Textatelier
BLOG vom: 27.08.2008

Löschkalk gegen Feuerbrand: eine einfache, billige Lösung

Autor: Heiner Keller, Ökologe, Oberzeihen AG (ANL AG, Aarau)
 
Heinrich Gubler-Merz, ein Mann von mittlerer Statur, steht mitten in einer Schar von 50 interessierten Personen. Er wirkt etwas angespannt. Braungebrannt, mit kantigen Gesichtszügen, aufmerksam und hellwach schaut er in die Runde. Besonders die Pressevertreter finden sein Interesse: In den Kantonen Thurgau und St. Gallen haben öffentliche Kontroversen um die Bekämpfung des Feuerbrands Hochkonjunktur. Heinrich Gubler ist einer der Exponenten, der den obrigkeitlichen Anordnungen misstraut und sich mit eigenen Ideen in die öffentliche Diskussion bringt. So hat er am 22. August zu einer Besichtigung und praktischen Demonstration auf seinen Betrieb nach Hörhausen TG (www.skigubler.ch) eingeladen.
 
Hörhausen liegt weit im Thurgau, irgendwo nach Frauenfeld und vor Steckborn. Wenn man nach Winterthur von der Autobahn aus endlich wieder etwas unverbaute Landschaft sieht, fühlt man sich rasch freier als im Mittelland zwischen Zürich und Bern. Hügelige Landschaften, Gras- und Ackerland, kleine Wälder, weidende Kühe und ab und zu Hochstammobstbäume. Diese sind aber alles andere als allgegenwärtig. Stellenweise stehen alte Bäume auf einzelnen Parzellen, als ob sie sich zu Gruppen zusammendrängten. Von einem Zusammendrängen in Refugien kann natürlich keine Rede sein. Vielmehr bilden die heute noch stehenden Bäume auch in Mostindien die Überreste von einst viel ausgedehnteren Hostetten. Wohl produziert die Ostschweiz auch heute noch viele Äpfel und Birnen,  Tafelobst stammt aber ausschliesslich (Mostobst teilweise) aus Plantagen. Eingezäunt und mit Netzen überdeckt geben sie der Landschaft ein ganz anderes Gepräge als es die Hochstammobstbäume früher taten. Weil die Bäume selten werden, behauptet man heute, sie seien ökologisch wertvoll und wichtig für das Landschaftsbild.
 
Wirtschaftlich viel bedeutender aber sind die Anlagen, in den die normierten, ungefleckten, endlos lagerbaren Früchte mit den harten Schalen zu unglaublich günstigen Preisen produziert werden. Die Konsumenten wollen das so – sagen die Grossverteiler. Wobei sie beim billigen Preis erfahrungsgemäss Recht haben. Und der Rest ist Marketing: Äpfel sind einfach gesund, egal wie sie produziert und gelagert wurden. Bio ist noch gesünder und prangt in den Verkaufsgestellen mit gleicher Qualität, nur etwas teurer. Dabei weiss man zur Genüge: Diese optische Gleichheit ist ohne intensivste Behandlungen mit so genannten Pflanzenschutzmitteln nicht zu haben. Das genauere Wissen interessiert kaum jemanden. Die Meinungen sind weitgehend gemacht. Offene Diskussionen führen rasch zu verbalen Glaubenskriegen. Solche lässt man lieber bleiben und freut sich halt gemeinsam am schönen Wetter und den farbigen Früchten. Niemandem käme es in den Sinn, mit den Sprühwolken der Pflanzenschutzmittel Werbung zu machen. Die kommunikative Vernebelung geht sogar so weit, dass all die angewendeten Mittel selbstverständlich weder einen negativen Effekt auf die Landschaft, die Früchte oder gar die Menschen haben. Schliesslich sind die Produkte ja alle getestet, zugelassen und werden nur korrekt angewendet. Und sie wirken. Anders kann man für den Grosshandel gar nicht mehr produzieren und liefern.
 
Erwinia amylovora
Und nun funkt der Feuerbrand, ein kleines Bakterium mit dem wohlklingenden Namen Erwinia amylovora, ins labile wirtschaftliche System der Obstproduktion und den laufenden Umbruch in der Landschaft und der Landwirtschaft hinein. Letzterer beschreibt das Bauernsterben und wird Strukturwandel genannt. Unbesehen aller wirtschaftlichen Überlegungen und aller technischen und züchterischen Anstrengungen befällt das Bakterium Apfelbäume, Birnbäume, Quitten, Weissdorn und eine ganze Anzahl anderer Pflanzen. An Mensch und Tier verursacht es keine Krankheiten. Auch die völlige Ausrottung all seiner Wirtspflanzen liegt nicht in seinem Interesse. Für die Vermehrung braucht es hohe Temperaturen und zuckerhaltige Nährstoffe aus Pflanzen. Verbreitet wird das Bakterium durch den globalen Handel und den Transport von infizierten Pflanzen. Schon seit 200 Jahren ist es in Nordamerika bekannt. 1957 wurde es erstmals in Europa, in Südengland, festgestellt. 1989 erreichte es den Kanton Thurgau, 1993 Österreich, und seit 2007 kommt es in allen Ländern Europas vor. Die Ausbreitung erinnert stark an den Kartoffelkäfer oder den Asiatischen Marienkäfer (Blog vom 29.10.2006), die beide ihren Anfang auch in Amerika nahmen. Die Invasion der Schweiz war nur eine Frage der Zeit. Man sah das Bakterium förmlich kommen. Bienen, Vögel, Ameisen, andere Insekten und natürlich der Mensch selber transportieren das Bakterium ungewollt. Das Bakterium dringt über Blüten oder Pflanzenverletzungen ins Holz der Bäume ein und bringt Zweige, Äste und unter Umständen ganze Bäume zum Absterben. 

In der eidgenössischen Pflanzenschutzverordnung (PSV) vom 28. Februar 2001 ist der Feuerbrand als gefährliche und meldepflichtige Pflanzenkrankheit aufgelistet. Das Eindringen in die Schweiz und die weitere Ausbreitung konnte man nicht verhindern. Aber aufgrund der PSV konnte man beim ersten Auftreten eine ganze Palette von Aktionen loslassen und Kredite freimachen. Im Frühling 2007 hatte die Pflanzenkrankheit in Obstanlagen und bei Hochstammobstbäumen in der Deutschschweiz grosse Schäden verursacht. Mehr als 100 Hektaren Obstanlagen mit 250 000 Bäumen und rund 10 000 Hochstammbäume mussten gerodet werden. Das kostete Bund und Kantone rund 30 Millionen Franken. Der Kanton Thurgau allein hat bisher 13 Millionen Franken ausgegeben. Der Bundesrat wird in den nächsten 4 Jahren 500 000 Franken zusätzlich in die Obstbauforschung investieren, um Mittel gegen den Feuerbrand zu finden. 

Was befallen ist, musste bisher weg. Baum um Baum, ob gross oder klein. Und so fand die Landwirtschaft einen guten und rechtlich abgesicherten Grund, endlich mit den störenden und ungeliebten Hochstammobstbäumen aufzuräumen, beziehungsweise diese roden zu lassen. Mit einem angeblich wehmütigen Auge wurden Kredite bewilligt, Verfügungen erlassen und guten Mutes Bäume beseitigt und verbrannt. Das gibt Arbeit für viele, für Administration, Kontrollen und Bauern. Ein wirtschaftlicher Schaden bei Hochstammobstbäumen entstand kaum, rentieren diese doch nach marktwirtschaftlichen Kriterien nur noch in den allerwenigsten Fällen. Anders sieht es natürlich bei den kleinen Spalierbäumchen in den Plantagen aus: Jedes der Individuen hat die gleiche Genetik wie sein Nachbar. Es ist quasi ein eineiger Zwilling, Drilling, Vielfachling. Es hat kaum einen richtigen Stamm, wenig Widerstandskraft, ist jung und berührt die Nachbarn. Zudem ist der Produzent praktisch täglich in der Anlage: Mulchen, Herbiziden, Spritzen, Kontrollieren. Logisch, dass die Anfälligkeit und die Ansteckungsmöglichkeiten hier viel höher sind als bei gemischen Streuobstbeständen. Wenn ein Bäumchen Feuerbrand hat, dann kriegen es mit grosser Wahrscheinlichkeit auch die Nachbarn. Und der wirtschaftliche Schaden ist gross, Zaun, Hagel- und Schutznetze mussten bezahlt werden. Die hohen Investitionen lassen sich ohne hohe und regelmässige Erträge nicht bezahlen.
 
Heute hat der Feuerbrand die Ost- und Zentralschweiz praktisch flächendeckend erreicht. Keine der getätigten Massnahmen hat daran etwas geändert. Und die Ausbreitung wird weitergehen. Abhängig von der Witterung geht es in einem Jahr schneller, in einem andern Jahr langsamer. Aber das Bakterium ist da und lässt sich nicht mehr ausrotten. Also müssen wir mit ihm leben lernen – und das fällt schwer.
 
Die Menschheit geht immer noch den Weg der ungebremsten Entwicklung. Die Leistungen der Athleten an der Olympiade in Peking konnten gigantisch gesteigert werden. Mit wenigen Ausnahmen waren sie nach gängiger Praxis weder gedopt noch sonst irgendwie behandelt. Sie waren einfach besser, motivierter, lockerer als alle ihre Vorgänger. Und wie bei den Athleten die Entwicklung nicht stille stehen darf, können auch die Obstproduzenten nicht ihre Hände in den Schoss legen oder sich mit gleichviel oder gar weniger zufrieden geben. Das geht nicht, weil dann andere den Markt beliefern würden. Und die andern jenseits der Landesgrenzen haben offenbar das bessere Klima, geringere Löhne und weniger Restriktionen. Logisch also, wenn mit Hilfe der chemischen Industrie und unter Anwendung von Methoden des Gesundheitswesen dem störenden Bakterium zu Leibe gerückt wird. Gegen unliebsame Krankheitserreger gibt es Antibiotika. In Amerika werden diese im Obstbau offenbar auch angewendet. Also braucht auch die Schweiz solche „Ausnahmen“, wie sie der Bundesrat für das Jahr 2008 unter strengen Auflagen auch bewilligt hat. Insgesamt haben Obstproduzenten im Jahr 2008 453 kg Streptomycin angewendet. Die Liste mit den Gemeinden, in denen Streptomycin angewendet wurde, findet sich in einer Mitteilung des Bundesamts für Landwirtschaft vom 8. Juli 2008 (www.acw.admin.ch) und am Ende des Texts. Zu beachten ist, dass Antibiotika nur in Obstanlagen, also auf Tafelobst, angewendet wurde.
 
Auf unbehandelte Früchte achten!
Wenn Sie nicht möchten, dass die Früchte, die Sie konsumieren, auf diese Weise behandelt wurden, haben Sie die Möglichkeit, im Direktkauf den Einkauf in den angegebenen Ortschaften zu vermeiden. Denn so ganz harmlos ist die Sache sicher nicht: Kleine Dosen an Medikamenten geben den Bakterien und anderen Pilzen und Viren die Möglichkeit, Resistenzen zu bilden: Es sterben nicht alle, und diejenigen, die es überleben, werden mit ihrer höheren Toleranz gegen Pflanzenschutzmittel gefördert. Mittel wirken nicht nur dort, wo sie ausgebracht werden, sondern auch in der Umgebung. Praktisch die gleichen Wege, die das Bakterium erfolgreich zu seiner Ausbreitung und Verbreitung nutzt, dienen auch dem Antibiotikum zur Wanderung.
 
Das Ergebnis des Streptomycineinsatzes im Honig ist erst teilweise bekannt. Bis zum 15. Juli 2008 wurden im Kantonalen Laboratorium Frauenfeld 678 Honigproben auf Rückstände des Antibiotikums Streptomycin untersucht; das teilte das Landwirtschaftsamt Thurgau mit. In 553 Proben war kein Streptomycin nachweisbar. In 26 Fällen lag der Streptomycin-Gehalt über dem vom Verein deutschschweizerischer und rätoromanischer Bienenfreunde (VDRB) und dem Schweizerischen Obstverband (SOV) festgelegten Interventionswert von 0,01 Milligramm pro Kilogramm Honig. Dieser Honig wird vom VDRB eingesammelt und vom Obstverband vergütet und vernichtet. Von 107 Proben ist das Resultat noch ausstehend (Quelle: ONLINE Tagblatt Thurgau, 17. Juli 2008).
 
Sicher ist, dass die Verbreitung auch mittels Wildbienen, die keinen Honig machen, erfolgt. Genauso wie sich die Bakterien verbreiten – und das taten sie und tun es weiter – verbreiten sich auch die Wirkstoffe (Gifte) in der Landschaft und wirken weiss ich wo. Wer glaubt, er könne Obstplantagen von der Umwelt isolieren, der irrt und versteht zu wenig von der Natur. Oder er denkt zu wenig konsequent: Vielleicht könnte man den sterilen Tafelobstanbau des Kantons Aargau später in der luftdichten Halle der Sondermülldeponie Kölliken konzentrieren.
 
Die Exkursion bei Heinrich Gubler
Bei Heinrich Gubler harren die 50 Exkursionsteilnehmer am 22. August 2008 noch immer der Dinge, die da kommen sollen. Die wenigsten kennen einander. Aus der vorsichtigen Annäherung erfährt man ein wenig über die Herkunft: Aus Deutschland, der Schweiz und Slowenien. Man studiert die verschlossenen Gesichter und rätselt. Bestandene Obstbauern mit gegerbter Haut, Leute eher wie Funktionäre, Hobbyleute, Reporter. Neugierig betrachte man die Umgebung: Schreinerei mit Leitern, mehrere Gebäude, Wohnhaus mit Schopf, Holzlager, Garten, alle Wände voller Spaliere, begrüntes Dach, Obstbäume in einer Anlage und mitten drin, je hälftig schwarz-weiss gefärbte Ziegen auf der Weide.
 
Heinrich Gubler begrüsst die Leute. Er kennt auch nicht alle, obwohl er eingeladen hat. Woher er meine Adresse hatte, weiss ich nicht. Wahrscheinlich hat es mit meinen Aktivitäten rund um Apfelsorten (www.moscht.org; www.apfelsorten.ch) zu tun. Er geht sofort zur Sache: „Heute standen wieder negative Berichte über mich in der Zeitung. Den Leuten des Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg (www.lbbz.tg.ch) gefällt gar nicht, was ich mache und wie ich darüber berichte."
 
Den offiziellen Stellen passt seine Aktivität nicht. Wo käme man schliesslich mit dem ganzen Chemieeinsatz hin, wenn alle machen wollten, was sie möchten! Wenn ein Vertreter der offiziellen Landwirtschaft anwesend ist, was ich vermute, dann gibt er sich nicht zu erkennen. Mit sicherer Stimme erzählt Heinrich Gubler die Geschichte des Hofs (Bauernbetrieb mit Wagnerei), seit rund 100 Jahren im Besitz der Familie, heute Schreinerei und Landwirtschaft (Obst) als Hobby.
 
Der Augenschein zeigt dicht stehende Niederstamm-Bäume, gemischt aus verschiedenen Sorten und Kuriositäten. Letztes Jahr sei ein schlimmes Feuerbrandjahr gewesen. Einige wenige Bäume sind gestorben, die andern hat er geschnitten, so radikal wie es notwendig war. Rund um die Anlage herum stehen übermannshoch Hanf und Sonnenblumen. Auf einem Teil der Anlage wachsen Obstbäume verschiedenster Sorten zur Gewinnung schöner Stämme für Furnierholz. Die langen, geraden Zwetschgen, Kirschen, Birnen, Äpfel, die hoch oben sogar Früchte tragen, erinnern an Plantagen von Zuchtpappeln. Der Anblick ist etwas ungewohnt. Auch diese Bäume können Feuerbrand haben. Man sieht das Hobby, die Idee, die Mischung von Kuriositäten und man spürt die Freude. Feuerbrand bedroht in diesem Fall weniger die Wirtschaft, denn Hobby ist selten Wirtschaft. Feuerbrand bedroht vielmehr einen Traum, eine Freude und die bisherige Arbeit, deren unmittelbare Erfolge man erahnt und sich darauf freut.
 
Heinrich Gubler ist Geschäftsmann mit dem Hobby „Obst, Obstsorten und Obsthölzer“. Dieses will er sich weder vom Feuerbrand noch von der Landwirtschaft nehmen lassen. Er funktioniert nicht wie ein Obstproduzent in einem staatlich und stattlich geförderten Verband. Er überlegt, er sucht, er probiert. So organisierte er eine Exkursion nach Deutschland, wo er sich zusammen mit andern die Anwendung von Löschkalk erklären liess (www.verblasetechnik.de).
 
Ein Vertreter der Firma erläutert die heutige Praxis in Deutschland und Frankreich. Löschkalk (Kalziumhydroxid, gelöschter Kalk, Kalkhydrat, Portlandit) wird neben der Hauptanwendung als Mörtel zum Kalken (Düngen) der Wälder und zur Schädlingsbekämpfung im Wein- und Obstbau verwendet. Früher diente er auch zum „Weisseln“ der Ställe gegen Ungeziefer. Löschkalk ist ein kostengünstiges Produkt aus der Zementindustrie (z. B. Kalkfabrik Netstal AG, www.kfn.ch). Löschkalk wirkt mit einem pH-Wert von 12.4 tödlich ätzend auf Viren, Bakterien, Pilze. Löschkalk ist ätzend, wenn er mit Feuchtigkeit in Berührung kommt. Im Wasser nimmt er rasch CO2 auf und zerfällt in Kalk und Sauerstoff. Dabei verliert er jede Giftigkeit und der hohe pH-Wert wird neutral. Die Mischung wirkt also nur zusammen mit Feuchtigkeit und eine kurze Zeit. Deshalb muss sie oft und bei günstigen Bedingungen (z. B. abends mit Tau) angewendet werden.
 
Als Säureregulator ist Löschkalk unter der Nummer E 526 in Europa in der Nahrungsmittelproduktion zugelassen. Niemand hat wegen des geringen Preises des Produkts in der Schweiz ein Interesse eine teure Zulassung für die Schweiz zu erwirken. Dies im Gegensatz zur Bordeauxbrühe, einer Lösung von Löschkalk mit Kupferzusatz. Kupfer ist hoch giftig und reichert sich im Boden an. Bordeauxbrühe darf dank der Zulassung und mit Empfehlung des Forschungsinstitutes für Biologischen Landbau FiBL (www.fibl.org) im biologischen Landbau eingesetzt werden. Da kann man als selbständig denkender Mensch nur den Kopf schütteln.
 
Exkursion und Theorie sind das eine, das Probieren das andere. Als Mann der Tat hat Heinrich Gubler 2008 nicht nur den Löschkalk angewendet, sondern er kleidet sich um und schreitet vor dem interessierten Publikum zur Tat. Mit Handschuhen, Mundschutz und Schutzbrille versehen – diese Utensilien gehören zum Standard bei der Behandlung von Obstanlagen – begann er mit dem Mischen und Anrühren von Löschkalk zum Verblasen und zum Verspritzen.
 
Gubler füllt sowohl sein Rückengebläse als auch ein konventionelles Spritzgebläse hinter dem Traktor. Zum Wasser gibt er noch einen Sprutz (Spritzer) Abwaschmittel und etwas Rapsöl. Damit werden die Oberflächenspannung des Wassers reduziert, Wassertröpfchen perlen weniger von den Blättern ab, und das Gemisch bleibt länger haften. Dann geht es los. Mit Krach nebelt der Schreiner vom Boden aus seine Bäume mit einer weissen Wolke ein. Bis in die höchsten Spitzen steigt der Nebel. Zur Bekämpfung des Feuerbrandbakteriums müssen auch der Boden und die Umgebung behandelt werden. In zuckerhaltigen Früchten, Beeren und auf den Ausscheidungen von Läusen (Honigtau) können Feuerbrandbakterien überleben. Im Holz kann es Dauerstadien geben, die später wieder aktiv werden. Das ist auch bei Pilzen (z. B. Monilia) so. Infektionen sind bei entsprechenden Bedingungen (warm und feucht) und bei Verletzungen an Blättern und Trieben immer wieder möglich. Je nach Windrichtung und Thermik driftet der pulverförmige Mörtel mit der Luft ab. Alles unschädlich, weil die ätzende Wirkung im Kontakt mit Wasser rasch nachlässt. Der entstehende fein verteilte Kalk dient als Boden- und Blattdünger. Damit kommt er wieder den Bäumen zu Gute. Man sieht die Nährstoffe dem Gras und den Bäumen an: Sie sind gut gedüngt. Artenarm sagt der Spezialist.
 
Viele Schädlinge haben es auf die Kulturen abgesehen. Erkennbar sind in der Regel erst ihre Spuren und die Krankheitsbilder, die sie hervorrufen. Lange nicht alles was braune oder schwarze Flecken macht und Zweige absterben lässt, ist Feuerbrand. Das Bakterium kann sicher nur mit Labortest nachgewiesen werden. In so einer gepflegten Anlage haben – auch ohne die Anwendung von Gift – Schädlinge und andere Pflanzen und Tiere kaum mehr ein Auskommen.
 
Und die konkreten Erfahrungen? Heinrich Gubler ist überzeugt, dass die regelmässige Anwendung von Löschkalk zusammen mit dem Rückschnitt der Bäume bei Befall durch Feuerbrand die Krankheit unter Kontrolle bringt. Nur geschwächte, frisch gepflanzte Bäume sind eingegangen. Alle anderen haben den starken Feuerbrandbefall 2007 überlebt. In diesem Jahr hat es noch wenig Spuren von Feuerbrand in der Anlage. Er zeigte noch rasch 2 Zweige mit Feuerbrand. Die zuständigen kantonalen Amtsstellen begründen den offensichtlichen Rückgang seit 2007 mit der für das Bakterium ungünstigeren Witterung. Sie warnen weiter. Dabei ist klar: Es gibt auch Bäume, die den Feuerbrand abkapseln. Die befallenen Zweige verdorren und fallen ab. Bäume aus Sämlingen (wurzelechte, nicht veredelte Stämme) scheinen resistenter zu sein.
 
Die anschliessende rege Diskussion unter den Teilnehmern bestätigt das Interesse und das Bild. Vornehmlich reden Leute, die von der Sache überzeugt sind. Es wird auf die Unterschiede zum Intensivobstbau hingewiesen. Dort wird nur eine kurze Hauptblüte (die Königsblüte) zugelassen. Spätere Blüten werden chemisch verätzt, damit alle Früchte gleichzeitig reif und gleich gross sind. Auch im Biolandbau ist das üblich. Nach der Blüte ist das Infektionsrisiko für Feuerbrand geringer, weshalb das Antibiotikum nur während einer kurzen Zeit eingesetzt wird. Anders ist das in einer gemischten Anlage. Bei Hochstamm und verschiedenen Sorten verteilen sich die Blüten über einen ganzen Monat. Die spät blühenden Sorten (z. B. Menznauer Jäger) sind offenbar anfälliger auf Feuerbrand. Dies hat aber nicht unbedingt etwas mit der Sorte zu tun, sondern mit den höheren Lufttemperaturen während der Blütezeit.
 
Kritiker fehlen oder geben sich nicht zu erkennen. Sie äussern sich dann wieder in der Zeitung und in offizieller Mission im Kreuzzug gegen alle bedrohlichen Schädlinge, die wir eingeschleppt haben und denen wir mit unserer Wirtschaftsweise Verbreitungs- und Vermehrungsmöglichkeiten schaffen. Es fehlt offensichtlich noch an praktischem Wissen, an Erfahrung und an seriösen Vergleichen: Wo das Gesamtziel nicht klar ist, ist jeder Weg richtig.
 
Blass und farblos äusserte sich der Präsident von Pro Natura TG: Die naturschützerischen und Gublers Interessen träfen sich, erklärt er den Teilnehmern. Er gibt ein Blatt Papier ab, plädiert für mehr Gelassenheit und Augenmass bei Rodungsaktionen. Er zitiert aus einen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2008: Bauern aus Mörschwil weigerten sich, ihre Hochstammobstbäume entgegen einer kantonalen Verfügung zu roden. Sie bekamen vor Bundesgericht teilweise Recht. Über die Situation wird in einem nächsten Blog zu berichten sein. Der Vertreter von Pro Natura musste nachher wieder gehen und nahm an der Diskussion nicht mehr teil.
 
Der Druck hält an
Heinrich Gubler hat sein Problem mit dem Feuerbrand vorläufig gelöst. Er hat sein Mittel gefunden und sich arrangiert. Er kann seine Bäume, sein Hobby weiterhin pflegen. Aber Gubler steht unter Druck. Gegen die Lobby kommt man allein nur schwer an. Gubler verdient Anerkennung. Er sucht Unterstützung. Die Wagnerei und der alte Bauernbetrieb lassen sich heute nicht mehr betreiben. Deshalb sind in der Schreinerei und auch im Obstbau Innovationen gefragt.
 
Erfahrungen aus Deutschland zeigen: Wer ohne Gifte Obst produzieren kann, findet reissenden Absatz für seine Produkte. Dabei sind nicht die Deklaration, sondern der Tatbeweis und die Glaubwürdigkeit wichtig. Die Integrierte Produktion IP funktioniert mit konventionellen Spritzmitteln und eventuell mit Antibiotika. Bio wendet das nicht abbaubare Kupfer an. Denken Sie daran, wenn Sie Tafeläpfel kaufen! Stellen Sie sich vor, wie die jugendliche Apfelkönigin für alle Äpfel und den Tourismus nach Mostindien wirbt! Kalenderbilder und Etiketten. Oder die modelnde Dame im Sprühnebel unter dem Hagelnetz.
 
Liste der Gemeinden, in denen im Jahr 2008 Streptomycin eingesetzt wurde
ZH 8415 Berg am Irchel
ZH 8477 Oberstammheim
ZH 8810 Horgen
ZH 8820 Wädenswil
ZH 8315 Lindau
ZH 8544 Bertschikon
ZH 8353 Elgg
BE 3506 Grosshöchstetten
BE 3111 Tägertschi
BE 3532 Zäziwil
BE 3116 Kirchdorf (BE)
BE 3116 Noflen
BE 3612 Steffisburg
LU 6287 Aesch (LU)
LU 6286 Altwis
LU 6275 Ballwil
LU 6032 Emmen
LU 6294 Ermensee
LU 6274 Eschenbach (LU)
LU 6284 Gelfingen
LU 6285 Hitzkirch
LU 6280 Hochdorf
LU 6276 Hohenrain
LU 6026 Rain
LU 6027 Römerswil
LU 6033 Buchrain
LU 6030 Ebikon
LU 6344 Meierskappel
LU 6232 Geuensee
LU 6022 Grosswangen
LU 6206 Neuenkirch
LU 6207 Nottwil
LU 6208 Oberkirch
LU 6017 Ruswil
LU 6204 Sempach
LU 6210 Sursee
LU 6234 Triengen
LU 6235 Winikon
LU 6218 Ettiswil
LU 6264 Pfaffnau
ZG 6340 Baar
ZG 6330 Cham
ZG 6331 Hünenberg
ZG 6343 Risch
SO 4562 Biberist
SO 2540 Grenchen
SH 8214 Gächlingen
SH 8239 Dörflingen
SH 8262 Ramsen
SG 9312 Häggenschwil
SG 9313 Muolen
SG 9303 Wittenbach
SG 9305 Berg (SG)
SG 9403 Goldach
SG 9404 Rorschacherberg
SG 9323 Steinach
SG 9033 Untereggen
SG 9442 Berneck
SG 9473 Gams
SG 9472 Grabs
SG 9466 Sennwald
SG 8645 Jona
SG 9533 Kirchberg (SG)
SG 9230 Flawil
SG 9242 Oberuzwil
SG 9552 Bronschhofen
SG 9246 Niederbüren
SG 9527 Niederhelfenschwil
SG 9245 Oberbüren
SG 9500 Wil (SG)
SG 9200 Gossau (SG)
SG 9205 Waldkirch
GR 7205 Zizers
GR 7307 Jenins
GR 7304 Maienfeld
GR 7208 Malans
AG 5242 Lupfig
AG 5707 Seengen
AG 5630 Muri (AG)
AG 5643 Sins
AG 4853 Murgenthal
AG 5334 Böbikon
TG 9320 Arbon
TG 8580 Dozwil
TG 9322 Egnach
TG 8580 Hefenhofen
TG 8593 Kesswil
TG 9325 Roggwil (TG)
TG 8590 Romanshorn
TG 8599 Salmsach
TG 8580 Sommeri
TG 8592 Uttwil
TG 8580 Amriswil
TG 9220 Bischofszell
TG 8586 Erlen
TG 9213 Hauptwil-Gottshaus
TG 9216 Hohentannen
TG 9214 Kradolf-Schönenberg
TG 8583 Sulgen
TG 8588 Zihlschlacht-Sitterdorf
TG 8355 Aadorf
TG 8552 Felben-Wellhausen
TG 8500 Frauenfeld
TG 9548 Matzingen
TG 8526 Neunforn
TG 8512 Thundorf
TG 8524 Uesslingen-Buch
TG 8532 Warth-Weiningen
TG 8595 Altnau
TG 8598 Bottighofen
TG 8272 Ermatingen
TG 8594 Güttingen
TG 8573 Kemmental
TG 8280 Kreuzlingen
TG 8585 Langrickenbach
TG 8574 Lengwil
TG 8596 Münsterlingen
TG 8564 Wäldi
TG 9556 Affeltrangen
TG 9502 Braunau
TG 8376 Fischingen
TG 9506 Lommis
TG 9542 Münchwilen (TG)
TG 8577 Schönholzerswilen
TG 8370 Sirnach
TG 9545 Wängi
TG 9514 Wuppenau
TG 8264 Eschenz
TG 8535 Herdern
TG 8508 Homburg
TG 8536 Hüttwilen
TG 8265 Mammern
TG 8555 Müllheim
TG 8505 Pfyn
TG 8268 Salenstein
TG 8266 Steckborn
TG 8514 Amlikon-Bissegg
TG 8572 Berg (TG)
TG 8585 Birwinken
TG 8575 Bürglen (TG)
TG 9565 Bussnang
TG 8560 Märstetten
TG 8570 Weinfelden
TG 8556 Wigoltingen 
Hinweis auf die Originalpublikation
Berger F., und Cronfeld, P: „Bekämpfung oder Desinfektion des Feuerbranderregers Erwinia amylovora mit einfachen Mitteln. Möglichkeiten und Grenzen." – „Control or disinfection of fire blight bacteria Erwinia amylovora by simple means – Chances and limits."  Erwerbsobstbau 43/2001, 15–18.
 
 
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