Textatelier
BLOG vom: 16.05.2008

Spargeln mit Köpfchen: „Liebliche Speise für Leckermäuler“

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Es kann nur der kochen, dem die Kunst gelingt, Spargel ohne jede Zutat in wonnigster Vollendung aufzutischen.“
(Lucullus, 117‒57 v. u. Z., römischer Feldherr)
 
„Wenn Du Kartoffeln oder Spargel isst, schmeckst Du den Sand der Felder und den Wurzelsegen, des Himmels Hitze und den kühlen Regen, kühles Wasser und den warmen Mist.“
(Carl Zuckmayer)
 
„Spargel behandelt man wie eine Frau: Vorsichtig am Kopf anfassen und feinfühlig nach unten streicheln.“
(Karl-Heinz Funke)
 
„Es hat mich nie gestört, dass man mich manchmal mit einem Spargel verglichen hat, denn am Spargel ist der Kopf das Wichtigste.“
(Charles de Gaulle)
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Nicht nur heute, sondern schon in früheren Epochen galt der Spargel (Asparagus officinalis L.) als eine besondere Delikatesse. Plinius bezeichnete ihn als eine „Schmeichelei des Gaumens“, er sei „die zuträglichste Speise für den Magen“. Auch Johann Wolfgang von Goethe war von diesem Gemüse angetan. Er nannte ihn „König der Gemüse“. Hieronymus Bock nannte ihn die „liebliche Speise für Leckermäuler“. Bismarck empfahl den Spargel „mit Andacht“ zu essen, und Charles Dickens schrieb von einem „Förderer edler Gedanken“. Im 16. Jahrhundert hatte der Spargel im Volksmund auch dies zu bieten: „Spargel in der Speiss genossen, bringt lustige Begierde den Männern.“
 
Luxusartikel bei den Römern
Der Spargel ist ein Liliengewächs und galt als Luxusartikel bei den alten Römern. Spargel war zeitweise so teuer, dass sich nur noch die wohlhabendsten Bürger diesen Gaumenschmeichler leisten konnten. Kaiser Diokletian war diese Preistreiberei ein Dorn im Auge. 304 u. Z. setzte er den Preis für Spargel per Dekret fest.
 
Die Römer waren es auch, die den Spargel nach Gallien und Germanien brachten. Unsere Vorfahren, die in den Augen der kultivierten Römer als „Barbaren“ galten, wussten lange Zeit nichts mit der Pflanze anzufangen. Sie liessen das Gemüse ins Kraut schiessen. Das köstliche Gemüse der Römer geriet als Nahrungsmittel in Vergessenheit. Erst 1565 liess der württembergische Herzog Christoph Spargel anbauen. Er wurde quasi zum Urvater des deutschen Spargelanbaus. Feinschmecker sollten ihm ewig zu Dank verpflichtet sein! Um 1750 begann die „Massenproduktion“ von Spargel.
 
Spargel in Liebestränken
Bevor Spargel als Nahrungsmittel wiederentdeckt wurde, galt er als Heilpflanze. Er wurde in Kloster- und Apothekengärten gehegt und gepflegt. Um 900 wurde zum Beispiel im Benediktinerkloster St. Gallen Spargel für die Apotheken gezogen. Lange Zeit durften nur Apotheken Spargeln verkaufen. Der „Apothekenspargel“ wurde zur Durchführung von Spargelkuren („Reinigungskur“ für Dickleibige) gebraucht.
 
Adamus Lonicerus (1528‒1586) empfahl den in Wein gesottenen und mit Essig und Butter zubereiteten Spargel als harntreibendes Mittel. Die „liebliche Speise für Müssiggänger“ verordnete er bei Leberkrankheiten, Gelbsucht, Nieren- und Blasenleiden. In der Volksmedizin galt Spargel als ein gutes Mittel bei Steinleiden, Harnverhaltung, Herzklopfen, Rheumatismus, Impotenz, Milz- und Leberleiden. Spargel war lange Zeit ein Allheilmittel.
 
Jakobus Theodorus Tabernaemontanus, Leibarzt von Johann Casimir und Schüler Bocks, weist in seinem Kräuterbuch auf die aphrodisierende Wirkung von Spargel hin. Spargelsaft war ein Bestandteil vieler Liebestränke. Meist gab die Frau ihrem Angebetenen heimlich 3 Tropfen eines solchen Trankes ins Essen. Das Mittel sollte die Liebe entfachen oder erhalten.
 
Bis zu 95 % Wasser
Es ist kaum zu glauben, dass der Spargel zwischen 93 und 95 % Wasser enthält und trotzdem so gut schmeckt. Der Rest besteht aus Rohfasern, Asparagin, Tyrosin, Zitronen-, Apfelsäure, Mineralstoffe, Vitamine, Aminsäuren, Kohlenhydrate und Fette. Bemerkenswert ist der hohe Kaliumgehalt (200 mg/100 g) und der niedrige Natriumgehalt (4 mg/100 g). Das Asparagin entpuppte sich als der Stoff, der die Nieren anregt. Die Folge ist eine verstärkte Harnausscheidung.
 
Spargelesser bemerken einige Zeit nach der Verspeisung einen merkwürdigen Geruch des Urins. Verantwortlich für diesen Geruch sind wohl Abbauprodukte der Asparaginsäure. Es soll aber auch Menschen geben, die diesen Geruch nicht wahrnehmen.
 
Vorzügliche Diätkost
Spargel dient als unterstützendes Mittel bei Wassersucht, Blasen- und Nierenleiden, Harnverhaltung, Blasenentzündung. Da Spargel kaum Fett und kein Cholesterin enthält, ist er besonders Kranken mit erhöhten Blutfettwerten zu empfehlen. Wegen seiner entwässernden Wirkung profitiert besonders der Bluthochdruckkranke vom Spargelgenuss. Diabetiker und Übergewichtige können den Spargel unbedenklich essen. Spargel hat nur 18 Kilokalorien (76 Kilojoules). Spargel fördert auch den Appetit und hat eine leicht abführende Wirkung.
Achtung! Spargel enthält 25 mg Purine je 100 g. Diese werden im Körper zu Harnsäure abgebaut. Gichtkranke müssen also vorsichtig sein.
 
Bleichspargel oder grüner Spargel?
Den Bleichspargel kennt man in Europa erst seit dem 18. Jahrhundert. Der Anbau und die Ernte sind arbeitsintensiv. Ich kann da aus eigener Erfahrung sprechen. In jüngeren Jahren half ich des Öfteren beim Spargelstechen auf den Spargelfeldern meiner Schwiegereltern in der Nähe von Schwetzingen aus. Da musste man schon am frühen Morgen und am Nachmittag (bei warmer Witterung sogar noch dazwischen) auf die Felder gehen und die Spargeln stechen. Man wollte ja vermeiden, dass sich die Köpfe verfärben. Spargeln mit verfärbten Köpfen wurden nämlich schlechter honoriert. Das Spargelstechen ist eine Knochenarbeit. Mein Rücken schmerzte jeweils ganz gehörig vom vielen Bücken, weil ich diese Arbeit nicht gewohnt war.
 
Die Nachfrage nach grünem Spargel steigt jetzt auch bei uns in Deutschland. Der Anteil der Grünen liegt bei uns unter 10 %. In der Schweiz soll der Anteil von Grünspargel bereits ein Drittel betragen. 6 Euro kostet der Grüne bei der Familie Schmid aus Bad Krozingen. Die Familie baut derzeit eine spezielle Grünspargelsorte an, die die typischen hellen Schuppen aufweist.
 
Feinschmecker bevorzugen den Grünspargel wegen des kräftigeren Geschmacks. Ausserdem braucht man ihn nicht zu schälen (vielleicht nur an den Enden), und er enthält mehr Nährstoffe als der Bleichspargel.
 
„Deutsche auf die Äcker!“
Im Markgräflerland wurden die Spargeln in der Vergangenheit von polnischen Saisonarbeitern gestochen. Die bekamen regelrechte „Hungerlöhne“ (5,35 Euro). Jetzt wurde von der „Industriegesellschaft Bauen-Agrar-Umwelt“ (IG Bau) eine Initiative gestartet, die für faire Saisonarbeit steht. Sie verleiht dann das Qualitätssiegel „Faire Saisonarbeit“.
 
„Die Bauern sollen endlich einsehen, dass sie Löhne zahlen müssen, die zum Leben reichen“, so die IG Bau-Sprecherin Sigrun Heil. Es wird ein Stundenlohn von 7 Euro gefordert. Michael Nödl, Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Südbaden, lehnt dies als unrealistisch ab. Die Preise für Spargeln würden sich dann erheblich erhöhen. Landwirte sind der Meinung, ein solches Siegel würde nur nützen, wenn es europaweit gilt. Die Löhne in etlichen europäischen Ländern sind meist noch niedriger als die in Deutschland. So zahlt zum Beispiel ein griechischer Spargelanbauer seinen Erntehelfern 3 Euro pro Stunde.
 
Viele Polen arbeiten jetzt woanders zu höheren Stundenlöhnen. Die fehlenden polnischen Erntehelfer sollen durch russische, ukrainische, bulgarische und rumänische Saisonarbeiter ersetzt werden. Laut Eckpunktregelung dürfen Betriebe 80 % (in Ausnahmefällen bis 90 %) ausländische Erntehelfer beschäftigen. Ob auch Arbeiter aus aussereuropäischen Ländern zu uns kommen dürfen, ist noch nicht von der Politik entschieden. Da jetzt in etlichen Orten zu wenig Arbeiter vorhanden sind, rechnen die Spargelanbauer mit Verlusten. In einer ZDF-Sendung vom 12.05.2008 sah man Felder, wo die Spargeln nicht gestochen wurden und diese schon ausgetrieben waren.
 
Der Appell „Deutsche auf die Äcker“ war ein Schuss in den Ofen, wie man so sagt. 1. finden immer mehr arbeitslose Deutsche andere, besser bezahlte Arbeiten, und 2. wollten Arbeitslose diese schwere Arbeit nicht verrichten.
 
Wie sieht die Zukunft aus? Vielleicht werden die Spargeln zukünftig von Maschinen geerntet. Diese sind bis heute noch nicht ausgereift.
 
Einige Spargelanbauer haben schon das Handtuch geworfen. Sie bauen jetzt wieder Mais und Weizen an, weil sie damit mehr verdienen. „Und dafür braucht man keine Saisonarbeiter“, wie Hans Christoph Wagner in der Zeitung „Der Sonntag“ bemerkte. Da braucht sich in Zukunft keiner mehr wundern, wenn dann die Spargeln zu einem Luxusgut werden. Ich finde aber auch, dass die Erntehelfer einen gerechten Lohn für die Knochenarbeit bekommen sollten.
 
Einkauftipps
Beim Spargelkauf muss man einige Dinge beachten:
O Nur frische Spargeln kaufen. Die Frische erkennt man an der Schnittfläche, die nicht holzig sein darf. Die Schnittfläche muss hell und saftig-knackig sein. Beim Anritzen mit dem Daumennagel muss der Saft austreten. Aber Vorsicht: Manche raffinierte Verkäufer schneiden das Ende kurz vor dem Verkauf an. Die Spargelspitzen müssen geschlossen sein.
O Es gibt verschiedene Qualitätsklassen. Die teuersten sind diejenigen, die besonders dick sind. Aber auch die Dünnen, Köpfe oder Spargelbruch (für Suppen) sind geschmackvoll.
O Die Färbung hat nichts mit der Qualität zu tun. Weisse oder leicht gelbe Spargel wurden kurz nachdem die Köpfe den Erdwall durchbrochen haben, gestochen. Wird der Spargel später gestochen, dann haben sich die Köpfe schon violett verfärbt. Grüne Spargeln wachsen ganz über der Erde.
O Spargeln sollte man nach dem Kauf bald verwenden. Man kann die Spargeln auch in ein feuchtes Tuch einwickeln und 2 Tage im Kühlschrank aufbewahren. Spargeln lassen sich auch tiefkühlen.
 
Spargelschälen als Wettkampf
Am Samstag, 07.05.2008, richtete der rührige Wirteverein Schopfheim wieder einen Spargelschälwettbewerb auf dem Marktplatz aus. Der Sieger, so wurde angekündigt, erhält den „Goldenen Spargelschäler“, der ein Wanderpokal ist.
 
Ich sah mir dieses Spektakel einmal an. Auf einem Podium befanden sich auf einem Tisch 20 Spargeln der Klasse 1. Jeder Teilnehmer musste dieses Quantum ungeschälte Spargeln so schnell und genau wie möglich von ihrer äusseren Haut befreien. Alfred Schmidt und Otto Grölle vom Kochklub Lörrach nahmen die Geschälten genau unter die Lupe. Pro nicht geschälten Spargel werden 10 Sekunden Strafe und für jeden schlecht geschälten Spargel (mindestens 50 % geschält) wurden 5 Sekunden zur Gesamtzeit dazugerechnet. Hans Glöggler vom Restaurant „Glöggler“ fungierte als Moderator. Dieser stachelte in humorvoller Weise den Ehrgeiz der Köche aus dem Markgräflerland mit diesen provozierenden Worten an: „Die kommen hierher zum Spargelschälen, und wir dachten immer, die kennen den Spargel nur aus Dosen.“ Dies war eine treffende Retourkutsche, wie mir Alfred Schmidt erzählte. In der Vergangenheit hatten die Markgräfler, die ja jede Menge Spargel anbauen, nämlich behauptet, die Wiesentäler würden nichts vom Spargel verstehen. Und das Markgräflerland und Wiesental sind 2 Welten, die hier aufeinander treffen, das sei wie Europa und die USA.
 
Als ich zugegen war, schälte gerade Jörg Buchleitner die Spargeln in atemberaubender Geschwindigkeit. Die nachfolgenden Köche taten dies ebenso gut. Ich habe noch nie so schnelle Schäler des Edelgemüses gesehen. „Die müssen das ja können“, meinte ein Zuschauer, der dann noch hinzufügte, dass er sich immer wundert, wie schnell die Köche im Fernsehen mit Messer Gemüse und andere Dinge schneiden, ohne sich dabei zu verletzen. Aber das ist in der Tat nicht so, wie mir ein Koch versicherte. Man sieht die verletzten Köche nur sehr selten.
 
Die geschälten Spargeln wurden dann laufend verkauft. Für 660 g geschälten Spargel (das entspricht 1 kg ungeschälten) wurde 7 Euro verlangt. Ich erstand 1 kg geschälten Spargel für 10,50 Euro, der dann zu Mittag gleich zubereitet und mit Genuss verspeist wurde.
Sieger wurde übrigens bei den Profis Thomas Vogel. Der Küchenchef des Alt-Weiler Gasthauses „Krone“ brauchte für die 20 Spargelstangen nur 51,9 Sekunden. Eine fantastische Zeit. Jörg Buchleitner vom Schopfheimer Hotel „Adler“ benötigte nur 1/10 Sekunde länger. Bei den Prominenten siegte Heidi Malnati. Den 2. Platz erreichten gemeinsam Lothar Müller und Bernd Schlageter.
 
Hans Glöggler hatte dann für die Promi-Sieger auch aussergewöhliche Preise parat. So wurde eine Freifahrt auf der Rolltreppe eines noch zu bauenden Kaufhauses, eine Bootsrundfahrt auf dem Eichener See (dieser erscheint nur alle paar Jahre und verschwindet dann wieder) und ein „Konto bei einem örtlichen Kreditinstitut ihrer Wahl zur freien Verfügung“ in Aussicht gestellt.
 
Eine sehr nette Geste: Der Wirteverein überreichte Ruthard Hirschner als Vertreter der Stadt einen Spendenscheck in Höhe von 881 Euro, die an die städtischen Kindergärten gehen. Der Betrag war der Erlös eines Verkaufsstandes auf der Regio-Messe in Lörrach.
 
Hinweise
Im vergangenen Jahr siegte bei den Prominenten Bürgermeister Christoph Nitz. Alfred Schmidt erzählte mir darüber eine lustige Anekdote. Sie finden diese im Blog „Wirtegeschichten II: Knödelmus, Schnecke im Wurstsalat“ vom 27.04.2008. Diesmal war der Bürgermeister nicht zugegen. Dafür Ruthard Hirschner, der auch am Wettbewerb teilnahm und vorsorglich ein Pflaster einsteckte. Er betonte auch, dass er wenigstens wisse, dass die Spargelköpfe nicht mitgeschält werden sollen. Er konnte dem Bürgermeister nicht das Wasser reichen. Er wurde zusammen mit Andy Gsell, Angela Trefzger und Wolfgang Bühler nur 4. Aber das ist auch schon etwas. Er wird sich, wie alle anderen, über die herrlichen Preise gefreut haben.
 
Spargelrezepte und Infos über den Spargel: www.spargelseiten.de
 
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