Textatelier
BLOG vom: 22.08.2008

Mosen bis Beinwil am See: In bester Fischreiher-Gesellschaft

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Im Rahmen meiner etappenweisen Hallwilersee-Umrundung auf dem Seeuferweg schien mir die Absolvierung der Strecke Mosen LU‒Beinwil am See AG eher eine Pflichtübung zu sein. Spektakuläres war da nicht zu erwarten, und es stellte sich auch nicht ein. Dennoch hat mich dieser westliche Teil des oberen Seezipfels angesprochen.
 
Der Weg führt durch einen Wald mit Buchen, Eichen und gelegentlich einer Linde; Fichten sind nur ganz vereinzelt vorhanden. Der Wanderweg von der Schiffsanlegestelle Mosen bis zu jener in Beinwil am See in etwa 45 Minuten zu bewältigen ist, führt wenig oberhalb des Seeufers wellenförmig durch den Wald und neben Feldern vorbei. Seine Wellenbewegungen sind deutlich intensiver als jene des Sees; das war jedenfalls am Tag meiner Exkursion so, dem Nachmittag des 18.08.2008. Die Strecke überwindet viele kleine Bäche, die von den Hängen des Ischlag und dem Rüteli/Beinwiler-Wald und dem Moser Wald heranfliessen (ich übernahm die Schreibweise der Landeskarte 1:25 000, Blatt 1110 „Hitzkirch“). Ausrangierte Eichenschwellen wurden als kleine Brücken gelegt. Ein Bach auf Moser Gebiet wurde in seinem Mündungsbereich schön renaturiert: Bögen statt die Gerade.
 
Zwischen den Bäumen öffnen sich immer wieder angenehme Ausblicke auf die blaue, grünliche bis graue Wasserfläche, je nach Lichteinfall. Die belaubten Äste der Bäume ergeben ein schönes Rankenwerk, eine Einrahmung für das Gemälde mit ein paar Schiffen belebte Wasser. Das östliche Seeufer mit Aesch LU ist gut einsehbar, weil der See hier nur etwa 500 m breit ist. Der Baumbestand ist im Luzerner Teil wesentlich lockerer als im Aargauer Seeanstoss, wo weniger geholzt worden und die Sicht beschränkter ist. Überall wurden alte Baumpersönlichkeiten am Leben gelassen, die durch ihre Würde den Wald prägen und ihm Vergangenheit und den Eindruck von Standhaftigkeit vermitteln. Bei der alten Frauenbadeanstalt, heute eine kleine abgewinkelte Wand mit Schrägdach zum Schutz vor neugierigen Blicken, haben sich 3 Stieleichen gruppiert; sie sind als besonderes Naturschutzobjekt gekennzeichnet. Auch ein Männerbad ist in der Nähe, ein Souvenir an die prüderen Zeiten der konsequenten Geschlechtertrennung mit dem Reiz des Verbotenen.
 
Bei den Schatten spendenden Bäumen hatten sich einige Einzelpersonen, Paare oder ganze Familien eingerichtet, um die Ruhe hier zu erleben und sich im Wasser zu erfrischen, insbesondere im Kantonsgrenzbereich, wo ein Waldsträsschen fast bis ans Ufer heranführt. Ein alter Grenzstein ist dort noch mit dem Berner Wappen versehen, wobei der Bär abwechslungshalber nach rechts oben marschiert (hangwärts), eine Erinnerung an die bernische Vergangenheit des Aargaus (vor 1803) – Beinwil am See ist ein Teil des Berner Aargaus, wie man heute noch sagt. Die in den Stein gemeisselte Jahrszahl ist nicht genau zu entziffern – es könnte „1690“ heissen.
 
Der wesentliche Erholungsbetrieb konzentriert sich auf Mosen am oberen Seeende. Dort befindet sich westlich der Aabach-Einmündung eine grosse private Campinganlage mit Schwimmbad und Hafen, die dem Wanderer immerhin gestattet, den See im unmittelbaren Uferbereich zu umrunden. Doch ein aufgestelltes, beschriftetes Surfbrett vermeldet, dass hier „kein Aufenthalt für Unbefugte“ gestattet sei, wobei das „k“ übermalt war, die Botschaft ins Gegenteil verkehrend. Die Schiffsanlegestelle Mosen, deren Ortstafel mit 2 Pünktchen in „Mösen“ umgewandelt wurde (offenbar ist da ein nicht zu bändiger Schriftenmaler im Einsatz), dient Badelustigen als Sprungbrett; ein Köpfler ins saubere Wasser ist ohne Zweifel ein gehobenes Sommervergnügen. Der Weg führt in seinem weiteren Verlauf an einer Badewiese mit Feuerstelle und 3 eingezäunten Strandliegenschaften vorbei, von denen die erste mit „Holiday“ beschriftet ist, wie durch das schwere Eisengitter hindurch zu lesen ist. Der Weg folgt dem verbuschten Ufersaum einerseits und Schilf- und Maisflächen anderseits. Ein Geruch nach Schweinejauche trübte meine Ferienstimmung vorübergehend etwas.
 
Nach knapp einer Stunde tauchten oben am Hang die ersten Häuser von Beinwil am See auf, dem man in der ortsüblichen Mundart Böiu oder Böju sagt. Die Aussprache ist delikat und wohl nur für Eingeborene makellos zu tätigen. Medard Sidler hat dieses Kunststück im Buch „Seetal Hallwilersee. Mosaik einer Landschaft“, 1976 im AT Verlag, Aarau, erschienen, minuziös dargestellt: Es gelte, dieses Böi(j)u „im liebenswürdigen Tonfall mit dem richtigen, halboffenen ö, mit dem zwischengeschobenen, dem kaum gesprochenen j nach dem i und am Schluss (mit) dem klingenden, aber dunkeln u“ auszusprechen. Elemente des Wynentaler Dialekts sind bis hier vorgedrungen. Mit der Kantons- hatte ich auch die Sprachgrenze Aargau/Luzern überwunden, was das geübte Ohr an den Variationen des Tonfalls und in der Artikulation erkennt.
 
Nach der Bluematt, am Eingang zum Beinwiler Unterdorf, kommt Schiffer-Atmosphäre auf – vielleicht ist es auch nur Schiffchen-Atmosphäre. Segelschiffe unter weissen, grauen oder blauen Blachen sonnen sich auf einer Wiese. Und seeseitig sind die Holzbauten der Bootswerft Ursus Merz, die offensichtlich zahlreiche Boote geworfen hat, und die Bootsfahrschule Maurer, damit es genügend Leute gibt, welche die Würfe in Bewegung versetzen. Hier, bei der Männich AG, können auch Ruderboote, Pedalos, Motorboote und ganze Segeljachten stunden- oder tageweise gemietet werden. 1 Stunde Ruderboot-Benützung ist für 20 CHF zu haben, ein Pedalo für 4 Personen für 25 CHF pro Stunde, eine Segeljacht für 150 bis 300 CHF pro Wochentag.
 
Ich investierte mein Geld stattdessen im Garten des Seehotels Hallwil in Beinwil am See in einen Schlör-Apfelwein, der mir die Wartezeit bis zur Ankunft des Kursschiffs „Hallwil“ (25 m lang, 5,9 m breit, Baujahr 1977, in der deutschen Lux-Werft in Mondorf produziert) verkürzte. Ich begab mich zur Schiffsanlegestelle, wo eine mollige Mutter mit Anmut und Kinderwagen aus Sempach wartete, die mir sagte, sie gehe lieber an den Hallwilersee als an den Sempachersee, da der Hallwilersee weniger verbaut sei und von ihr als schöner empfunden werde. Um 16.30 Uhr stachen wir in See, zu einer 15-Minuten-Fahrt auf der spiegelglatten Wasserfläche nach Mosen; das Schiff war also dreimal schneller als ich, eine stolze Leistung. Eine ebenfalls mütterliche Matrosin von einer liebenswürdigen, anheimelnden Rundlichkeit kam mit einem Billettkasten, der wie eine Ziehharmonika bei vollem Auszug aussah, auf mich zu und kassierte 3,50 CHF (Preis für Menschen mit Halbtaxabonnement) für die Strecke Beinwil am See‒Mosen.
 
Die bläulich-weissen Alpen waren wegen des aufkommenden Föhns in der Fahrtrichtung Süd deutlich sichtbar, und rechterhand zog das Ufer vorbei, das ich gerade abgewandert hatte: eine dicht grüne und sich dann auflockernde Wand aus Bäumen. In Mosen wurde ich vom Kapitän, der vom Drehstuhl in seiner Aussichtskanzel herabgestiegen war, und der Matrosin mit Dankesworten und guten Wünschen verabschiedet – ja, die Belegschaft der Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee hat beste Manieren. Der Kunde wird herzlich betreut.
 
In Mosen liess ich mich von einem Ab-Hof-Verkauf („Täglich frisch“) des Aabachhofs anlocken. Neben der Preistafel für Zwetschgen (4 CHF/kg) stand eine Inschrift: „Gestohlene Ware gibt Bauchweh.“ Da mir mein Wohlbefinden, auch das psychische, über alles geht, legte ich Wert darauf, alles (Zwiebeln, Salat) ordnungsgemäss zu bezahlen. Eine gross gewachsene Dame, die mit einem Geländewagen angefahren kam und sich ebenfalls mit Frischem eindeckte, hielt es ebenso. Zudem war Vater Isenschmid dort, dem das Einkassieren Spass machte.
 
Die nach der neuesten Safari-Mode gekleidete, adrette Kundin erblickte meine Kamera und sagte, zwischen Mosen und Altwis finde ich etwas zum Fotografieren – dort hätten sich etwa 20 Störche auf einer Wiese niedergelassen. Ich folgte der genauen Ortsbezeichnung, fuhr auf einem Landwirtschaftsweg nur mit dem Elektromotor gegen das längst trockengelegte ehemalige Ried und sah das Naturwunder auf der Wiese zwischen 2 Maisfeldern. Doch für Störche waren diese Vögel eine Schuhnummer zu klein – dafür waren es wohl ihrer 40. Das waren natürlich Graureiher (Ardea cinerea, auch Fischreiher genannt), wie auch an den langsamen Flügelschlägen beim Fliegen mit zurückgezogenem Kopf zu erkennen war. Ich gebe zu, dass diese Reiherart wie kleine Störche aussieht, und in dieser grossen Menge habe ich sie noch nie gesehen. Nochmals etwa je 20 Reiher fielen mir an anderen Orten beidseits von Aesch LU auf. Natürlich lieben sie die seichten Stellen des Hallwilersees.
 
Ich fuhr dann auf der Ostseite des Sees heimzu. Inzwischen musste das Graureiher-Verhalten auf mich abgefärbt haben: Diese Vögel lieben fangfrische Fische über alles. Und so begab ich mich in Meisterschwanden ins Seehotel Delphin hinunter – auch Delphine haben gern Fische und Krustentiere. Infolgedessen wählte ich ein Körbchen voll knuspriger Fischknusperli (22,50 CHF), die wirklich delikat waren. Nur an einem Egli hing ein etwas tranig-fischelnd riechendes Fett, was mich aber nicht störte; auch bei Lachsen findet man diesen Haut Goût manchmal.
 
Damit hatte ich dem Hallwilersee wieder einmal meine Ehre erwiesen – in Bezug auf sein Äusseres und das Innere. Alles zusammen hat mir gut geschmeckt. Und ich habe ein Verständnis für die Graureiher entwickelt, die sich dort offensichtlich wohlfühlen.
 
Hinweis auf weitere Hallwilersee-Blogs
05.02.2008: Mosen am Hallwilersee: Auslaufmodell mit schönem Auslauf
Hinweis auf weitere Blogs von Eisenkopf Werner
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