BLOG vom: 03.09.2008
Die Kölliker Sondermülldeponie und entsorgungsreife Mythen
Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
Mit ihren Risikoanalysen hatte die Sondermülldeponie Kölliken SMDK im aargauischen Suhrental bisher kein besonderes Glück. Bei der Planung und beim Betrieb dieses Gifthaufens in einer erschöpften Lehmgrube lief alles schief, was schief laufen konnte. Das Resultat: Der planerische Megapfusch muss nun mit einer Gigasumme, die sich einer Milliarde CHF bedrohlich annähert, beseitigt („rückgebaut“) werden, um es in der zeitgemässen Sprache auszudrücken. Dieser Rückbau, mit dem am 01.11.2007 begonnen worden ist, ruht nun seit dem 26.06.2008, als es durch Selbstentzündung von Magnesium nächtlicherweile zu einem Brand in der Halle gekommen war – zum Glück lag die tapfere Arbeiterschaft gerade in den Armen des Morpheus, dem Gott des Traums (in der griechischen Mythologie), so dass ihr nichts passierte.
Bereits in meinem Blog vom 12.07.2008 (Link im Anhang) habe ich, ohne mit besonderem hellseherischem Talent ausgerüstet zu sein, geschrieben: Ein neues Sicherheitskonzept dürfte „Monate beanspruchen“, nachdem SMDK-Chef Jean-Louis Tardent von „mindestens 1 Monat“ gesprochen hatte, seinerseits Zuversicht verbreitend. Solch eine Aussage impliziert die Möglichkeit, dass es bestenfalls innert eines Monats zu schaffen sein könnte. Inzwischen ist der September 2008 ausgebrochen, der Herbst zieht ins Land, und der Rückbau schläft nach gut 2 Monaten noch immer, abgesehen von den 5000 Tonnen Material (1 % des Inhalts), die noch vor dem Brand zum Abtransport bereitgestellt worden waren und die nun abtransportiert werden können. Ein vorgezogener Winterschlaf zeichnet sich ab. Tardent, inzwischen mit Zeitangaben zurückhaltender und noch vorsichtiger geworden, will bei zum vollständig angepassten Sicherheitskonzept der Arge Phönix und der Überprüfung durch die Experten und die Aufsichtsbehörde zuwarten. „Jede zeitliche Angabe wäre reine Spekulation“, sagte er, offensichtlich am Üben von Geduld gereift. Wichtiger als das schnelle ist das perfekte Beseitigen. Der Wettlauf mit der Zeit ist konstruiert.
Nachdem ich die SMDK vor und seit der Eröffnung (1978), also von Anfang an, publizistisch begleitet habe und davon auch in meinem Pensionisten-Dasein nicht lassen kann, zumal ich auch als Steuerzahler akzeptiert bin, habe auch ich meine Lehren aus dem Sondermüllwesen noch vertiefen können: Man muss auf Feinheiten achten, die zu möglichen Rückschlüssen führen können. Und solch eine Feinheit ist die in der Mittelland-Zeitung MZ (02.09.2008) von Redaktor Hans Lüthi zitierend wiedergegebene Feststellung: „Die Risikoanalysen wurden in den letzten Wochen unter die Lupe genommen, sie sind ,sachgerecht und vollständig’ – sagen die Experten.“ Mein lieber ehemaliger Kollege Hans hat die Sache schon durchschaut.
Selbstredend kann man Nonsens dieser Art in allen Bereichen lesen, aber wenn nun die aktuell tätigen Experten offensichtlichen Blödsinn verzapfen und ihnen niemand widerspricht, dann ist das schon erschütternd: Die Risikoeinschätzungen aufgrund der ursprünglichen Risikoanalysen erwiesen sich doch offensichtlich als total ungenügend und als unvollständig. Denn bereits in der offenen Sondermülldeponie war es bereits mehrmals zu Bränden durch Selbstentzündung gekommen, wobei der bedeutendste Brand 1982 bei einem selbstlosen Einsatz der Feuerwehr Kölliken nur mühsam gelöscht werden konnte.
Selbst wenn es zu keinen solchen Bränden gekommen wäre, hätte die Möglichkeit einer Selbstentzündung ins Sicherheitskonzept einbezogen werden müssen. Es ist der Gipfel der Ignoranz bei der Gefahrenabschätzung, wenn man das nicht einmal tat, nachdem es tatsächlich zu solchen Selbstentzündungen gekommen war. Und es ist der Gipfel an Unbelehrbarkeit, wenn auf der Grundlage dieser Vorkommnisse jetzt gerade auch noch gesagt wird, das Sicherheitskonzept sei „vollständig“ gewesen. Da ist nur etwas vollständig: der Blödsinn. Dass das SMDK-Konsortium so etwas unkommentiert via Medien an die Öffentlichkeit weitergibt, erschüttert mich zusätzlich – mit etwa 7 auf der nach oben offenen Richterskala … Das Sicherheitskonzept war – im Klartext – ein Pfusch.
Arge Phönix nennt sich das Konsortium, das den Auftrag für den Rückbau erhalten hat – ein der Mythologie entsprungener Vogel, der sich immerwährend erneuern kann. Er verbrennt und erhebt sich aus der Asche wieder. Und das Adjektiv „arg“ (niederträchtig, böse) kommt auch in der Redensart, es liege etwas im Argen, vor, das heisst, sei etwas in Unordnung, verworren. Der Name ist gut gewählt, auch wenn man mir nun zurufen wird, „Arge“ sei schlicht und ergreifend ein Kürzel für Arbeitsgemeinschaft.
Die Phönix-Gruppe setzt sich aus den folgenden ehrenwerten und nicht etwa argen Unternehmen zusammen:
• Walo Bertschinger AG, Zürich;• Eberhard Bau AG, Kloten;• Eberhard Recycling AG, Kloten;• Ecosoil Süd GmbH, Ulm D;• Entsorgungszentrum Richi, Weiningen.
Ob die erwähnten „Experten“ von diesem, vom Kanton Aargau (Staatsverwaltung) oder vom SMDK-Konsortium auserwählt wurden, entzieht sich bei dem verworrenen Sachverhalt meiner Kenntnis. Auf jeden Fall würde ich auch für diese Alles-gut-Finder ein Rückbaukonzept empfehlen, um auch sie auf unschädliche Weise mit der gebührenden Sanftheit zu entsorgen oder wenigstens dem Morpheus in die Arme zu legen, damit sie keinen weiteren Schaden zulassen können.
Im Zeichen des Phönix müsste in diesem Fall allerdings strikte darauf geachtet werden, dass nicht die gleichen Experten wieder auferstehen. Und es gilt auch dies zu beachten: Mit Mythen sind wir inzwischen hinreichend eingedeckt.
Hinweis auf die Beschreibung der SMDK im Textatelier.com
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