Textatelier
BLOG vom: 17.11.2008

Erfahrungen, Aufgaben und Gedanken rund um den Tod

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Jetzt gerade nachdem ich Wäsche aufgehängt habe, ist mir bewusst geworden, dass ich wieder in der Gegenwart angekommen bin. Ich war ganz bei der Sache, freute mich, wie sauber das Stück wieder war, das ich gerade in Händen hielt. Zeitweise war ich stehen geblieben, habe mich rückwärts gewandt und kurz darauf bin ich wieder vorausgeeilt, um dringende Aufgaben zu erfüllen. Die Folge: Ich verlegte Papiere, die Brille, die Schlüssel usw.
 
Der Grund: Celeste, die gelegentlich auch in Beiträgen im Blog-Atelier auftauchte, ist gestorben. Eine Erkältung minderte ihren Lebenswillen so stark, dass sie loslassen konnte. Als man ihr ein Spitalbett versprach, in dem sie besser gepflegt werden könne, gab sie auf. Ich freute mich über diese Art zu sterben. Sie war nicht allein. Pflegefachfrauen hielten sie beim Umbetten und gleichzeitigem Sterben in den Armen.
 
Ein Tod richtet sich nicht nach der Agenda der Betroffenen. Rücksichtslos wurde von mir gefordert, neben anderen Arbeitssträngen jetzt vor allem jenem für die Beerdigung zu folgen. Celeste hat mich zeitlebens als ihre „Seggredärin“ (Sekretärin) vorgestellt und mir rechtzeitig alle Vollmachten gegeben. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihre letzten Wünsche zu erfüllen.
 
Ich habe schon für verschiedene Mitmenschen diese letzten Aufräumarbeiten übernommen und erfahre auch jetzt wieder, wie hilfreich es ist, wenn lange vorher darüber gesprochen wird. Was ist noch wichtig? Was soll gesagt und geschrieben werden? Wie soll das Leidmahl ausfallen usw. Was geschieht mit wertvollen Möbeln oder Andenken? Diese Fragen und die dazugehörigen Antworten sind enorm wichtig und erleichtern die Arbeit.
 
Celeste wünschte, dass ihre Asche in einer Nische bestattet werde. Der Verantwortliche vom Bestattungsdienst offerierte, selbst begeistert vom Urnenhain, einen Platz in der neu angelegten Nischenwand im Friedhof Sihlfeld. Ich dachte sofort an Kelten oder Römer, die solchen Orten viel Bedeutung gaben. Ideal auch nach den Vorstellungen der Verstorbenen und ideal für mich. Dieser Friedhof ist für mich gut erreichbar und er ist als friedliche Stätte schön. Von seiner Architektur her ein Ort der Geborgenheit.
 
Als wir den Tod im Bevölkerungsamt meldeten, wurden wir an allen Stellen sehr freundlich, mitfühlend und auf eine Art liebevoll begrüsst. Bevor wir an die Reihe kamen, trat eine Dame an den Schalter, die uns schon im Lift aufgefallen war. Sie konnte kaum mehr atmen. Und ihre Stimme versagte oft. Ein Tod, den sie betrifft, muss ihr arg zugesetzt haben. Da können wir uns gut vorstellen, dass das Personal dieses Amtes so geschult ist, dass es Mitgefühl signalisieren kann. Primo setzte für unseren Fall aber gleich ein Zeichen. Er informierte, wir würden einen Tod mitteilen, der als Erlöser gekommen sei. Wir seien nicht traurig.
 
Als Celeste vor 10 Jahren ins Heim eintrat, nannte sie mir Namen und Adressen von Verwandten und befreundeten Frauen. Ich listete sie auf. Ein A-4-Blatt wurde zu ¾ gefüllt, wohlgemerkt, jede Adresse ohne Leerschaltung an die nächste gerückt. Und jetzt, beim Tod, konnte ich nur noch 3 Personen mit der Todesanzeige erreichen. Wer über 90 Jahre alt wird, alleinstehend und kinderlos ist, wird zwangsläufig einsam.
 
Wo immer ihre Seele oder Persönlichkeit jetzt ist, wir wünschen ihr den Frieden. Letizia sagte ein paar Tage später, Celeste habe sich nicht mehr gemeldet (z. B. in einem Traum), und darum stelle sie sich vor, dass sie fadengerade, aber über ihr geliebtes Tal von Poschiavo, in ihre neue Heimat geflogen sei.
 
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