vom Hornfelsen bei Grenzach‒Wyhlen über Bettingen nach Riehen. Auf diesen Wanderwegen stehen zahlreiche Grenzsteine (Nr. 100 bis Nr. 151).
 
Renate Reimann, Schriftführerin des Geschichtsvereins Markgräflerland e.V., schrieb vor Jahren eine sehr interessante Arbeit über alte und neue Grenzsteine zwischen Grenzach-Wyhlen und Bettingen/Riehen. Wie sie betonte, wurden im 19. Jahrhundert zahlreiche verwitterte Grenzsteine durch neue ersetzt. Am 11. August 2002 wurden die Grenzsteine Nr. 123 und 124 von 1840 bzw. 1848 entfernt. An diesen Stellen stehen jetzt Steine aus rotem Sandstein mit schöner Maserung. Die Grenzsteine wurden von der Bildhauerin Owsky Kobalt geschaffen.
 
Schwer kontrollierbare Naturlandschaft
Aber konzentrieren wir uns auf die Grenzgängerei: Auf unserer Strecke sahen wir unzählige Grenzsteine und etliche Kontrollpfade der Zöllner und Grenzwacht. Diese Einrichtung war wohl nötig, da es zwischen Lörrach und Basel schwer kontrollierbare Naturlandschaften mit Wiesen, Äckern und Wäldern gibt. 1848 flohen hier die Aufständischen (Badische Revolution) in die Schweiz. Auch im Zweiten Weltkrieg war dieser Bereich eine beliebte Fluchtzone. Das NS-Regime liess daraufhin 1942 einen 12 km langen, 3 Meter hohen und 8 Meter tiefen Stacheldrahtverhau errichten. „Er hatte oben am Waldrand in der Nähe des schweizerischen Maienbühlhofes eine Lücke, weil sich die Schweiz bis Kriegsende erfolgreich gegen das Ansinnen des NS-Regimes wendete, den Verhau rund 100 m durch Schweizer Gebiet ziehen zu können. Damit wäre ein schmaler Schweizer Zipfel im Wald, die so genannte Eiserne Hand, abgetrennt worden“, dies wird im Internet unter www.strasse-der-demokratie.de/loerrach/loerrach.php berichtet. Die Nationalsozialisten nahmen dann Abstand von dieser Idee. Dafür patrouillierten Zöllner mit Wachhunden entlang der Grenze (Am Schluss des Blogs finden Sie Hinweise zu einer Führung in diesem Gebiet).
 
Übrigens ist der alte Zöllnerpfad noch weitgehend erhalten. In den 1970er-Jahren wurden dieser Pfad und die Umgebung wieder ins Rampenlicht gerückt. Hier suchte man nämlich den Lörracher RAF-Terroristen Christian Klar.
 
Auffälliger Grenzverlauf
Schon seit Jahrhunderten zeigt die Grenze zwischen der Schweiz und von Baden im Raum Eiserne Hand und Maienbühl einen auffälligen Verlauf. Dieser Bereich hat, wie schon eingangs erwähnt, die Form eines kleinen Fingers. Damit auch der noch Gutsehende den Grenzverlauf sicher erkennen kann, wurden viele Grenzsteine aufgestellt.
 
An der Wegkreuzung Eiserne Hand stehen 4 Grenzsteine (einer in der Mitte, flankiert von 3 weiteren Steinen). Auf einem Grenzstein entdeckte ich die Jahreszahl 1717. Auf diesem markanten Punkt stossen die Gemeinden Stetten (seit 1908 zu Lörrach gehörend), Inzlingen und Riehen zusammen. An den Flanken der Grenzsteine sind die Wappen noch deutlich zu sehen. Auf den Steinköpfen zeigen Grenzrichtungskerben und häufig Vermessungsmarken den Grenzverlauf dieser Gemeinden an. Es sind auch Nummern mit kleinen Buchstaben als Zwischensetzungen zur genauen Markierung des Grenzverlaufes sichtbar. Die Steinnummerierungen beginnen mit Nr. 0 am Rheinbord Kleinhüningen und enden mit Nr. 151 am Rheinbord Grenzacher Hörnli.
 
Unterhalb des Mühlehofs steht eine Infotafel mit einer Zeichnung des Grenzverlaufs. Aufgeführt sind auch die Wappen, die sich an der Vorder- und Rückseite des Steins befinden. So gibt es Wappen von Baden, den Herren von Schönau, den Herren Reich von Reichenstein, vom Fürstbistum Basel und die von Basel (Baselstab in verschiedenen Abwandlungen auch ohne Schild). Die Abkürzungen bei neueren Steinen bedeuten:
LG = Landesgrenze, CH = Schweiz, B = Baden, RB = Republik Baden, GB = Grossherzogtum Baden und D = Deutschland.
 
Renate Reimann brachte in einer Publikation interessante Fakten zum Baselstab. Sie schrieb in der Zeitschrift „Das Markgräflerland“ (Band1, 2003) dies: „Er wurde (der Baselstab) 1386 als Wappenbild der Stadt Basel eingeführt und entstammt dem Bischofsstab. Nach dem Zerfall der bischöflichen Macht im 14. Jh. nahm die Stadt Basel den Bischöfen immer mehr Rechte ab und setzte den Baselstab in ihr Wappen.“
 
Zurück zur Wanderung am 27.03.2008: Kurioserweise standen die Grenzsteine manchmal mitten auf unserem Wanderweg. Es war für uns ein besonderes Vergnügen, mit dem einen Fuss in der Schweiz und mit dem anderen in Deutschland zu stehen oder zu wandern.
 
Auf Tafeln überall im Grenzgebiet steht zu lesen, dass man nur bei Tage und nur mit gültigen Grenzübertrittspapieren die Grenze überschreiten und auch keine Waren mitführen darf. Aber oft war es so, dass Wanderfreunde ihre Personalausweise nicht dabei hatten. Ich führe meinen Ausweis immer im Geldbeutel mit. Kontrolliert wurden wir noch nie.
 
Hinweis zu einer Gästeführung (www.verkehrsvereinriehen.ch).
Unter „Gästeführung“„Riehen à point“ sind Infos zu dieser und anderen Veranstaltungen zu bekommen.
 
Hier die Infos: Samstag, 17. Mai 2008, 14 Uhr.
Thema: „Fast täglich kamen Flüchtlinge – Riehen im Zweiten Weltkrieg.“ Die Führung erfolgt mit Lukrezia Seiler.
 
Die Nähe zur Grenze hat Riehens Geschichte geprägt. Das zeigte sich vor allem im Zweiten Weltkrieg, als trotz Stacheldraht und Sperrzone immer wieder verfolgte Menschen versuchten, diese Grenze zu überwinden. Auf dem Rundgang im Maienbühl und um die Eiserne Hand werden viele Schicksale wachgerufen. Dokumente, Erinnerungen von Zeitzeugen und die realen Orte des Geschehens lassen eine Zeit lebendig werden, die vergangen, aber nicht vergessen ist.
 
Treffpunkt: Busstation „Rotengraben“, Endstation der Buslinie 32, Riehen bei Basel.
Zeit: 14.00 bis ca. 16.00 Uhr. Gute Schuhe erforderlich, Grenzausweis nicht vergessen.
 
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