Textatelier
BLOG vom: 24.11.2008

Obama-Stilbruch 5: Die Billary-Spätrenaissance steht schon

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Ein Teil von Barack Obamas lautstark verheissenem Wechsel besteht in einer Reaktivierung der Clinton-Dynastie, ist also ein Clinton-Recycling. Laut einer am Freitag, 21.11.2008, von der „New York Times“ verbreiten Meldung hat Hillary das Angebot des künftigen Präsidenten wie erwartet angenommen, das US-Aussenministerium zu leiten. Finanzminister wird Timothy Geithner, der u. a. unter Bill Clinton für internationale Angelegenheiten zuständig war und seit 2003 Chef der Notenbank (Fed) in New York ist, jenem Institut, welches das Schuldenmachen intensiv gefördert hat und zu einem massgebenden Teil für das heutige Weltwirtschaftsdebakel verantwortlich ist. „Eine brillante Wahl“, wie man hört und liest. Die Wallstreet machte Freudensprünge, knallte nach einer depressiven Woche am 21.11.2008 binnen weniger Minuten ein Plus von 6,5 % hin – gerechnet von einem abgrundtiefen Niveau aus. Schon der jüdische Rahm Emanuel hatte sich unter Clinton den Ruf gesichert, ein begnadeter Manipulator zu sein. Er verdiente zur Zeit der Subprime-Blüte ein Millionenvermögen als Investmentbanker. Und Handelsminister soll angeblich Bill Richardson werden, der frühere Energieminister der Regierung Clinton. Man trifft sich wieder.
 
Die paranoide Gewissensprüfung nach Obama-Muster hätte Frau Clinton zwar niemals bestehen können, wäre das mehr als eine Alibiübung. Besonders an der einen von 63 Fragen, ob ein Kandidat jemals etwas von sich gegeben habe, das dem künftigen Präsidenten schaden könne, müsste ihr mehrfach zum Verhängnis geworden sein. Zusammen mit ihrem Bill hatte Hillary den Rivalen Obama mit aggressiven Methoden bekämpft, vor allem Bill tat sich diesbezüglich besonders hervor. Laut dem „Wall Street Journal“ griff Bill den Barack oft untergriffig an, um seine Hillary mit weisser Weste dastehen zu lassen. Das passe wunderbar zur Familienchronik der Clintons; den anderen (gegenseitig) die „Drecksarbeit“ machen zu lassen. Aus solchen Doppelauftritten entstand das Wort „Billary“.
 
Barack Obama hatte kritisiert, der frühere Präsident Clinton habe es sich zur Gewohnheit gemacht, Erklärungen abzugeben, die nicht der Wahrheit entsprächen und ihn mit falschen Anschuldigungen zu verunglimpfen. So hatte Bill aufgedeckt, dass es ein Märchen war, wenn Obama behauptete, immer gegen den Irak-Krieg gewesen zu sein. Und Bill hatte Recht. Mehr noch: Obama hatte 2004 zur Bombardierung des Iran und Pakistans aufgerufen, eine Ungeheuerlichkeit, und sich noch im Juni 2006 gegen den Abzug der US-Truppen aus dem Irak ausgesprochen.
 
Nach seiner Amtszeit war Bill zu einem Welthandelsreisenden verkommen, hängte sich ein Wohltätermäntelchen um und verstrickte sich in letzter Zeit in einträgliche, undurchsichtige und dubiose Geschäfte, die ihm viel Geld in die Privattaschen spülten. Wer sich, wie auch immer, übermässig zu bereichern versteht, geniesst in den USA ein proportional zum Reichtum wachsendes Ansehen.
 
Umgekehrt wies Obama mit Bezug auf das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA (USA, Kanada, Mexiko) der Hillary Clinton ebenfalls ein Lügen nach. Hillary hatte an den Sitzungen zur Beratung des Abkommens 1993 teilgenommen, lehnt das unbeliebte, von ihr mitgestaltete Abkommen inzwischen aber ab.
 
Hillary erfand auch die berühmte Geschichte, wonach sie in Bosnien in einen Kugelhagel geraten sei, um sich etwas aufzuplustern, musste dann aber zugeben, dass ihr damit ein „Irrtum“ unterlaufen sei, und solche Irrtümer würden ja bloss ihre Menschlichkeit beweisen, eine Offenbarung für viele Menschen … – sie ist also kein Gott.
 
Als sie ihr Kandidaten-Ende spürte, frass sie noch schnell Kreide, machte mehr in Richtung Weinerlichkeit. Und nun hat sie es mit Bills gütiger unterstützender Hilfe geschafft, ins Obama-Regiment eintreten zu dürfen – die Gewissensprüfung wurde offensichtlich bestanden ... Damit darf der berühmte Fragebogen als Makulatur entsorgt werden. Und jetzt sind auch die Chancen für Monica Lewinsky für eine Rückkehr ins Weisse Haus wieder gut.
 
Wofür steht das Billary-Duo denn eigentlich? Während Bills Amtszeit wurde etwa der von ihm herbeigeführte Nato-Krieg gegen Jugoslawien mit Streubomben gegen Zivilisten und Krankenhäuser bestritten. Sonst war seine Aussenpolitik zögerlich, was nicht gegen ihn spricht, im Gegenteil. Er war mit sich selber beschäftigt, vermittelte wegen seiner Lewinksky-Affäre und dem damit verbundenen Amtsenthebungsverfahren, das die Republikaner genüsslich zelebrierten, ein jämmerliches Bild; dieses war weniger wegen seiner Sexeskapaden als vielmehr wegen einer Falschaussage unter Eid sowie Justizbehinderung angestrengt worden. Aber jetzt darf er trotz alledem wieder kräftig im Führungsklüngel der Weltpolizeimacht mitmischeln. Schon im Wahlkampf war Obama nicht so richtig drausgekommen, ob er es überhaupt mit Hillary oder Bill zu tun habe. Das Duo ist zum Siamesischen Zwilling geworden. Und damit hat man auch den Bill indirekt wieder in Obamas Gruselkabinett.
 
Hillary selber hatte im Wahlkampf in aussenpolitischen Fragen eine kriegerischere, härtere aussenpolitische Linie als Obama vertreten; sie hatte 2002 die Irak-Invasion befürwortet, und sie hat sich bisher nie davon distanziert – eine Peinlichkeit nach all dem, was geschehen ist. Neuerdings warf sie Bush vor, den Krieg schlecht geführt und die Eskalation hingenommen zu haben – als ob Bush je in der Lage gewesen wäre, eine intelligente Führung zu gewährleisten. Ob sie zu ihrem Wahlkampfversprechen, für den Abzug der US-Soldaten aus dem Irak zu sorgen, noch stehen wird, wird die Zukunft weisen – vielleicht war das Versprechen auch bloss ein Versprecher. Eine Kriegsführung gegen den Iran knüpfte sie bloss an die Bedingung einer Zustimmung durch den Kongress – lehnte ihn nicht einfach ab, was eine anständige Haltung gewesen wäre.
 
In Tat und Wahrheit dürfte Obama die in der ehemaligen „First Lady“ (in den USA werden die Damen rangiert) schlummernde Kriegsbereitschaft gefallen, zumal er sich vor die Aufgabe gestellt sieht, den Niedergang des anglo-amerikanischen Imperialismus unzimperlich abzustoppen und er selber laut Webster Griffin Tarpley „kriegslüsterner als Bush“ (im „Obama“-Buch) ist. Hillary hat sich bis zum 07.06.2008 als unerbittliche Kämpferin herausgestellt, die ihrem Erfolg auch die Konsequenz unterordnet und also eigentlich unberechenbar ist.
 
Der Stil von Obamas Personalpolitik erinnert an die Renaissance, die eine Fortsetzung der klassischen Bauweise war (in der auch das Weisse Haus gebaut ist). Allerdings ist der Säulenschmuck, der die Regierungsfassade verdeckt, wenig überzeugend. Man drückt mit dem Rückgriff auf Traditionelles im Allgemeinen aus, dass einst alles anders, alles besser war. Obamas Wiederauflebenlassen der Vergangenheit sieht allerdings der Spätrenaissance ähnlich: eine unbeschwerte Vermischung von klassizistischen und historizistischen Formen unter dem markant ausgeprägten und einsturzgefährdeten Giebelfenster, das so gar nicht zum Plakat mit der Aufschrift „Change“ passen will. Seine Regierungsmannschaft wirkt, als ob man von einem Autofriedhof Schrott geholt habe und daraus ein modernes, zukunftstaugliches Fahrzeug machen wolle.
 
Wir interessieren uns mehr dafür, nach vorne zu blicken, als nach hinten“, hatte Obama im Juni 2008 zu Medienvertretern gesagt. Und in diesem Lichte betrachtet, ist seine Personalpolitik ein Stilbruch mehr. Hat dieses Amerika denn wirklich keine unverbrauchten, unbescholtenen, weitsichtigen und ehrlichen Menschen, die den versporchenen Wechsel wirklich schaffen könnten, die das Foltern, rechtswidrige Kriege, Kriegsverbrechen, Völkerrechtsverletzungen und die verfluchte US-Arroganz ständiger Einmischungen beenden könnten?
 
Offenbar nicht. Das Billaryoba-Konglomerat und all die abgetakelten Haudegen sind ein starkes Indiz für noch schlimmere Zeiten.
 
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