BLOG vom: 02.09.2008
Weshalb man auch mit Bin Laden unbedingt reden müsste
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Manchmal geht mir unsere Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey auf die Nerven – immer dann, wenn sie den Amerikanern hofiert wie etwa in der Georgien- oder Kosovo-Frage. Und plötzlich ertappe ich mich, ein begeisterter Anhänger von ihr zu sein, wobei mir natürlich jedes Fantum widerstrebt. Ich bin von ihr zum Beispiel dann angetan, wenn sie ein Herz für die Palästinenser zeigt und der Aushungerung der Menschen in Palästina und damit den versuchten Völkermord an ihren bestohlenen Nachbarn durch die Israel-Machthaber in Schranken weist.
Am Botschaftertreffen vom 25.08.2008 hat Frau Calmy (Sozialdemokratin) die berechtigte rhetorische Frage gestellt, ob die Schweiz nicht auch mit Herrn Bin Laden verhandeln sollte. Meines Erachtens müsste man dies tun und unbedingt auch mit den Taliban sprechen, die grossartige strategische Leistungen vollbringen und gegen die vereinigten USA-Nato-Kriegsmaschinerien heldenhaft zu bestehen vermögen; von „Unschuldsengeln" spricht in diesem Zusammenhang niemand. Bei allen Vorbehalten: Das ringt Bewunderung ab. Die USA haben bisher alle ihre Kriege verloren; im 2. Weltkrieg tauchten sie erst zur Zerstörung und Plünderung in Europa auf, als das Hitler-Deutschland bereits ausgeblutet war. Der ewige Dank wäre eher von den Amerikanern gegenüber Deutschland fällig – schade nur, dass das die Deutschen noch immer nicht gemerkt haben.
„Die Schweiz will mit Bin Laden reden“, lautete die Schlagzeile auf dem arabischen TV-Sender Al Jazzeera (29.08.2008). Und was daran Anlass zur Aufregung geben soll, verstehe ich nicht. Statt sich in die Nato einbinden zu lassen und die US-Dreckgeschäfte zu unterstützen, würde die noch immer als neutral geltende Schweiz besser daran tun, für Frieden in der Welt zu sorgen und sich nicht aktiv in fremde Händel einzumischen. Ausnahmslos alle Konflikte sollten mit friedlichen Mitteln gelöst werden, unbeachtet der Waffenarsenale, mit denen man die Erde mehrfach zerstören könnte und unter denen sich die Amerikaner, so weit sie der Kriegsführung zugetan sind, hoffentlich selber begraben werden.
Doch die Neo-Schweiz (die neoliberalisierte, globalisierte Schweiz) hat sich im Rahmen der allgemeinen Geistesverwirrung amerikanischer Bauart von ihrer Aufgabe als Friedensstifterin auf dem Hintergrund der Nichteinmischung in fremde Händel von alledem verabschiedet, was dem Alpenvolk Bedeutung und Ansehen gab. Für Frau Calmys Gesprächsabsichten auch mit den von den USA auserwählten „Bösen“ im Interesse einer friedlicheren Welt gabs nur Spott und Häme, und aus den USA und Israel kam ein Gewitter aus vernichtender Kritik, ähnlich jenem, das in der Nacht zum 01.09.2008 über Biberstein und Umgebung niedergegangen ist. „Es ist schwer, sich ständig der Einfachheit einer narzisstischen durchgeknallten Linken bewusst zu sein“, polemisierte z. B. einer auf der Webseite www.israelnationalnews.com. Und Karrierist Christophe Darbellay, der Wortführer der CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) Schweiz, die ihre Nähe zum jüdisch geprägten Christentum durch das C verdeutlicht, gab Frau Calmy zum Abschuss im Rahmen des bundesratsintern Möglichen frei: „Entweder der Bundesrat spricht Calmy-Rey explizit das Vertrauen aus, oder er prüft einen Departementswechsel.“
Frau Calmy relativierte dann etwas: Sie habe innerhalb einer rhetorischen Frage bloss „die Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Dialogs“ erörtert. Dabei gibt es nichts zurückzukrebsen und nichts zu entschuldigen. Weshalb soll man nicht mit allen sprechen: Mit Bin Laden, den Taliban und allen anderen Rebellen wie Geiselnehmern, die sich manchmal aufgrund einer verheerenden Politik westlicher oder anderer Prägung zur Verteidigung von Sitten, Bräuchen und Lebensarten aufgerufen sehen, die der Westen in seiner arroganten Selbstüberschätzung und seinen Weltherrschaftsansprüchen übersieht und nicht versteht.
Vielleicht sollte man sich einmal in Ruhe überlegen, wo denn die Bösen, die Unruhestifter und Erpresser vor allem sind. Man käme zu ungewöhnlichen, erschreckenden Antworten und müsste Frau Calmy, wenn immer sie zu Dialogen aufruft, Recht geben.
Es war schon immer ein schweizerisches (und auch juristisches) Prinzip, sie zu hören: alle beide. Weshalb soll diese Selbstverständlichkeit denn eigentlich plötzlich nicht mehr gelten?
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